Die Erwartungshaltung vor einem entscheidenden Spiel ist naturgemäß eine andere als vor einer beliebigen Partie während der regulären Saison. Entsprechend gespannt marschierten die Fans also am Dienstag in die Oldenburger EWE Arena, in der ihnen der neue Modus der easyCredit Basketball Bundesliga das erste von drei prickelnden Duellen bescheren sollte. „Alles oder nichts“, „Do or die“, „Siegen oder fliegen“ – wie auch immer man diese Form des Schlagabtauschs für sich selbst benennen mochte, für den Verlierer sollte die Saison 2023/2024 gut zwei Stunden nach Tipoff beendet sein.
Was man also vor diesem ersten Play-In-Spiel in der Geschichte der easyCredit Basketball Bundesliga, in dem sich am Dienstagabend die EWE Baskets Oldenburg und die Veolia Towers Hamburg gegenüberstanden, durchaus mit einigem Recht auf beiden Seiten erwarten durfte: Spannung, bedingungslosen Einsatz, eine gesunde Portion Aggressivität und absolute Entschlossenheit, die Saison zu verlängern.
Es kam dann ein wenig anders.
Nach gerade einmal 2:38 Minuten starrten die Menschen auf den Rängen das erste Mal vergleichsweise fassungslos auf den Ergebniswürfel unter dem Arenadach, der ein 10:0 für die Gäste aus der Hansestadt als Zwischenstand auswies. Artur Konontsuk hatte zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Fouls angehäuft, und die ohnehin kniffelige Ausgangslage hatte sich in der Auftaktphase dieser K.-o.-Begegnung noch ein wenig mehr verkompliziert.
In der Folge gelang es den Schützlingen von Trainer Pedro Calles immerhin, den Rückstand nicht noch größer werden zu lassen und sich nach einem 33:42 (15. Minute) zur wohl besten Phase im eigenen Spiel aufzuraffen. Ein Alley-oop-Dunk von Ebuka Izundu nach präzisem Zuspiel durch Geno Crandall (der am Ende auf elf Assists kam) weckte das Publikum, ein Dreier von Len Schoormann, einem der uneingeschränkt positiven Protagonisten dieser Spielzeit, sorgte kurz vor der Sirene für eine 47:46-Führung.
Stimmungsumschwung auf den Tribünen, ein knapper Vorsprung, die Aussicht auf einen erfolgreichen Abend – es hätte aus Sicht der Niedersachsen schlechtere Voraussetzungen für die zweite Hälfte des Play-In-Spektakels geben können. Was die Fans nach Wiederaufnahme des Geschehens also erwarten durften: die volle Ladung Oldenburger Entschlossenheit.
Es kam wieder anders.
Binnen 3:08 Minuten legte Hamburg ein 16:4 auf das Parkett und sorgte für die nächste Portion Fassungslosigkeit, mit der die heimischen Fans auf ihre Spieler blickten, die sich in bedrückter Stimmung in Richtung Auszeit begaben. Da die nun sichtlich strauchelnden Oldenburger aus dieser mit einem 2:7-Negativlauf herauskamen, verfinsterten sich die Mienen derer, die es mit den EWE Baskets hielten, endgültig. Im Prinzip war der Abend zu diesem Zeitpunkt gelaufen, allerspätestens ein Dreier von Mark Hughes zum 90:77 (37.) war das Signal für die Herrschaften hinter den Kulissen, das vorbereitete Abschiedsbanner aus der Kiste zu holen.
Die Hoffnung auf ein versöhnliches Ende einer überaus schwierigen Saison: zerstoben.
Während die Hamburger ihren verdienten 93:81-Triumph feierten und sich anschließend wohl schon im Bus der sehr kurzen Vorbereitungszeit auf das finale Play-In-Spiel am Donnerstag widmeten, nahmen die konsternierten Oldenburger den gequälten Höflichkeitsapplaus ihrer Anhänger entgegen und verabschieden sich nun über die Zwischenstation Saisonabschlussfeier am Freitag nach und nach in Richtung Sommerpause.
Eine Folge dieser abgelaufenen Saison dürfte sein, dass die Mannschaft ein deutlich verändertes Gesicht bekommen wird. Zunächst einmal ist nicht davon auszugehen, dass Trainer Calles selbst Opfer des enttäuschenden Endergebnisses sein wird. Der Spanier hat einen Vertrag bis 2025; nach allem, was man rund um die EWE Baskets hört, spricht einiges dafür, dass er auch zum Saisonstart wieder an der Seitenlinie stehen wird.
Die Summe der nackten Resultate seiner ersten beiden Jahre in verantwortlicher Position bei den Niedersachsen – jähes 0:3-Aus im Playoffviertelfinale 2023, jähes Play-In-Aus 2024 – wird aber gewiss dafür sorgen, dass der Druck für die bevorstehende Spielzeit enorm ist. Der Club versteht sich als den Top Fünf zugehörig, wie Geschäftsführer Hermann Schüller im Dyn-Halbzeitinterview unterstrich. Daran wird Calles gemessen werden, wenn die Saison 2024/2025 ansteht.
In der Analyse der abgelaufenen Spielzeit wird natürlich (und auch zurecht) das Thema Verletzungen eine große Rolle spielen. Die beispiellos zahlreichen Blessuren hatten unbestritten einen enormen Einfluss auf Taktik und Trainingsmöglichkeiten – und damit eben auch auf die Resultate. Das alles hat wiederum Auswirkungen auf die Zusammenstellung des neuen Kaders, denn bei aller Unberechenbarkeit vieler Verletzungen traf es auch Akteure mit einer entsprechenden Vorgeschichte. Die Bereitschaft, hier erneut ins Risiko zu gehen, dürfte nicht allzu ausgeprägt sein.
Zu vermuten ist, dass zwar ein Kern an bekannten Gesichtern nach der Sommerpause wieder in Oldenburg vorstellig wird; andererseits dürfte die Anzahl der Veränderungen aber eher hoch sein. Dass den EWE Baskets aufgrund ihres Abschneidens eine Saison ohne Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb droht, wird die Verhandlungsposition nicht verbessern, ganz im Gegenteil. Viel Arbeit für Geschäftsführer Schüller, den sportlichen Leiter Srdjan Klaric und Trainer Pedro Calles. Zu den Fragen, die sie sich stellen müssen, gehören unter anderem diese: Findet DeWayne Russell wieder zu gewohnter Stärke zurück? Welchen Impuls haben die Verpflichtungen des vergangenen Sommers tatsächlich gegeben (wenn sie denn gesund waren)? Und wer von den nachverpflichteten Spielern könnte eine längere Zukunft in Oldenburg haben?
Dass die Erwartungshaltung am Dienstagabend eine saftige Ohrfeige von der Realität bekam, war übrigens die verblüffendste Erkenntnis der Veranstaltung. Denn die eingangs erwähnten Faktoren – bedingungsloser Einsatz, eine gesunde Portion Aggressivität und absolute Entschlossenheit, die Saison zu verlängern –, sah man in der EWE Arena im Kern vor allem von den Hamburg Towers. Und damit von einem Team, das im Saisonendspurt wahrlich nicht mit einem positiven Trend geglänzt hatte. Aus Oldenburger Sicht war der letzte Auftritt in dieser merkwürdigen Spielzeit aber doch auf unschöne Weise: passend.
Unter dem Strich steckt die Profi-Abteilung des Clubs, der in Sachen Infrastruktur (Campus), Zuschauerzuspruch und Nachwuchs (Deutscher Meister JBBL, Vizemeister NBBL) hoffnungsvoll in die Zukunft schauen kann, zum wiederholten Male in den vergangenen Jahren im Mittelmaß fest. Die Entschlossenheit, das ändern zu wollen, muss im Fokus der Arbeit im Sommer stehen.
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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.