Als Alen Pjanic am frühen Sonntagabend das Spielgerät abseits des Parketts einsammelte, entfuhr ihm ein deutlich vernehmbares „Wirf ihn doch!“ Er meinte damit eventuell sich selbst, möglicherweise aber auch seinen Teamkollegen Geno Crandall. Pjanic, Flügelspieler der EWE Baskets, hatte wenige Sekunden zuvor in der Offensive unter Zeitdruck einen Turnover produziert, da Crandall den Abschluss verweigert und den Ball zu Pjanic weitergegeben hatte. Es war im Spiel gegen den FC Bayern München nicht der einzige Moment, in dem Crandall eine merkwürdige Entscheidung traf – der Kapitän des Basketball-Bundesligisten lieferte eine mindestens irritierende Vorstellung.
Um ehrlich zu sein: Das lässt sich auch insgesamt über die vergangenen Spiele der Niedersachsen sagen.
Unglücklich darf noch die erste von inzwischen vier Niederlagen am Stück im Rückblick genannt werden, denn das 95:97 gegen den SYNTAINICS MBC war bis zum Schluss knapp. Danach aber folgte eine Schlappe bei den Telekom Baskets Bonn, die nur deshalb ein optisch vergleichsweise enges Resultat angeheftet bekam, weil die Rheinländer zu früh auf die Bremse traten. Die Kritik von Headcoach Mladen Drijencic im Anschluss sprach Bände – der Übungsleiter erlebte sein Team in Bonn „ohne Herzblut, Emotionen, Verantwortung und sehr oft ohne Fokus“. Ein Weckruf für die Mannschaft? Mitnichten. Die folgende Partie bei den SKYLINERS in Frankfurt geriet zur nächsten Enttäuschung, beim 72:83 gegen die Hessen waren 50 gegnerische Punkte in der ersten Halbzeit ein Zeichen dafür, dass die Botschaft des Trainers bei vielen Spielern augenscheinlich nicht richtig angekommen war …
Am Sonntag wurde schließlich der FC Bayern München in Oldenburg vorstellig. Viel war vor der Partie darüber spekuliert worden, wie ernst die Gäste diese Begegnung nehmen würden. Wen würde Weltmeistertrainer Gordie Herbert schonen? Wer würde die größte Verantwortung schultern? Herbert entschied sich für einen Kompromiss. Nach der BBL-Niederlage am Dienstag in Ulm und der EuroLeague-Schlappe am Donnerstag gegen Fenerbahce war es die dritte Partie binnen sechs Tagen, zudem steht an diesem Dienstag im Play-In ein Do-or-die-Spiel gegen Roter Stern Belgrad an. Die zehn Spieler, die der FCB mit nach Oldenburg brachte, ergaben immer noch eine mehr als schlagkräftige Aufstellung, allerdings fehlte in Nick Weiler-Babb, Carsen Edwards, Vladimir Lucic, Oscar da Silva (verletzt) und Johannes Voigtmann auch ein Quintett, das wohl jeder Bundesligist mit Kusshand als Starting Five für sich verbuchen würde.
Für die EWE Baskets hieß das: Wenn man tatsächlich mit einem Heimsieg gegen den favorisierten FC Bayern einer komplizierten Saison noch einen Twist geben wollte, dann waren die Voraussetzungen nicht die schlechtesten. Theoretisch.
Praktisch reichte den Gästen dann allerdings eine solide, abgeklärte und unaufgeregte Leistung. Angetrieben von jenen, die gewöhnlich nicht in allererster Reihe stehen – Justus Hollatz, der erst 18-jährige Ivan Kharchenkov und der jüngst nachverpflichtete Jack White –, traten die Münchner jeweils nur kurz und gezielt auf das Gaspedal, erspielten sich zwischenzeitlich eine deutlichere Führung und verwalteten dann den Vorsprung mit Cleverness. Oldenburg war das grundsätzliche Bemühen, Kapital aus der offensichtlichen Überbelastung der Bayern zu schlagen, nicht abzusprechen. Aber: Ein Team, das mit voller Überzeugung an eine positive Wende glaubt, muss doch ein Stück mehr liefern.

Ja, es ist eine durchaus wilde Saison in der easyCredit BBL, in der übliche Verdächtige wie ALBA BERLIN in erheblichen Schwierigkeiten stecken und andere wie Heidelberg, Weißenfels oder Rostock mit Macht in die Playoffs drängen. Ja, es gab schon einige Entwicklungen und Wendungen, die überzeugte Prognosen binnen weniger Tage in den Papierkorb geführt haben. Und ja, es sind für die EWE Baskets noch fünf Spiele zu spielen. Aber: Nach den Eindrücken der vergangenen Begegnungen wird ein Gefühl immer stärker: Die Mannschaft selbst glaubt nicht mehr daran, dass die Saison 2024/2025, die nach sechs Spieltagen einen Trainertausch bereithielt und in der im Kader einiges in Bewegung geriet, noch zu einer Erfolgsgeschichte wird.
Aktuell läuft der Club Gefahr, die Spielzeit in der Tabelle so schlecht zu beenden wie seit 2002 nicht mehr. Vor 23 Jahren landeten die Oldenburger in einer 14er-Liga auf dem 13. Platz (und stiegen am Ende nicht ab, da Tübingen aufgrund eines Regelverstoßes Punkte verlor). Mit einer Bilanz von 12:15 sind die Play-In-Plätze momentan aus dem Blick geraten, und es wirkt kaum vorstellbar, dass die EWE Baskets in dieses Rennen noch einmal eingreifen.
Doch nicht nur die laufende Saison droht historisch schlecht zu werden, auch mit Blick auf das größere Ganze im sportlichen Bereich schrillen die Alarmglocken. Zur Erinnerung: 2022 verpasste Oldenburg die Playoffs, 2023 folgte das desillusionierende 0:3 in den Playoffs gegen Ludwigsburg, 2024 war die Saison nach einem enttäuschenden Play-In-Spiel gegen Hamburg beendet. Die BBL ist insgesamt in Bewegung geraten, die EWE Baskets saßen dabei zuletzt häufiger im falschen Fahrstuhl.
Vielleicht ist es angesichts dieser Entwicklung ganz gut, dass nun auch im Club selbst in vielen Bereichen ein Neustart ansteht. Bei den Geschäftsführern gibt es zu einem Teil ganz neue Impulse, denn Christian Andresen dürfte frischen Wind und neue Ideen mitbringen. Hinzu kommt ein neuer Headcoach, der in Oldenburg einen personellen Neuanfang auch auf dem Parkett einleiten dürfte. Es ist wohl keine allzu gewagte Prognose, dass die EWE Baskets mit einer vermutlich nahezu vollständig umgekrempelten Mannschaft in die Saison 2025/2026 starten. Die Diskussionen dürften jetzt, da die laufende Spielzeit gefühlt so gut wie beendet zu sein scheint, ordentlich Fahrt aufnehmen.
Was in jedem Fall feststeht: Die Verantwortlichen stehen unter Druck. Wer wird neuer Trainer? Wer kommt aus der aktuellen Mannschaft für eine Weiterbeschäftigung infrage (wenn man es nüchtern betrachtet, endet die Aufzählung sehr schnell)? Welche Akteure lassen sich anlocken, obwohl mutmaßlich ein weiteres Jahr ohne Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb droht? Und nicht zuletzt: Wie wird Srdjan Klaric seine zukünftige Position definieren und ausfüllen? Der (noch) sportliche Leiter und (in Kürze) Geschäftsführer Sport wird im Verbund mit dem (noch nicht feststehenden) Headcoach überwiegend Volltreffer landen müssen, um die EWE Baskets dorthin zu führen, wo sie nach dem Selbstverständnis hingehören: ins vordere Drittel, in dem das Gedränge immer größer wird.
Derzeit sind die Oldenburger davon erschreckend weit entfernt.
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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem als redaktioneller Mitarbeiter für die easyCredit Basketball Bundesliga, als gelegentlicher Experte am Mikro bei den EWE Baskets oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.