Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Subjektives Ranking am Kühlschrank: So ist die Basketball Bundesliga einzuschätzen

Mit dem Spiel des Deutschen Meisters ratiopharm ulm (Bild oben: Ulf Duda/fotoduda.de) gegen die NINERS Chemnitz startet die neue Saison in der easyCredit Basketball Bundesliga. Können die Ulmer den Coup aus der Vorsaison wiederholen? Wie präsentiert sich der komplett verwandelte Vizemeister Telekom Baskets Bonn? Wie dominant ist der FC Bayern München? Und, last but not least: Was wird aus den EWE Baskets Oldenburg?

Die Zeit vor dem ersten Tipoff ist stets auch die Zeit der sogenannten Power Rankings, die sich erfahrungsgemäß als gute Grundlage für lebhafte Diskussionen, entschlossenen Widerspruch und vielerlei mehr eignen. Da kein Mensch alle Teams der Liga in der Saisonvorbereitung gleichermaßen intensiv verfolgen kann, bleibt die Einordnung der Leistungsstärke stets auch eine Menge Spekulation. Aber mal ehrlich: Das macht die Sache ja kaum weniger reizvoll.

Am Rande eines Workshops der Liga in Köln habe ich die Club-Magnetlogos auf dem Kühlschrank in der Office-Küche so angeordnet, wie ich mir eine Rangfolge grob vorstellen kann. Von zweifelnden Blicken und süffisanten Kommentaren der Kollegen habe ich mich dabei (fast) nicht beeinflussen lassen. Die Realität hat das Ergebnis meines munteren Hin- und Herschiebens inzwischen natürlich schon wieder in Teilen bedenklich ins Wanken gebracht, aber: Irgendwann muss man sich ja mal festlegen.

Ein klarer Favorit auf den Titel

So klar wie schon lange nicht mehr steht vor der Saison 2023/2024 in meinen Augen der Favorit auf die Deutsche Meisterschaft fest: der FC Bayern München. Die Süddeutschen haben nicht nur einen neuen, überaus erfahrenen Trainer (Pablo Laso) verpflichtet, sondern zudem im Kader bewährte Kräfte gebunden und neue, verheißungsvolle Akteure unter Vertrag genommen. In Serge Ibaka holten sie zuletzt noch einen echten Star in die Liga.

Das Verfolgerfeld

Bei ALBA BERLIN, nach zuvor drei Meisterschaften in Serie von Ulm entthront, steht ein mittlerer Neuanfang ins Haus. Die Hauptstädter mussten prominente Namen ziehen lassen (unter anderem Maodo Lo, Luke Sikma, Jaleen Smith) und haben eine Menge Arbeit vor sich, um die Neuen zu integrieren. Hinzu kommt die Doppelbelastung aufgrund der erneuten Euroleague-Teilnahme, die der Mannschaft 34 zusätzliche Spiele beschert; hier warten sehr hohe Hürden ohne große Chancen auf eine internationale Playoff-Qualifikation. Trotz des Wandels sehe ich Berlin als ersten Bayern-Verfolger.

Mein Power Ranking vor der Saison 2023/2024. Die Realität wird gewiss Einsprüche erheben …

Dahinter finden sich die vier Clubs, die auch in der Saison 2022/2023 gemeinsam mit München und Berlin die Top Sechs der Liga gebildet haben. ratiopharm ulm hat die prominenten Abgänge durch spannende Neuzugänge ersetzt, einige Leistungsträger an Bord behalten und zählt nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus der Vorsaison, als Headcoach Anton Gavel zum exakt richtigen Zeitpunkt das Beste aus dem Team herausgeholt hat, heuer wieder zu den besten Adressen der Liga. Das gilt auch wieder für die EWE Baskets Oldenburg, die ihren Kader angepasst und dabei vor allem die Baustellen Athletik, Distanzwurf und Variabilität bearbeitet haben.

Fest zu rechnen ist wieder mit den MHP RIESEN Ludwigsburg, die im Mai zum Oldenburg-Schreck avancierten und ebenfalls zum Saisonhöhepunkt richtig in Fahrt gekommen waren. Ein kleines Fragezeichen steht derweil hinter den Telekom Baskets Bonn, die nach einer atemberaubenden Saison inklusive Titelgewinn in der Champions League vor einem kompletten Neuanfang stehen. Wenn Trainer Roel Moors, der in Göttingen einen glänzenden Job hinlegte, alle Puzzleteile zusammenbekommt, wird Bonn ins Rennen um den besten Platz (hinter dem FC Bayern) eingreifen können. Eine Spielzeit wie zuletzt mit nur zwei Niederlagen in der Hauptrunde wird es aber gewiss nicht wieder geben.

Das breite Mittelfeld

Es folgen acht Mannschaften, für die bei „normalem“ Saisonverlauf zwischen Platz sieben und 14 alles möglich zu sein scheint. Vorab aber direkt ein wichtiger Zusatz: Wenn Dinge nicht so funktionieren, wie die Verantwortlichen sich das vorstellen, dann könnten Teams wie die HAKRO Merlins Crailsheim (bei denen sich Bogdan Radosavljevic von seiner Karriere verabschiedete, nachdem ich den Club-Magneten auf den Kühlschrank gesetzt hatte) oder Bamberg Baskets auch in Gefahr geraten, den Kontakt zu den Abstiegsrängen allzu lange aufrechtzuerhalten …

Die NINERS Chemnitz, die ROSTOCK SEAWOLVES, die Würzburg Baskets, die MLP Academics Heidelberg und auch Aufsteiger RASTA Vechta haben allemal das Potenzial, sich vorzeitig von der kritischen Zone abzusetzen. Zur BG Göttingen sage ich nach meinem Vorhersage-Flop aus der Vorsaison konsequent: nichts.

Die Abstiegskandidaten

Bei den vier Teams, die auf dem Kühlschrank arg weit unten gelandet sind, bin ich mir bei dreien recht sicher, dass die Saison ganz und gar im Zeichen des Kampfes um den Klassenverbleib steht: der SYNTAINICS MBC, die Veolia Towers Hamburg (die erneut parallel im anstrengenden Eurocup gefordert sind) und die Tigers Tübingen (die ich momentan am Tabellenende ähnlich deutlich sehe wie den FC Bayern München am entgegengesetzten Pol des Klassements) müssen bangen. Die Basketball Löwen Braunschweig wiederum könnten zu denen gehören, die lange zittern müssen – sie könnten aber auch zu einer Überraschungsmannschaft avancieren.

Allerspätestens am Ende der Hinrunde werde ich mich mit dieser Prognose nochmal näher befassen. Ahnend, dass da vermutlich wieder eine Menge Murks in den Prognosen enthalten war …