Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Interview mit Ferried Naciri: Der Assistenztrainer der EWE Baskets spricht über Herausforderungen, das Herumsitzen und seine Erwartungen

Seit dem Sommer 2022 arbeitet der Belgier Ferried Naciri als Assistenztrainer beim Basketball-Bundesligisten EWE Baskets Oldenburg. Der 35-Jährige war zuvor schon in anderen europäischen Ländern als Headcoach aktiv, momentan steckt er mit den Niedersachsen in der entscheidenden Phase der Saison. Im Interview spricht Naciri über seinen Weg als Trainer, seine Ambitionen und die Ausgangslage der EWE Baskets vor den entscheidenden Saisonspielen.

Ferried, bitte erzähl mir zunächst ein wenig über deinen Basketball-Background. Ich habe gelesen, dass du als Spieler recht früh aufhören musstest.

Bis zum Alter von 13 Jahren habe ich Fußball gespielt, danach bin ich zum Basketball gewechselt. Ungefähr mit 18 haben mich dann einige Verletzungen zurückgeworfen, sodass ich nicht mehr aktiv weiterspielen konnte. Da ich diesem Sport aber unbedingt verbunden bleiben wollte, habe ich mit dem Coachen begonnen. Das startete mit Nachwuchsmannschaften, bevor ich nach ein paar Jahren als Assistenztrainer bei einem Frauenteam in der belgischen ersten Liga eingestiegen bin. Ich kannte den Headcoach sehr gut, und als er mich bat, für ihn zu arbeiten, habe ich die Chance ergriffen. Anschließend ging es weiter zu den Leuven Bears, dort habe ich parallel einige Jugendmannschaften trainiert und auch als Assistenztrainer für die erste Mannschaft gearbeitet.

Irgendwann wurdest du dort der jüngste Headcoach in Belgien.

(lacht) Ja, diesen kleinen Titel habe ich mir dort tatsächlich verdient. Das geschah, als der Trainer in Leuven entlassen wurde. Da war ich 27 Jahre alt und übernahm das Team für einige Spiele. Ich habe dann ein paar Begegnungen mit der Mannschaft gewonnen, und der Club bot mir an, bis zum Saisonende in dieser Position zu bleiben. Ich war wirklich noch sehr jung, und ich habe zu Beginn auch ein wenig unterschätzt, was es bedeutet, Headcoach zu sein. Natürlich denkt man, dass man das mit dem Coachen hinbekommt, aber es gehört ja so viel mehr dazu! Das war aber eine sehr, sehr gute Erfahrung, aus der ich viel für meinen weiteren Weg mitgenommen habe. Danach ging es für mich weiter als Assistenztrainer in Dänemark, anschließend war ich zwei Jahre lang in den Niederlanden. Es folgte ein Jahr ohne feste Anstellung; eine Art Sabbatical, da ich drei Jahre am Stück nicht mit meiner Frau zusammengelebt habe und wir einfach Zeit miteinander verbringen wollten.

Das ist doch sicherlich auch eine der größten Herausforderungen am Dasein als Profi, sei es als Spieler oder als Trainer: Oft ist man weit entfernt von seiner Familie und muss dennoch voll konzentriert seinem Job nachgehen.

Das ist so! Und ich musste in diesem Moment eine Entscheidung treffen, was mir wirklich wichtig ist. Der Job ist das natürlich auch, aber dieses eine Jahr kam zur rechten Zeit.

Ganz vom Basketball gelöst hast du dich nicht: Du hast einige Hospitationen bei anderen Clubs und Trainern bestritten.

Wir sind zunächst einmal viel gereist. Ich habe in dieser Phase aber immer mal wieder bei verschiedenen Clubs reingeschnuppert und von Trainern gelernt, die ich aufgrund ihrer Philosophie spannend fand. Dort konnte ich überall etwas mitnehmen und mein taktisches Verständnis vergrößern.

Bist du mit bestimmten Erwartungen zu den jeweiligen Clubs und Trainern gereist?

Jeden Trainer, dem ich über die Schultern schauen konnte, hatte ich mir zuvor bewusst ausgewählt. Bei jedem Trip wollte ich das eine oder andere spezielle Detail mitnehmen. Ich habe mich darauf jeweils sehr gewissenhaft vorbereitet und vorab sehr viele Spiele angeschaut. Ich war in Bonn, in Bologna, in Barcelona – und eben auch bei Pedro in Hamburg. Überall, wo ich auftauchte, kam ich mit vorbereiteten Clips und meinen Fragen. Es hieß immer: Klar, nehmen wir uns eine Viertelstunde. Und als die Trainer meine Arbeit sahen, wurde daraus oft genug mehr als eine Stunde. (lacht) Das war ein wunderbares Jahr und in dieser Form wertvoller als ein weiteres Jahr als Trainer zu arbeiten. Ich habe da so viel für mich herausgeholt. Und dann kam das Angebot aus Oldenburg.

Du kanntest Pedro von deiner Hospitation bei den Towers. Wie kam der Kontakt dann konkret zustande, um dich als Assistenztrainer zu verpflichten?

Ich habe seine Karriere genau verfolgt, und mir gefiel sein Spielstil sofort. Ich habe ihn gefragt, ob wir uns noch einmal treffen könnten. Es kam dann heraus, dass er den Club wechseln wird und einen Assistenztrainer sucht. Wir haben uns länger unterhalten, er gab mir dabei auch ein paar Aufgaben, die ich lösen sollte; ein kleiner Test sozusagen. Er wollte herausbekommen, ob ich gut genug bin. Wie du siehst: Offenbar war ich gut genug. (lacht)

Du arbeitest hier in Oldenburg als Assistenztrainer, kennst aber auch die Rolle als Headcoach von vorherigen Stationen. Wie groß sind deine Ambitionen, irgendwann wieder ein Team zu übernehmen? Mit deinen 35 Jahren bist du ja auch immer noch sehr jung.

Im Grunde ist es natürlich eine gute Sache, die Dinge selbst in der Hand zu haben und sie so zu gestalten, wie du das gern möchtest. Und um ein Programm gemeinsam mit der ganzen Organisation ans Laufen zu bringen. Aber für mich ist das Wichtigste, in einer guten Situation in einem guten Club zu sein und mit tollen Menschen zusammenzuarbeiten – und da macht es für mich ehrlich gesagt gar keinen Unterschied, ob ich das als Headcoach oder als Assistenztrainer mache. Ich bin hier sehr glücklich und schaue daher nicht nach anderen Möglichkeiten. Das ist überhaupt nicht nötig. Ich glaube, man entwickelt ohnehin ein Gespür dafür, wann es für einen selbst an einem Standort nicht mehr richtig passt. Und ich bin auch nicht so gestrickt, dass ich in dieser Hinsicht feste Planungen benötige, bei denen ich mir selbst auferlege, in einer bestimmten Anzahl von Jahren einen Headcoach-Posten zu bekleiden. Die Zeit wird es zeigen! Wenn du glücklich bist, passt es, und wenn du nicht mehr glücklich bist, musst du Entscheidungen treffen und dich nach etwas Neuem umschauen.

Ferried Naciri sprang gegen den SYNTAINICS MBC als Headcoach für den erkrankten Pedro Calles ein. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Immerhin warst du in dieser Saison schon einmal als Headcoach für den erkrankten Pedro Calles im Einsatz. Das kann also keine Situation gewesen sein, die dich überrascht hat, da du bereits in dieser Position gearbeitet hast.

Man muss natürlich schon ein wenig mehr Dinge vorbereiten. Schließlich willst du in den wichtigen Situationen am Spielende die richtigen Entscheidungen treffen und musst das alles im Blick behalten. Wie du schon sagtest: Ich kenne diese Rolle, und das macht es sicherlich einfacher, als wenn man das zuvor noch nie erlebt hat. Man muss diesen Moment auch nicht größer machen, als er am Ende ist; schließlich hat man sich die ganze Woche auf das Spiel vorbereitet. Es ist wichtig, seine Emotionen unter Kontrolle zu haben, um sich voll und ganz auf die wichtigen Aspekte konzentrieren zu können – die Auswechslungen, das Ansagen der Spielzüge, die Balance. Die Emotionen müssen das zum Ausdruck bringen, was du von deinem Team in diesem Moment verlangst. Das ist mein Job.

Assistenztrainer müssen ja im Grunde stets damit rechnen, mal spontan in die Headcoach-Rolle zu schlüpfen; spätestens, wenn der Chef mit zwei technischen Fouls in die Kabine geschickt wird …

Das ist dann aber doch noch einmal schwieriger, denn auf diese kurzfristige Situation hat man sich mental natürlich nicht entsprechend vorbereitet. (lacht)

Was macht den Kern deiner Arbeit als Assistenztrainer in Oldenburg aus?

Das Wichtigste ist, dass ich das Scouting im Blick habe, also die Analyse des Gegners. Außerdem bin ich verantwortlich für unsere Defensive – das heißt, ich konzentriere mich auf die offensiven Stärken des Gegners. Und da schaue ich dann, was sie laufen und wie ihre Systeme aussehen. Ich versuche, bestimmte Muster zu erkennen. Man kann nicht jedes einzelne der teilweise über 20 Set-Plays gleichermaßen in den Fokus rücken, aber es gibt immer einige Dinge, auf die sich Teams offensiv konzentrieren. Die gilt es genauer zu analysieren und sie Pedro vorzulegen. Und dann beginnt die Arbeit mit unseren Spielern. Ab und an sehe ich Sachen beim Gegner, die uns wirklich außerordentlich herausfordern werden, und dann machen wir entsprechende Anpassungen. Im Training selbst ist es dann auch so, dort widme ich mich mehr der Defensive.

Du musst also sehr viel Basketball schauen.

Es ist eine Menge Herumsitzen. (lacht) Basketballtrainer ist nicht der aktivste Beruf!

Wie würdest du die Teamchemie und die Zusammenarbeit im Trainerteam beschreiben? Zu Saisonbeginn gab es ja noch einmal einen Wechsel, da Thomas Roijakkers nicht als Assistenztrainer für euch gearbeitet hat und Franjo Borchers hinzukam.

Ich kannte Pedro ja schon aus der Vorsaison, das hat alles einfacher gemacht. Wir haben eine gute Verbindung und wissen, wie wir miteinander umgehen und kommunizieren können. Im Grunde gilt das aber ja auch für Franjo, der uns schon im letzten Jahr in vielen Dingen unterstützt hat. Er kennt den Club außerdem schon seit vielen Jahren. Er ist ein toller Mensch, daher passt das alles exzellent. Natürlich gibt es auch einmal Konflikte, das bleibt nicht aus, wenn man so eng miteinander arbeitet. Jeder weiß: Das Ego spielt keine Rolle. Und wann immer mal ein böses Wort fällt, weiß jeder: Das ist sicher nicht persönlich gemeint! Bei uns darf jeder das sagen, was ihm wichtig ist; jeder kann er selbst sein. Eine sehr gute Situation ist das.

Wie offen ist Pedro Calles im Spiel für Ratschläge von dir oder Franjo? Er ist schließlich der Chef, der seinen Kopf für das hinhalten muss, was auf dem Spielfeld passiert. Vor allem in Auszeiten sieht man aber ja, wie intensiv ihr kommuniziert.

Er ist sehr offen. Eine seiner Stärken ist sein Verständnis dafür, dass man nicht alles allein hinbekommen kann. Die finale Entscheidung liegt natürlich immer bei ihm. Und das ist für uns Assistenztrainer auch eine Herausforderung: Wir dürfen ihn nicht mit Informationen überladen. Er muss das aufnehmen und dann schauen, was er für sich herauszieht. Es gibt auch Momente, in denen er uns während des Spiels klarmacht: jetzt nicht! Dann ist er in einer Art Zone. Aber noch einmal: Er ist in dieser Hinsicht wirklich sehr offen.

Ferried Naciri fühlt sich in Oldenburg sehr wohl. Er schätzt an Pedro Calles unter anderem dessen Offenheit für Impulse von den Assistenztrainern. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Ein Trainer sagte mir mal: Man kann definitiv nicht alles auf dem Spielfeld allein wahrnehmen. Mal richtet man seinen Fokus auf die eine Sache, mal auf die andere; und was dann rechts und links passiert, ist kaum noch wahrzunehmen.

Deshalb teilen wir das ja auch entsprechend auf. Franjo schaut mehr auf die Offensive, ich mehr auf die Defensive. Da sind so viele Details, die gleichzeitig geschehen. Und dann packen wir alles zu einem großen Ganzen zusammen. Es gibt so viele entscheidende Faktoren, die kann man unmöglich im selben Moment allein im Blick haben. Und eben das ist eine Stärke von Trainern, genau das auch zu verstehen.

Wie groß ist überhaupt der Einfluss, den Trainer in einem laufenden Spiel noch auf das Geschehen und auf einzelne Spieler nehmen können? Es herrscht ja doch oft die Vorstellung vor, dass man nur eine Auszeit nehmen muss, um Dinge rasch wieder in die richtige Richtung zu bewegen …

Der größte Einfluss liegt darin, die richtigen Spieler zur selben Zeit auf das Parkett zu bringen. Nur so können die nötigen Synergien entstehen, die für den Erfolg wichtig sind. Denn eines muss klar sein: Der Einfluss ist ansonsten sehr begrenzt! Natürlich erkennt man bestimmte Dinge, die auf dem Parkett passieren, und die anders vorbereitet waren. Da kann man eine Auszeit schon dazu nutzen, um den oder die Spieler an das zu erinnern, was wir uns fest vorgenommen haben. Aber noch einmal: Während eines Spiels sind die Möglichkeiten sehr gering, und das ist auch ein Grund dafür, warum unsere Trainingseinheiten so wichtig und vor allem so intensiv sind. Dort können wir unseren Einfluss geltend machen, aber mit Spielbeginn heißt es im Grunde: Lass uns schauen, ob wir sie ausreichend vorbereitet haben auf das, was nun passiert.

Ist es manchmal schwer, auf der Bank zu sitzen und Spieler Dinge tun zu sehen, die man ihnen vorher definitiv nicht mit an die Hand gegeben hat?

(überlegt lange) Ja, das ist schwer. Es ist doch so: Man bereitet die Spieler vor, und man hat natürlich hohe Ansprüche daran, dass sie die einstudierten Dinge auch tatsächlich umsetzen und den Fokus sehr hochhalten. Aber: Es sind Menschen! Und man muss als Trainer verstehen, dass Fehler passieren. Basketball ist ein Spiel der Fehler. Das Ziel ist, die Fehler zu limitieren; es ist nicht das Ziel, perfekt zu sein, denn genau das passiert einfach nie. Selbst wenn du dir die besten Spielzüge in einer Partie hinterher anschaust, siehst du immer noch: Da steht einer zu weit links, da ist die Ballbewegung nicht ideal. Und auch deshalb muss man als Trainer am Spielfeldrand seine Emotionen unter Kontrolle haben: Dreh nicht durch, wenn etwas nicht funktioniert. Und auch die Kommunikation mit dem Spieler muss klar sein: Du darfst ihn nicht komplett aus dem Konzept bringen, wenn du ihn auf einen Fehler hinweist. Ausnahme: der Einsatz. Denn der ist kontrollierbar.

Und vieles passiert im Kopf. Wenn ich an das Spiel gegen Tübingen denke: Da hatte ich das Gefühl, dass die Spieler nach dem 10:0-Start und einem Auftakt, in dem sie wirklich bereit waren, ein wenig dachten, dass es ein einfacher Abend wird. Irgendwann fehlte dann etwas und aus einem wackeligen Team wurden zwei …

Das sind oft die schwierigsten Spiele; und du hast es selbst gesagt: Das Wichtigste passiert im Kopf. Und deshalb bereiten wir die Jungs im Training auch mit dieser hohen Intensität auf die Spiele vor, gerade auch mental. So bringt man sich an die Grenzen und schafft die Fähigkeit, durch schwierige Momente hindurchzukommen. Das soll auf diese Weise zur Gewohnheit werden. Und wenn es das nicht ist, dann kannst du in schwierigen Momenten innerhalb eines Spiels nicht mit der entsprechenden Härte und Intensität antworten. Wenn das Level dann einmal abgefallen ist, wird es sehr schwer, es wieder hochzufahren. Egal, was passiert: Das Level muss durchgehend hoch bleiben. Es braucht Monate, um so etwas zu entwickeln.

Welche Möglichkeiten haben Trainer, um einzelnen Spielern durch kniffelige Momente zu helfen? Es ist immer schwierig, über Einzelne zu sprechen, aber DeWayne Russell ist so ein Beispiel. Er scheint mit sich selbst zu kämpfen; wenn man ihm ins Gesicht schaut, wirkt er gelegentlich frustriert darüber, dass Dinge nicht so funktionieren, wie er es gewohnt ist.

Wenn ein Spieler eine schwierige Phase durchläuft, ist es aus meiner Sicht mit am wichtigsten, eine Konsistenz in der Arbeit aufrechtzuerhalten. Egal, was gerade los ist: Wir trainieren, wir schauen uns Situationen auf dem Bildschirm an, wir sprechen. Abgesehen davon ist es in meinen Augen für professionelle Basketballer sehr wichtig, auch einen Mentalcoach an der Seite zu haben. Es können so viele Dinge Probleme auslösen und das kann bei jedem dazu führen, dass man sich nicht zu einhundert Prozent auf das Eigentliche konzentrieren kann. Es gibt auch körperliche Probleme, die dafür sorgen, dass man seine komplette Aufmerksamkeit nur noch darauf richtet; und nicht mehr auf die Sachen, die man tatsächlich kontrollieren kann. Für uns Trainer heißt das entsprechend: Konsistenz in der Arbeit und Fokus auf die kontrollierbaren Aspekte; beschäftigt bleiben. Wenn etwas nicht funktioniert, widmen wir uns Dingen, die wir konkret verbessern können: sei es beispielsweise die Verteidigung oder die allgemeine Intensität. Oder wenn man gerade nicht im Spiel ist: Wie kann ich von der Bank aus positiv Einfluss auf meine Mitspieler nehmen? All das kann einen zurückbringen in einen gewissen Flow; immer, wenn die Gedanken abdriften und man sich dem Negativen widmet, geht dieser Flow wieder verloren. Wir können daher einiges tun, aber Spieler benötigen unbedingt auch andere Menschen abseits des Coaching-Teams, mit denen sie sprechen können.

Ich habe mich mit Brekkott Chapman, der mit einem Mentalcoach zusammenarbeitet, vor Kurzem auch ein wenig über all diese Faktoren abseits des Basketballs unterhalten, die einen Einfluss haben. Kleine Kinder zu Hause schlafen manchmal schlecht, also schläft auch der Spieler wenig. Und all das beeinflusst die Leistungen. Andererseits spricht offenbar keiner gerne darüber, denn es könnte als Ausrede verstanden werden.

Aber es ist die Realität! Und seien wir mal ehrlich, auch und gerade mit Blick auf professionelle Spieler: Ist das, was uns als Stärke verkauft wird, wirklich immer Stärke? Stärke wird oft so definiert: Man beklagt sich nicht. Man macht immer weiter. Aber wirkliche Stärke ist doch, diesen Kreislauf zu durchbrechen und zu sagen: Ich öffne mich und spreche über Probleme. Um es einfach mal loszuwerden und mindestens die Menschen im direkten Umfeld in Kenntnis zu setzen und auch Hilfe annehmen zu können. Das ist aber auch eine gesellschaftliche Diskussion: Was ist Stärke? Was ist Schwäche? Natürlich schlafen Kinder daheim gelegentlich nicht, und natürlich kommt ein Spieler dann auch mal mit schlechter Laune ins Training. Und genau dann konzentrieren wir uns auf das, was wir beeinflussen können. Die Kunst ist es, dass man sein absolutes Top-Level und seine Tiefpunkte nicht zu weit auseinanderdriften lässt. Wir wollen es schaffen, dass selbst die schlechteren Momente noch immer sehr nah dran sind am Optimum. Sprich: Selbst an schlechten Tagen darf man sich nicht bis auf den Boden fallen lassen.

Kenny Ogbe, Chaundee Brown Jr., Charles Manning Jr., Norris Agbakoko und Max DiLeo (der als Kapitän mit auf der Bank beim Team sitzt) fallen aktuell aus. Verletzungsprobleme sind ein steter Begleiter der EWE Baskets in dieser Saison. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Abseits der vielen Verletzungen, die ihr in dieser Saison im Team erlebt hattet und leider auch weiterhin erlebt und die einen großen Einfluss auf das haben, was wir auf dem Parkett sehen: Was sind die größten Herausforderungen mit der Mannschaft?

Das ist sehr schwer zu beantworten, denn im Grunde landen wir bei allem automatisch wieder bei all diesen Verletzungen. Das nahm und nimmt uns den Rhythmus. Sollte unsere Offensive besser sein? Ja. Sie ist aber tatsächlich besser geworden, als wir ein paar Wochen lang mit mehr Kontinuität im Kader trainieren konnten. Sollte unsere Verteidigung besser sein? Ja. Aber uns fehlte auch hier die Beständigkeit, und wir mussten immer und immer wieder einen neuen Spieler integrieren und im Grunde mehrmals bei null anfangen. Jeder musste erst all unsere Ideen verstehen. Alle Herausforderungen haben mit den Verletzungen zu tun. Schau: Es ist doch unglaublich, dass wir jetzt schon wieder fünf Ausfälle haben! Aber in den Wochen, in denen wir in dieser Hinsicht zuletzt besser aufgestellt waren, lief das alles runder. Im Training, aber auch in den Spielen. Die Jungs haben gemerkt: Es geht vorwärts, wir bewegen uns in die richtige Richtung. Es ist herausfordernd, aber ich glaube, wir sind gut damit umgegangen, und wir haben selbst mit sieben oder acht gesunden Spielern noch Wege gefunden, Spiele zu gewinnen. Wir sind zwei, drei Erfolge von den Playoffs entfernt – das ist eigentlich unfassbar. Das zeigt, was möglich gewesen wäre, wenn wir gesünder gewesen wären. Aber: Die Situation ist nun einmal so, wie sie ist, und wir kämpfen um neue Ziele.

Keiner kann aktuell wissen, wie lang eure Saison noch dauern wird. Sollten sich die Dinge aber positiv fügen, habt ihr von Sonntag an über einen längeren Zeitraum alle zwei Tage ein Spiel. Wie kann man das Team innerhalb dieses Takts überhaupt noch auf die einzelnen Begegnungen vorbereiten?

Es läuft auf das System hinaus, an dem man das ganze Jahr über gearbeitet hat. Die Idee dahinter ist ja die, ein System zu entwickeln, das mit Beginn der Playoffs so stark ist, dass man in einer besseren Position ist als die Gegner. In den Spielen in dieser Phase geht es dann nur noch darum, Kleinigkeiten anzupassen; in den Playoffs trifft man mehrmals auf dieselbe Mannschaft und der möchte man immer mal wieder im kleinen Detail etwas anderes präsentieren. Man schaut in der Phase viele Spiele auf dem Bildschirm und geht mit den Jungs spezielle Situationen durch. Wenn man seine Arbeit gut gemacht und das System gestärkt hat, muss man die Spieler in den entscheidenden Begegnungen im Grunde nicht mehr mit vielen Neuerungen überfrachten. Wenn man sein System allerdings anzweifelt und zu viel anpassen möchte, dann gehen die Probleme los. Dann setzt ein Schneeballeffekt ein. Also: Die Vorbereitung auf diese Phase geschieht während der gesamten Saison.

Eventuell wisst ihr erst am Sonntag, gegen wen ihr am Dienstag spielt …

Zum Glück kennen wir die möglichen Gegner aus der jüngeren Vergangenheit. Es wird keine großen Überraschungen geben. Es kommt darauf an, ob wir uns in unserer bestmöglichen Version präsentieren können.

Und für diese Spiele leben Spieler ja bekanntlich. Ich weiß immer noch nicht ganz genau, was ich vom Play-In-Modus halten soll, aber er beschert uns Spiele, in denen es an diesem einen Abend um alles oder nichts geht. Für Fans im Grunde eine fantastische Situation. Man geht am Dienstag in die Arena – vorausgesetzt Oldenburg bleibt Neunter – und weiß: Für einen endet die Saison. Faszinierend, aber nicht ganz ohne Risiko. In den Playoffs kann man Fehler immerhin noch reparieren …

Ja, so ist es. Gewinn oder geh nach Hause. Natürlich ist das interessant, auch für die Fans. Wir sind sehr glücklich, dass wir auf unsere Fans setzen können – wenn sie nicht wären, hätten wir es vielleicht gar nicht bis zu dieser Ausgangslage gebracht. Für den Siebten und Achten ist dieser Modus tatsächlich hart, denn normalerweise ist man von diesen Positionen aus sicher in den Playoffs dabei. Mal schauen, was diese Spiele uns bescheren werden. Sie erhöhen auf jeden Fall den Reiz am Saisonende, da mehr Mannschaften noch um etwas kämpfen als zuvor.

Zwei Spieltage vor Ende der regulären Saison sind nur der MBC und Göttingen aus allen Szenarien heraus, der Rest kann noch etwas erreichen – oder verlieren.

Exakt, und genau das wird die Idee hinter diesem Modus sein.

Zu guter Letzt: Was erwartest du von deinem Team in den kommenden Tagen – und möglicherweise Wochen, wenn alles optimal läuft?

Nun, was erwarte ich … (überlegt). Schau: Wenn wir auf einem hohen Level spielen und die nötige Intensität und den passenden Fokus an den Tag legen, können wir ziemlich gut sein. Trotz der erneuten Ausfälle. Wir haben in dieser Saison so viel durchgemacht, und Pedro hat die Jungs dahin gebracht, bereit zu sein für die kommenden Spiele. Ich erwarte, dass jeder die Bedeutung dieser Partien versteht – und dass alle sehen, dass jetzt die Phase kommt, für die wir das ganze Jahr über gearbeitet haben. Du weißt nie, wie viele Jahre du diesen Beruf ausführen darfst. Es geht darum, all diese Momente absolut auszukosten und zu genießen. Insbesondere am Ende einer Saison, wenn so viel auf dem Spiel steht – da spürst du diese besondere Energie, die von über 6.000 Menschen in der Arena ausgeht. Das darf man nicht als selbstverständlich hinnehmen, jeder muss bereit sein. Und genau das erwarte ich von unseren Jungs.


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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.