Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Ausfall, Offensivspektakel, Aufreger: (Fast) Playoff-Atmosphäre beim Kampf um die Play-In-Position

Es bedurfte am frühen Sonntagabend eines kleinen Aufregers, um das Publikum in der Oldenburger EWE Arena endgültig aufzuwecken. Deane Williams war kurz mit dem Hamburger Will Christmas aneinandergeraten; der stark aufgelegte Gästeakteur ließ sich nach einer offenkundig harmlosen Armbewegung seines Oldenburger Gegenspielers überaus spektakulär auf das Parkett fallen. Das nicht immer ganz überzeugend auftretende Schiedsrichter-Trio verteilte ein unsportliches Foul an Williams – und das Heimpublikum hatte Puls.

Der Atmosphäre in der zum 25. Mal in Folge ausverkauften Arena versetzte die Aktion einen zusätzlichen Schwung. Das Duell EWE Baskets versus Veolia Towers war damit endgültig in der Nähe dessen angekommen, wo es in knapp zwei Wochen noch einmal landen könnte: auf Playoff-Niveau. Oder besser: auf Play-In-Level, denn die tabellarische Konstellation macht ein Wiedersehen Mitte Mai aktuell recht wahrscheinlich. Die Oldenburger haben sich mit dem unterhaltsamen 107:92 einen großen Vorteil im Ringen um Rang neun verschafft, während Hamburg als Zehnter allerdings aufpassen muss, nicht noch von der Konkurrenz überholt zu werden.

Ob die Towers gerne zu einem Entscheidungsspiel nach Oldenburg reisen werden? Zweifel sind angebracht.

Bevor der Abend mit den obligatorischen Konfettischlangen gekrönt werden konnte, mussten die Fans der EWE Baskets abermals eine schlechte Nachricht aus dem Kader verdauen. Center Norris Agbakoko hat sich im Training einen Muskelbündelriss zugezogen und dürfte in dieser Saison – egal, wie lang sie dann tatsächlich noch dauert – nicht mehr zum Einsatz kommen.

Zumindest an diesem Abend waren die Center aber ohnehin nicht tonangebend; Hamburgs angeschlagener Jonas Wohlfarth-Bottermann sah 40 Minuten lang zu, sein Teamkollege Aleksander Dziewa kam aufgrund eines schmerzhaften Zusammenstoßes nur auf 16:08 Minuten und Oldenburgs Ebuka Izundu brachte sich durch gleichermaßen frühe wie unnötige Fouls um elementare Spielanteile. 9:36 Minuten durfte er insgesamt mitwirken.

Dafür traten andere in Erscheinung. Einer von ihnen ganz besonders.

Die Hamburger versuchten, die Oldenburger mit enormem Tempo zu überrumpeln. Das gelang ihnen im ersten Viertel durchaus (teil)erfolgreich, denn das eine oder andere Mal lösten die Schützlinge von Trainer Benka Barloschky in der Defense der EWE Baskets leicht chaotische Verhältnisse aus. Da die Gastgeber aber ihrerseits ordentlich trafen, lagen sie trotz all der couragierten Towers-Bemühungen nach zehn Minuten mit 26:24 vorn.

Geno Crandall überragte gegen Hamburg mit 34 Punkten. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Dann übernahm Geno Crandall das Ruder.

Der nachverpflichtete Point Guard der Niedersachsen, der sich längst nachhaltig für eine Weiterbeschäftigung über diese Saison hinaus empfohlen hat, lief heiß und sorgte für Begeisterung auf den Rängen. Crandall erzielte im zweiten Viertel 19 Punkte (insgesamt kam er auf 34, persönliche Bestmarke in der easyCredit BBL), traf dabei fünf von sieben Dreiern und avancierte zum Albtraum auf zwei Beinen für die überrumpelten Gäste. Das 59:53 zur Halbzeitpause entsetzte vermutlich penetrante Defensivpuristen, doch die Mehrheit genoss das Spektakel sichtlich.

Die Überlegenheit der EWE Baskets, die sich im Kern auf eine Zehnerrotation verließen, setzte sich vor allem im dritten Viertel fort; vor den letzten zehn Minuten war der Abend längst entschieden (91:72). 16:14 Siege haben die Oldenburger nun auf ihrem Konto – sollten sie die verbleibenden vier Begegnungen der Hauptrunde auch noch für sich entscheiden, hätten sie nur zwei Niederlagen mehr kassiert als in der Vorsaison …

Was zwangsläufig zur Frage führt: Wie wäre 2023/2024 wohl mit einem durchgehend volleren Kader verlaufen?

Diese Diskussion bleibt hypothetisch, während die kommenden Aufgaben in Göttingen (1. Mai), gegen Tübingen (4. Mai), in Ulm (9. Mai) und gegen Bamberg (12. Mai) für Fakten sorgen werden. Die Play-In-Teilnahme wird sich die Mannschaft von Pedro Calles nicht mehr nehmen lassen, für ein weiteres Vorrücken in der Tabelle kommt der Endspurt indes wohl etwas zu spät.

Im Finale der regulären Saison kommt es jetzt vor allem darauf an, die Mannschaft bestmöglich auf das erste K.-o.-Spiel vorzubereiten. Die spannendsten Fragen dabei (und darüber hinaus):

Wie gelingt die Kompensation des Ausfalls von Agbakoko? Hier könnte es gegen Teams mit starken Big Men eng werden.

Welche Rolle kann Chaundee Brown Jr. spielen, wenn der momentan angeschlagene US-Amerikaner zurück in die Rotation rücken möchte? Konkurrenten um die Ausländerpositionen wie Deane Williams, dessen Form sich verbessert, oder Artur Konontsuk, der sich als starke Nachverpflichtung erweist, dürften nur ungern einen Platz hinter dem Korb einnehmen wollen.

Und schließlich: Wer drängt sich auf, um auch 2024/2025 ein Faktor für die Mannschaft zu sein? Bei allem Fokus auf die laufende Saison stehen die relevanten Entscheidungen für die kommende längst an.

Für großen Applaus sorgten in der Arena am Sonntag übrigens zwei Meldungen aus dem Nachwuchsbereich: Sowohl das U16-Team in der Jugend Basketball Bundesliga (JBBL) als auch die U19-Auswahl in der Nachwuchs Basketball Bundesliga (NBBL) erreichten jeweils das Top4 um die Deutsche Meisterschaft. Chapeau!


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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.