Christian Held ist Trainer beim Basketball-Bundesligisten ROSTOCK SEAWOLVES und am dritten Advent zu Gast bei den EWE Baskets. Was der ehemalige Oldenburger über seine Zeit an der Hunte, die aktuelle Situation seines Clubs und die Herausforderungen in der Bundesliga denkt, erläutert er in einem Gespräch.
Christian, mit dem Aufstieg war für euch unmittelbar klar: Rostock betritt nun absolutes Neuland. Konntest du den Erfolg ein wenig genießen oder stand sofort die Konzentration auf die neue Herausforderung im Mittelpunkt?
Das mit dem Neuland stimmt, aber das alles begann ja schon früher, im Grunde im Sommer vor der vergangenen Saison. Da haben wir uns zusammengesetzt und gemeinsam mit der Club-Führung definiert, in welchen Punkten wir uns professionalisieren müssen. Wir haben einen Fahrplan entwickelt und uns vor allem auf das Team hinter dem Team konzentriert. Außerdem wollten wir die Trainingsbedingungen verbessern. Schritt für Schritt haben wir uns personell besser aufgestellt, es kamen beispielsweise ein hauptamtlicher Athletiktrainer, eine Teammanagerin oder ein zweiter Assistenztrainer hinzu. Klar war: Sollte sich die sportliche Chance zum Aufstieg ergeben, wollten wir diese auch wahrnehmen. Wir kamen an den Punkt, an dem uns klar wurde: Wir sind bereit. Gefeiert haben wir aber natürlich: In der Nacht nach dem Spiel in Jena und am Morgen danach. Aber, um ehrlich zu sein: Wir haben uns direkt wieder fokussiert.
Euer Job war noch nicht komplett erledigt …
Korrekt, wir wollten nach dem feststehenden Aufstieg auch noch die Finalspiele für uns entscheiden. Praktisch als Belohnung für die viele Arbeit, die alle investiert haben. Hat funktioniert!
Nach einem Aufstieg müssen Trainer und Management Entscheidungen treffen: Wer geht mit hoch? Wo muss nachgebessert werden? Wie schwer fiel euch das?
Definitiv fällt so etwas sehr schwer, schließlich habe ich eine große Dankbarkeit für das gefühlt, was die Jungs für den Club erreicht haben. Allerdings fielen die Veränderungen bei uns im Vergleich zu vielen vorherigen Aufsteigern gar nicht so umfassend aus. Im Grunde sind nur drei Spieler nicht mit aufgestiegen – und das waren neben Robert Montgomery in Brad Loesing und Michael Jost gleich zwei Spieler, die ihre Profilaufbahn beendet haben. Wir haben die große Mehrzahl an Spielern mit in die BBL genommen, und das ist auch kein Zufall. Schließlich haben wir uns vor der Aufstiegssaison intensiv mit der Kaderzusammenstellung auseinandergesetzt und entschieden, Spieler mit Potenzial zu verpflichten. Solche, die bereit sind, den nächsten Schritt zu gehen, und die wir durch die tägliche Arbeit in Richtung BBL-Spieler entwickeln können. Der Plan ging auf.
Als Aufsteiger geht man selbstbewusst, aber gewiss auch ehrfürchtig an die neue Aufgabe heran. Wie hast du das Team auf die hohen Ansprüche in der BBL vorbereitet?
Wir haben uns ganz einfach an das gehalten, was wir immer tun. Ein Spiel nach dem anderen, wobei für uns als Aufsteiger praktisch jede Partie ein Endspiel ist. Es stehen auch in dieser Saison sehr junge Spieler im Kader, und das war wieder eine sehr bewusste Entscheidung. Da sind dann auch Jungs dabei, die an anderen Standorten eher der Frage begegnen würden: Sind die schon so weit? Wir arbeiten in dem festen Glauben, sie auf das nächsthöhere Level bringen zu können. Der Fokus liegt auf dem jeweils aktuellen Tag, auf dem jeweils aktuellen Training. Natürlich lässt sich der Tabellenstand nie ausblenden, aber für uns steht die Frage im Vordergrund: Haben wir uns heute im Training verbessert?
Du kommst gerade von der Vormittagseinheit: Habt ihr euch heute schon verbessert?
(lacht) Heute Morgen lag der Fokus auf Kraft und Wurf, da müsstest du eher den Athletiktrainer fragen.
Nach vier Spielen hattet ihr vier Siege eingesammelt. Ich vermute, das hat eure kühnsten Hoffnungen übertroffen?
Damit habe ich, so ehrlich muss ich sein, niemals gerechnet. Natürlich überlegt man sich immer: Wo sind wir gegenüber anderen im Vorteil? Da muss man dann ansetzen und das Beste herausholen. Unsere Überlegung beim Saisonstart war: Wir haben den Kern zusammengehalten und haben aufgrund der positiven Entwicklung, die das Team dabei durchlaufen hat, ein gesundes Selbstverständnis und Selbstvertrauen aufgebaut. Das Team hat viel erlebt, einiges durchgemacht und erkannt: es funktioniert! Da waren wir gegenüber den ersten Gegnern im Vorteil, die sich zum Teil noch finden mussten. Aber dass es einen solchen Saisonstart geben könnte: Das war eine Überraschung; eine erfreuliche natürlich.
Was ist deine größte Herausforderung nach vier Niederlagen am Stück? Liegt die eher im rein sportlichen oder im mentalen Bereich?
Wir wollen aus jedem Spiel lernen. Gegen ALBA, das hat jeder gesehen, waren wir schlicht chancenlos. Bei den anderen drei Spielen, die wir verloren haben, sah das anders aus. Ich behaupte: Wir hatten immer eine Siegchance. Gegen Bamberg haben wir Fehler gemacht, die wir danach abstellen konnten, außerdem mussten wir auf Sid-Marlon Theis verzichten. In Würzburg sind uns am Spieltag zwei Leistungsträger weggebrochen, gegen Heidelberg fehlten drei wichtige Spieler. Dieser Situation müssen wir uns stellen, und aktuell ist es mit der Erkrankungswelle so, dass ich vormittags nicht weiß, wer abends trainieren wird. Wir sind leider nicht so tief besetzt, dass wir das kompensieren können. Grundsätzlich rücken wir allerdings von unserem Plan nicht ab, dazu besteht aus meiner Sicht auch kein Grund. Wir lernen weiter aus Fehlern.
Ihr habt jüngst noch einmal nachverpflichtet. Was versprichst du dir von Neuzugang Elias Valtonen, der immerhin finnischer Nationalspieler ist?
Zunächst einmal passt er menschlich super in die Mannschaft. Er spielt mit hoher Intensität und reißt auf diese Weise die Leute um sich herum mit. Der Vorteil ist, dass er bis zuletzt gespielt hat – Elias steht also voll im Saft. Und das ja nicht irgendwo, sondern in Spanien, hinter der NBA die momentan wohl stärkste Liga der Welt. Er war schon bei einer EM und bei einer WM und verfügt trotz seines geringen Alters über eine große Portion Erfahrung. Wichtig ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus den letzten Wochen zudem, dass er uns mehr Tiefe verleiht. Und nach dem Spiel in Oldenburg kehrt ja auch Nijal Pearson zurück, der aufgrund eines Trauerfalls in den USA war.
Du hast sehr viele Jahre in Oldenburg verbracht. Welchen Stellenwert schreibst du deinen hiesigen Erfahrungen mit Blick auf deine Entwicklung als Trainer zu?
Einen immensen! Ich habe dort ja nicht nur lange gearbeitet und gelebt, sondern auch meine jetzige Ehefrau kennengelernt und bin dort zum ersten Mal Vater geworden. Alleine das sorgt dafür, dass Oldenburg einen wichtigen Platz in meinem Leben einnimmt. Ich bin sehr dankbar, dass ich in Oldenburg meine Trainerausbildung, die von meinem Vater Ralph als Nachwuchskoordinator etabliert wurde, absolvieren und früh viel Verantwortung als Trainer übernehmen durfte. Es war ein, so deutlich muss ich es betonen, einmalig professionelles Umfeld, in dem ich glücklicherweise aktiv sein konnte.
Du sprachst Ralph gerade an. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit deinem Vater?
Im Grunde ist es eine Zusammenarbeit wie mit anderen Co-Trainern auch. Der Unterschied ist: Er hat mir die Möglichkeit gegeben, ganz früh die Trainerausbildung anzugehen, außerdem hat er mir diese unbedingte Leidenschaft und Arbeitseinstellung mitgegeben. Was die Situation im Vergleich zu anderen Co-Trainern gewiss besonders macht, ist das spezielle und beispiellose Vertrauensverhältnis. In der täglichen Arbeit im Trainergespann läuft es aber ganz normal: Wir treffen uns früh morgens, besprechen uns und gestalten den Trainingstag. Eine Besonderheit gibt es noch: Er kann mir jederzeit Dinge sagen, die sich ein anderer vielleicht nicht so trauen würde.
Hat er dir auch schon mal gesagt: Das war jetzt Murks, lieber Christian?
Nun, solche Aussagen sind ja ohnehin so eine Sache. Im Nachhinein lässt sich ja immer alles ganz einfach kritisieren. Aber man trifft seine Entscheidungen immer auf der Basis von vielen, vielen Überlegungen und aufgrund intensiver Vorbereitung. Natürlich hätte man immer auch mal anders entscheiden können – aber daraus erwächst selten die Gewissheit, dass es dann anders gelaufen wäre. Daher: Murks musste ich mir von Ralph noch nicht vorwerfen lassen, eine andere Meinung aber vertritt er gelegentlich schon. Zum Glück!
Was erwartest du vom Spiel am Sonntag? Oldenburg hat einen ordentlichen Saisonstart hingelegt.
Oldenburg ist für mich ohne jeden Zweifel eine Top-4-Mannschaft. Sie haben einen ganz starken Kader, der Club an sich gehört zu den professionellsten in der Liga. Und das hat sich über die Jahre immer weiterentwickelt. Für uns wird es ein schwieriges Spiel, aber ich sagte ja schon: Wir kennen eigentlich nur Endspiele. Wir müssen uns auf unsere Stärken konzentrieren. Das heißt vor allem: Tempo machen! Meine Spieler fühlen sich dann wohl, wenn es rauf und runter geht. Oldenburg fühlt sich wohl, wenn es den Gegner ausbremsen kann. Wenn die Baskets dann in der Verteidigung sicher stehen, wird es enorm schwierig. Dann wird deutlich, wie unterschiedlich die Kader aufgestellt sind.
Wo müsst ihr euch aus deiner Sicht verbessern, um 2023 den Klassenerhalt feiern zu können?
Ehrlicherweise muss man sagen: auf allen Ebenen. Sowohl die Spieler, als auch wir Trainer müssen uns immer weiterentwickeln. Das Gespür, wann wir von einem Mismatch profitieren können, muss besser werden. Dazu müssen wir rascher erkennen, wo der Ball als nächste Station besser aufgehoben ist. Aber, bevor das hier ungerechtfertigterweise zu negativ klingt: Es gibt schon auch eine Menge positiver Dinge in unserem Spiel.
Du bist ein echter Familienmensch. Als Bundesligatrainer wirst du dieses Jahr gefordert sein, denn ihr spielt nicht nur einen Tag vor Heiligabend, sondern direkt am zweiten Weihnachtstag wieder. Wie gehst du mit diesem Spagat persönlich um?
Den Spielplan kann ich nicht ändern, aber die Entscheidung, uns gerade in der Zeit zwei solch weite Reisen aufzuerlegen, ist für mich nur schwer nachvollziehbar. Für uns heißt das: Wir reisen nach Crailsheim und von dort direkt weiter nach Frankfurt. An dieser Stelle geht ein großes Kompliment an den Club, denn die Familien der Spieler dürfen, wenn sie mögen, am 24. Dezember nach Frankfurt kommen. So ist es möglich, an Heiligabend – nach dem Training – ein wenig Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen.
Christian Held wurde am 6. Juli 1988 in Aachen geboren. Später zog er mit der Familie nach Oldenburg, wo Vater Ralph Held seit 2002 als Assistenztrainer tätig war. In Oldenburg spielte Christian Held für Nachwuchsteams des Oldenburger Turnerbundes und der EWE Baskets und absolvierte die dreijährige Trainerausbildung. Als NBBL-Trainer übernahm er Verantwortung als Headcoach, 2015 wurde er als Trainer Meister in der ProB. Nach einer Tätigkeit als Headcoach beim ProA-Ligisten aus Trier wechselte er im Sommer 2020 nach Rostock. Erst als Assistenztrainer an der Seite von Dirk Bauermann, ab 2021 als Headcoach. Mit den SEAWOLVES stieg er schließlich 2022 in die easyCredit Basketball Bundesliga auf.