Es war eine echte Überraschung, als Hermann Schüller, Geschäftsführer der EWE Baskets Oldenburg, beim Empfang der Sponsoren Mitte September noch einen Neuzugang für das Team vorstellte. Ex-Nationalspieler Lukas Wank, in der Vorsaison noch als Kapitän für die FRAPORT SKYLINERS aus Frankfurt aktiv, hatte sich den Niedersachsen kurzfristig angeschlossen. Im Interview spricht der 26-Jährige über seinen Weg zum Basketball, seine Zeit als Nationalspieler und die aktuelle Situation in Oldenburg.
Lukas, du bist in Altenburg in Thüringen geboren. Ich wage zu behaupten: Das ist nicht die Hauptstadt des Basketballs. Wie bist du dennoch an diese Sportart gekommen?
Also zunächst einmal: Das ist eine Skat-Stadt. An Basketball bin ich über die Schule gekommen, über eine entsprechende AG. Da waren ein paar Jungs, die bei uns in der Stadt im Verein gespielt haben. Die haben mich eingeladen, mal mit zum Training zu kommen. Ich wollte eigentlich immer Fußball spielen, aber das durfte ich nicht – ich war acht Jahre lang beim Reiten. Damit habe ich dann aufgehört und bin zum Basketball gegangen, weil es mir Spaß gemacht hat. Wir waren dann beim „Jugend trainiert für Olympia“-Turnier dabei und haben gegen Jena gespielt. Von dort hieß es dann: Wenn du möchtest, komm zu uns. Wir würden dich gerne bei uns haben. So richtig weiß ich auch nicht, warum mich meine Eltern gelassen haben – aber dann war ich mit einem Mal auf einem Internat. (lacht) In Jena war ich schließlich vier Jahre lang aktiv.
In Jena bist du Teil der JBBL- und der NBBL-Mannschaft gewesen. Wann kam der Gedanke auf: Basketball ist nicht nur mein neuer Lieblingssport, sondern ich kann damit meinen Lebensunterhalt verdienen?
Ich glaube, das habe ich zunächst gar nicht richtig realisiert. Dass es da auch ums Geld geht, dieser Gedanke kam erst später. Ich sage es mal so: Ich habe es einfach blind mitgemacht. Man könnte sagen: Als ich 2016 nach Würzburg gegangen bin – nach dem Abi –, da merkte ich: Okay, es gibt also auch noch einen anderen Weg. Vielleicht gibt es die Chance, mal BBL zu spielen. Aber so richtig habe ich mir darüber ehrlich gesagt nie einen Kopf gemacht.
Du hast 2018/2019 in Chemnitz gespielt. War dort bereits zu spüren, dass etwas Größeres entstehen kann? Die NINERS haben sich inzwischen zur Top-Adresse entwickelt. Tabellenplatz eins wirkt nicht wie ein Zufall.
Das ist immer schwer zu sagen. Für den Standort Chemnitz konnte nichts Besseres passieren, als dass Rodrigo Pastore dort als Trainer geblieben ist und etwas aufbauen konnte. So richtige Konstanten außer Jonas Richter gab es ja eigentlich nicht, aber es hat unter anderem auch geholfen, dass einer wie Virgil Matthews dort gespielt hat und später mit ins Trainerteam aufgerückt ist. Ich selbst bin – und vielleicht kann man sagen leider – nicht dabei geblieben. Nach dem verpassten Aufstieg wollte ich gerne in der BBL spielen und bin entsprechend gewechselt. Die haben sich in Chemnitz inzwischen richtig etwas aufgebaut, inklusive einer tollen Trainingshalle, die zu den besten in Deutschland gehört. Der Basketball ist Nummer-Eins-Sport der Stadt, dazu kommen gute Sponsoren, die das alles sehr unterstützen. Das Team drumherum passt, alle helfen sehr gut mit.
Zwei Jahre lange bist du ab 2021 für Frankfurt aufgelaufen, bei einem ehemaligen Deutschen Meister mit einem großen Namen und gleichzeitig großen Problemen in der letzten Zeit. Wie lief es dort für dich, und wie schwierig war es, den Kopf in einer Saison im Zeichen des Abstiegskampfes oben zu behalten? Vielen Spielern ist es zudem ja nicht ganz leicht zu vermitteln, dass man nicht für einen Titel spielt sondern nur darum, etwas zu vermeiden – namentlich den Gang in die zweite Liga.
Im ersten Jahr war uns das nicht bewusst, das ist irgendwann so gekommen. Im Februar, März zeigte sich: Nun wird es aber doch knapp. Da dachten alle lange: kommt alles noch. Wir hatten natürlich auch Ziele, keine Frage. Zum zweiten Jahr muss ich sagen: Es ist schon schwer, weiter gut zu spielen und Motivation zu finden, alles ist sehr träge. Für mich persönlich kann ich festhalten: Eine solche Situation bildet einen auf der anderen Seite der Medaille ja auch und bereitet dich vor. Das alles zwei Jahre durchzumachen: Viel schlimmer kann es nicht kommen. Ich bin gewappnet. (lacht) Ich glaube allerdings, ich habe immer mein Ding durchgezogen, im zweiten Jahr war ich ja auch Kapitän. Da habe ich viel gelernt; auch und gerade, mit solchen Dingen umzugehen und für das Team da zu sein. Es hat am Ende nicht gereicht, aber ich habe mein Bestmögliches getan.
In diesem Sommer dachten viele: Lukas Wank spielt nun in Spanien. Warum kam es anders?
Ich hatte dort eine Probewoche. Mein Ziel war es, aus Deutschland rauszukommen. Ich habe lange gewartet und geschaut, was sich ergeben kann. Es gab ein paar Optionen, aber es hat nie ganz funktioniert. Ich war dann diese eine Woche lang in Manresa, die waren grundsätzlich interessiert. Sie deuteten dann allerdings an, einen anderen Spielertypen verpflichten zu wollen – so einen wie mich hätten sie auf dieser Position bereits im Kader. Sie entschieden sich dann für Pierre Oriola und Elias Valtonen. Nun ja, aber ich kann sagen: Die Woche war schön, es war gut, das alles mal als ausländischer Spieler zu erleben. Und dann war ich zwei, drei Tage zurück in Deutschland, schon meldete sich Oldenburg.
Tatsächlich wurdest du beim Sponsorenabend der Baskets vollkommen überraschend als Neuzugang der EWE Baskets vorgestellt, Geschäftsführer Hermann Schüller zauberte dich quasi wie ein Kaninchen aus dem Hut. Wie ist dieser Wechsel zustande gekommen?
Das ging schnell. Wie gesagt: Ich war just zurück in Deutschland, da klingelte das Telefon. Hauptgrund war natürlich der Ausfall von Alen Pjanic. Die EWE Baskets benötigten in diesem Moment einen deutschen Spieler. Es war schon recht spät, die Saison stand kurz vor dem Start. Für mich selbst habe ich überlegt: Wir haben es mit dem Ausland versucht, es hat nicht sein sollen. Ich hätte natürlich noch ein wenig länger warten können, aber es steht ja auch fest: Oldenburg ist eine Top-Adresse.
Was wusstest du über die EWE Baskets, und wie schaut es nun in der Realität aus?
Das ist eines der Top-Vier-Teams der Liga, was die Organisation und das Drumherum betrifft. Es ist alles da! Wir spielen außerdem Champions League, diese europäische Herausforderung mag ich sehr. Hier ist alles zur besten Zufriedenheit.
Ihr seid momentan von einer beispiellosen Verletzungsmisere betroffen. Wie geht man mit solchen Dingen um, auf die man selbst keinen Einfluss hat?
Basketball ist ein Marathon. Das gilt für eine Saison als Team, aber auch für einen selbst als Spieler. Bevor das alles mit den Verletzungen passiert ist, habe ich nicht so viel gespielt, jetzt kommt hinzu, dass ich auf der Position vier starte. Wenn alles gut läuft und es mit der Foulbelastung passt, stehe ich 30 bis 35 Minuten auf dem Parkett. Solche Situationen habe ich aber auch schon bei den Clubs vorher erlebt. Man fängt mit weniger Minuten an, dann passiert dies, danach das, man muss darauf vorbereitet sein. Und genau dafür bin ich bereit. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass mir das keinen Spaß macht. Klar ist auch: Es ist anstrengend, man muss außerdem körperlich fit bleiben und alles dafür tun, sich nicht selbst zu verletzen.
Zumal die höhere Belastung einzelner Spieler die Gefahr weiterer Blessuren nicht gerade kleiner macht …
Das stimmt natürlich. Ich glaube grundsätzlich, dass wir bisher das Beste aus den ganzen Spielen herausgeholt haben. Es würde ganz anders aussehen, wenn wir alle Spieler an Bord gehabt hätten. Alleine in Sachen Müdigkeit macht das einen großen Unterschied.
Du hast gerade betont, dass du diese Phasen von vorherigen Situationen gewohnt bist. Empfindest du daher auch keine Schwierigkeit, auf dem Parkett in eine andere Rolle schlüpfen zu müssen? Es gibt ja Spieler, die sich auf einer bestimmten Position einfach deutlich am wohlsten fühlen.
Ich weiß selbst nicht, auf welcher Position ich am liebsten spiele. (lacht) Ich wurde immer ein bisschen mal hierhin und mal dorthin geschoben. In Frankfurt habe ich als Backup-Point-Guard angefangen, da war der Coach aber nicht so zufrieden. Dann landete ich auf der Zwei, später auf der Vier. In Chemnitz war ich zuvor auch schon mal auf der Eins unterwegs. In den letzten zwei Jahren war es mehr die Drei und die Vier – aber es ist ja für mich auch gut, so wie jetzt als Power Forward eingesetzt zu werden. Ich kann dribbeln, kann attackieren; manche Vierer sind ein bisschen langsamer, ich kann außerdem relativ gut werfen. Das macht mich gefährlich.
Was fehlt dem Oldenburger Spiel momentan am meisten, abgesehen von gesunden Spielern?
Ich kann die Vorbereitungszeit nicht bewerten, da ich später dazugestoßen bin. Aber ich glaube, wir haben ein bisschen länger benötigt, um in das System von Pedro hineinzukommen. Vor allem defensiv. Vorne läuft es ja eigentlich ganz gut; wenn wir defensiv besser unterwegs gewesen wären, hätten wir in manchen Spielen andere Resultate erzielt. Das alles hat mehr Zeit benötigt. Und dann kam eine Verletzung hier und schon die nächste dort, dann mussten Leute in neue Rolle schlüpfen. Die wiederum gerade auf ihrer Position dabei waren, richtig Fuß zu fassen. Das hat uns im Training zurückgeworfen und in den Spielen wehgetan.
Wo siehst du für dich persönlich noch Verbesserungspotenzial?
Wenn ich auf die Position Vier schaue, auf die ich nun gerückt bin, muss ich zunächst einmal sagen: Deane und ich sind sehr unterschiedliche Spielertypen, er lebt mehr vom Athletischen. Ich glaube, ich selbst habe das System ganz gut verstanden und setze das meiste inzwischen richtig um. Was mich manchmal daran hindert, individuell das eine oder andere mehr einzubringen, ist der Umstand, dass ich immer möchte, dass das große Ganze funktioniert. Und wenn man dann individuell etwas abbricht und es anders macht, dann sieht das schlecht aus, wenn es eben nicht funktioniert. Da muss ich noch lernen, das Gefühl zu bekommen, wann der richtige Moment ist, um etwas Eigenes einzubringen. Die Würfe, die ich bekomme, treffe ich zurzeit ziemlich hochprozentig. Ich muss einfach immer bereit sein. Offensiv, aber auch und vor allem defensiv.
Du hast bereits unter vielen verschiedenen Headcoaches gespielt. Wie gestaltet sich aus deiner Sicht die Zusammenarbeit mit Pedro Calles und wie empfindest du sein System?
Es ist eigentlich sehr klar. Was aber ja ein bisschen witzig klingt, da ich eben darüber gesprochen habe, dass wir etwas hinterherhängen und mehr Zeit als gedacht benötigen. Theoretisch ist das simpel, aber es ist nicht immer leicht, das auch zu tun. Es geht ja darum, es immer und immer wieder exakt so wie vorgesehen abzurufen. Ich mag die Zusammenarbeit sehr; Pedro honoriert es sehr, wenn man sich einsetzt, Hustle-Plays macht, wenn man alles gibt und praktisch auf Knien zur Bank zurückrobbt. Das ist momentan natürlich ein bisschen schwieriger, da man weiß, dass man möglicherweise über 30 Minuten lang durchhalten muss.
Es mag manchen überraschen, dass du herausstellst, dass eigentlich alles eher einfach beziehungsweise klar ist. Einige mutmaßen, dass gerade die Komplexität dafür sorgt, dass die Entwicklung Zeit benötigt.
Für jede Situation, der wir auf dem Spielfeld begegnen, gibt es eigentlich eine Antwort. Wir trainieren das ja auch stetig. Man muss das nur in dem Moment auch abrufen können, und das alles ist auch kein Hexenwerk. Klar, es gibt manchmal diese, jene oder eine andere Variante, aber im Grundsatz ist alles klar definiert. Für uns ist es zwischendurch aber nach wie vor schwer, es auch wirklich immer konstant abzurufen oder zu wissen: Wenn die das eine machen, machen wir das. Gelegentlich wird dann etwas zu lange nachgedacht, und dann sieht es auch mal so aus, als wenn wir nicht wissen, was wir da machen. Wenn wir uns an alles halten, dürfte es eigentlich keine Probleme mehr geben. Ich weiß nicht, ob man das jetzt hundertprozentig versteht. (lacht). Also: Es ist zwar leicht, immer das Gleiche zu tun, aber es ist nicht leicht, das konstant jedes Mal wieder zu tun.
Du warst bereits Teil der deutschen Nationalmannschaft. Wie sehr motiviert dich die Perspektive, es vielleicht noch einmal schaffen zu können? Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der WM in diesem Jahr, wo die deutschen Spieler etwas schafften, was nun wirklich nicht viele erwartet haben.
Ja, die waren gar nicht mal so schlecht. (lacht) Für mich ist es bislang immer toll gewesen, dort eingeladen zu werden und dabei zu sein. Wenn es die Chance nochmal geben würde, dann wäre ich auf jeden Fall da. Ich glaube aber, es ist noch schwieriger geworden, da es keine FIBA-Pausen mehr gibt. Dadurch hat man deutlich weniger Chancen, sich auch mal zu zeigen. Ich weiß nicht, ob es die Entwicklung derer, die nachkommen, nicht auch behindert. Es gab doch immer Spieler, die sich in diesen Fenstern präsentieren konnten, denken wir nur an David Krämer, Chris Sengfelder oder Justus Hollatz. Diese Fenster haben sie weitergebracht. Die Spieler werden ja auch von ihren Clubs gefördert, aber die Chance, sich in der Nationalmannschaft zu präsentieren, ist sehr wertvoll. Als wir in Israel waren, da hat Justus das Spiel allein gewonnen. Das wird alles jetzt schwieriger. Jetzt wird es natürlich darum gehen, in den nächsten drei, vier Jahren alles aus der aktuellen Mannschaft herauszuholen. Danach muss man dann schauen, das wird nicht ganz einfach. Für mich persönlich gilt: Ich kann nur versuchen, im Club gut zu spielen, wobei mir auch die Spiele in der Champions League helfen.
2020 warst du bei Olympia 2020 dabei. War das dein sportlicher Höhepunkt bisher oder hatte das alles auch aufgrund der nicht zugelassenen Zuschauer einen Makel?
Das war sehr getrübt. Wir waren die ganze Zeit praktisch im Dorf gefangen, den Rest haben wir aus dem Bus heraus gesehen, als wir auf dem Weg zum Training oder zu den Spielen waren. In dem Moment war mir das vielleicht gar nicht so bewusst, im Nachhinein hat mir das alles aber auch einen kleinen Knick gegeben: Ich war zwar dabei, aber ich habe nicht gespielt. Da kommen dann natürlich auch Fragen auf: Hat der Junge das überhaupt verdient? Henrik Rödl hat mich sehr gemocht und schätzte meinen Einsatz, den ich zuvor in den Jugend-Nationalteams gezeigt hatte, dazu war Dennis Schröder nicht dabei, am Ende bin ich halt mit hineingerutscht. Das alles hat mir aber auch gezeigt: Es ist alles ein Marathon. Lass mal noch ein paar Jahre ins Land ziehen, dann werde ich sagen: war schon gut. Das steht ja für immer da, dass ich bei den Olympischen Spielen dabei war.
Werfen wir noch einen Blick auf die Liga: Es gibt starke Aufsteiger und Titelfavoriten mit mehreren Niederlagen. Wie ist dein bisheriger Eindruck vom Geschehen in der BBL?
(überlegt lange) Hätte man mich vor der Saison gefragt, hätte ich die Medaillen und die Trophäe direkt nach München geschickt. Trotz der anfänglichen Probleme gilt: Mit dem Kader, den Bayern jetzt hat, wird es in den Playoffs sehr schwer, sie zu schlagen. Das ist aber natürlich auch sehr davon abhängig, wie viel Energie sie für die Euroleague aufwenden, und wie oft sie dann in der BBL ein Spiel verlieren. Sie fangen in der Euroleague an, Spiele zu gewinnen und kommen in Playoff-Reichweite. Dann gibt es Chemnitz. Das sieht sehr flüssig aus, das haben wir auch im Spiel gegen uns gesehen. Wenn Wesley van Beck nicht auf dem Feld steht, sind von der Eins bis zur Fünf gefühlt alle gleich groß, man kann alles switchen. Sie sind sehr stabil, es sind Spieler dabei, die sehr gut performen. Vergessen wir Ulm nicht: Die spielen sehr gut, auch international. Mit Ulm, Chemnitz, Berlin und München sieht es ganz oben sehr fest aus. Bei den anderen Teams würde ich davon ausgehen, dass es im Februar besser zu bewerten ist, wer sich welchen Platz schnappt. Von fünf bis zwölf kann sehr viel passieren. Es wird sehr spannend für die Zuschauer!
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