Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Nach der Saison ist vor der Saison bei den EWE Baskets: Interview mit Srdjan Klaric

Während in den Playoffs der easyCredit Basketball Bundesliga ein neuer deutscher Meister gesucht wird (der amtierende aus Ulm hat sich im Viertelfinale bereits verabschiedet), planen die EWE Baskets Oldenburg längst die kommende Saison. Viel zu tun also auch für den sportlichen Leiter Srdjan Klaric, der sich für ein ausführliches Gespräch im Club Center an der Maastrichter Straße trotz der arbeitsintensiven Phase viel Zeit nahm.

Srdjan, es wurden im Saisonverlauf immer mal wieder Stimmen laut, dass Pedro Calles nicht der richtige Trainer für die EWE Baskets Oldenburg sei. Nach dem Aus in den Play-Ins wurden diese eher lauter als leiser. Was entgegnest du denen, die am Headcoach zweifeln?

Vorweg möchte ich dazu einmal etwas Grundsätzliches sagen. Egal, was man macht, und das gilt für das Berufsleben ebenso wie für den privaten Bereich: Es ist ganz schwierig, bei allen gleichermaßen beliebt zu sein. Das schafft niemand. Ich arbeite mit Pedro sehr eng zusammen, und ich kann sagen: Er ist jemand, der Basketball lebt. Er ist in höchstem Maße engagiert und tut alles für den Club. Es mag sein, dass er nach außen gelegentlich einen eher verschlossenen Eindruck macht. Dabei ist er eigentlich ein sehr offener Mensch, aber er ist häufig sehr fokussiert – und das wirkt auf andere dann eben verschlossen. Auch in der abgelaufenen Saison hat er nichts unversucht gelassen, mehr aus dem Team herauszuholen und mehr zu erreichen. Leider hat das durch verschiedene Faktoren nicht funktioniert.

Da kommen wir schnell auf das Thema Verletzungen.

Es ist ja fast unangenehm, immer wieder darüber zu sprechen. Aber es war eben nicht so, dass uns mal hier einer und mal dort ein anderer Spieler gefehlt hat; das waren zwischenzeitlich sieben gleichzeitig. Stell dir das mal im Fußball vor: Da fehlen dann 16 Spieler von 24. Man kann noch spielen, aber das hat mit dem Sport an sich nichts mehr zu tun, da auch Verletzte auflaufen müssen und man Youngster einbinden muss, die für diese Rolle noch gar nicht vorgesehen sind. Wir konnten nicht mehr so trainieren, wie es für den Basketball von Pedro Calles notwendig ist. Sprich: aggressive Verteidigung mit Full-Court-Presse. Schnelle Angriffe, Attacke auf den Korb, Offensivrebounds – bei so vielen Verletzen war es nicht mehr möglich, das vernünftig einzustudieren und vor allem zu verbessern. Und dann beginnen die Kompromisse, die man mit sich selbst eingehen muss. Das Training wird weniger intensiv und milder. Und dann gibt es am Spieltag leider nicht den Wunderknopf, den man mal eben drückt, um zum Spiel bereit zu sein. Ein Teufelskreis.

Der früh in der Saison begann.

Wir haben uns ab August zusammengefunden und daran gearbeitet, auf dem Parkett und daneben zusammenzuwachsen. Man gewöhnt sich aneinander, durchläuft einen Entwicklungsprozess. Die Verletzungen haben das immer wieder durcheinandergebracht. Spieler verletzten sich, kamen wieder zurück. Und auch die Neuzugänge waren eine Herausforderung, denn man beginnt immer wieder von vorn. Das ist wie in der Schule. Wir sind durch mit den Buchstaben, jetzt wollen wir schreiben. Dann kommt ein Neuer, der bei alldem bei null startet. Irgendwann können wir dann lesen, und dann kommt der Nächste. Und alles geht wieder von Neuem los. Wir haben in diesen Phasen immer wieder viele Trainingseinheiten verloren, da wir uns auf ganz andere Dinge konzentrieren mussten als eigentlich zu diesem Zeitpunkt vorgesehen war. Die Entwicklung wurde immer wieder unterbrochen und behindert. Und dann kommen wir in den April, in dem man eigentlich die besten Leistungen bringen soll, im Kern waren wir da aber auf dem Stand von Januar. Und auch das Thema Rollenverteilung wurde zum Problem, denn diese mussten immer und immer wieder neu angepasst werden. Worauf ich hinauswill: Ich wollte in dieser Saison wirklich nicht in der Haut von Pedro stecken. Der Druck, den er sich selbst gemacht hat, wurde natürlich immer größer. Und die Enttäuschung, nicht das wahre Gesicht zeigen zu können.

Ihr habt im vergangenen Sommer einen Spieler wie Kyle Foster verpflichtet. Mit ihm passte es letztlich offenkundig nicht. Was lernt ihr daraus, um solche Situationen in Zukunft noch unwahrscheinlicher zu machen? Oder gibt es einfach ein gewisses Restrisiko, das man einkalkulieren muss? Den Kopf aufschrauben kann – zum Glück – niemand.

Bei Spielerverpflichtungen ist es so: Als Club versucht du alles zu kontrollieren. Du checkst wirklich alles: Gab es Verletzungen? Wie hat sich der Spieler in bestimmten Situationen verhalten? Man führt Gespräche, man recherchiert, man leuchtet alles aus. Ich habe mich mit einem Sportpsychologen darüber unterhalten, und der war komplett erstaunt, welchen Aufwand wir in dieser Hinsicht betreiben. Als Club möchte man die Voraussetzungen schaffen, damit man möglichst reibungslos bei A startet und am Ende bei B ankommt. Aber: Auf dem Weg von A nach B gibt es Unfälle, Staus, andere Probleme. Und erst dann zeigt sich, ob Dinge wirklich komplett so funktionieren, wie man sie sich vorgestellt hat. Kyle beispielsweise hat sein Selbstvertrauen verloren, und das hat ihn ausgebremst. Ich möchte klarstellen: Er hat alles versucht und hat sich tadellos verhalten. Daher war es auch unser Anliegen, ihm zu helfen, woanders unterzukommen. Kurzfassung: Man kann nicht jede Eventualität vorab ausschließen und es gibt ein gewisses Restrisiko. Und eben das wollen wir minimieren.

Du hast es eingangs selbst gesagt: Ihr hattet im Verlauf der Saison Phasen mit fünf, sechs gleichzeitig verletzten Spielern. Am Ende saßen zwischendurch wieder fünf Jungs am Spielfeldrand. Hast du irgendwann während der Saison den Spaß an deinem Job verloren?

Wenn manche Spieler sich mit Blessuren monatelang durch die Saison arbeiten, kann ich mich nicht hinstellen und sagen, dass ich die Lust verliere; ganz im Gegenteil. Ich habe aber eine Art Trauma entwickelt, was die ganzen Verletzungen angeht. Sobald im Training einer unserer Jungs auf dem Boden landete, hatte ich schon fast das Telefon in der Hand, um unseren Doc Nils Farhan anzurufen. Hinzu kommt: Wir hatten wohl noch nie eine bessere Aufstellung an deutschen Spielern beisammen. Und das hat mich traurig gemacht, dass wir das aufgrund der vielen Ausfälle nicht ausnutzen konnten. Wir hatten ganz andere Pläne. Die ganze Defense war anders konzipiert, da sollte auch Charles Manning eine wichtige Rolle spielen. Wir konnten ganz viel schlicht nicht umsetzen. Als wir uns am Ende stabilisiert hatten, gab es drei Verletzungen auf den deutschen Positionen; das war genau die Phase, als wir die Siege hätten holen können, die uns in der Tabelle noch auf eine andere Position geführt hätten. Und so endete es im April, wie es im letzten Sommer begonnen hat: mit Ausfällen. Das einzig Positive an der ganzen Sache ist, dass wir bei den Nachverpflichtungen die richtige Wahl getroffen haben. Mit Spielern, die möglicherweise in dem einen oder anderen Fall auch in Zukunft eine Rolle bei uns spielen.

Die Entwicklung von Len Schoormann hat Srdjan Klaric sehr erfreut. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Wie sehr hinterfragt ihr angesichts der Serie an Verletzungen die Intensität in Training und Spiel?

Wir stehen im ständigen Austausch. Die Trainer sprechen mit den Ärzten, mit den Physios, mit uns. Das ist doch ganz normal. Dieses Jahr war in Sachen Verletzungen einfach extrem. Die Intensität gehört bei Pedros Basketball-Stil dazu. Wenn sich Max DiLeo dreimal nach dem Ball wirft, eskaliert die ganze Halle. Und wenn er sich aber beim vierten Mal verletzt, dann ist es natürlich nicht mehr witzig. Dieser Basketball sah in Vechta und Hamburg auch schon so aus, also ist die Art der Arbeit nun wahrlich keine neue. Schon rein mathematisch gesehen ist die Verletzungsgefahr bei einer Full-Court-Presse größer als bei entspannter Verteidigung ab der Mittellinie. Schau dir Norris an: Die Halle hat 20 Sekunden lang gejubelt, als er gegen Göttingen seinen Gegner spektakulär geblockt hat – dass er sich dabei die Hand gebrochen hat, wurde uns erst später klar. Wobei ich in dem Moment schon kein gutes Gefühlt hatte. Chaundee Brown hat sich bei einer ganz gewöhnlichen Basketballaktion eine Verletzung zugezogen. Ja, uns war bei einem Spieler wie Charles Manning bewusst, dass es eine Vorgeschichte gab. Aber ohne diese wäre er längst in ganz anderen Sphären, und er hat die beiden Saisons davor beschwerdefrei gespielt. Wir sind da nicht unmittelbar nach auskurierten Verletzungen ins Risiko gegangen. Aus der Art des Trainings auf die Vielzahl der Ausfälle zu schließen, ist aus unserer Sicht nicht angebracht. Im Endeffekt zieht eine Verletzung die nächste nach sich, da sich Belastungen dann anders verteilen. Im Training wurden die Möglichkeiten kleiner, in den Spielen die Anforderungen für jeden Einzelnen immer höher. Die Doppelbelastung tut in solchen Phasen ihr Übriges. Teams wie Vechta oder Würzburg, die ein Spiel pro Woche hatten, haben das Beste daraus gemacht – jetzt, wo der Takt deutlich nach oben ging, stieg die Anzahl der Verletzungen an. Das Risiko steigt mit der Intensivierung der Belastung.

Dann kam für euch der Dienstagabend gegen Hamburg. Ich wusste im Verlauf der Saison immer seltener, was ich erwarten sollte, aber bei der Betrachtung des Play-In-Spiels dachte ich über weite Strecken: Ach du mein Schreck! Was überwog bei dir: Enttäuschung oder Verärgerung?

Es war mehr die Enttäuschung. Es gab zuvor wenige Spiele, bei denen ich dieses Gefühl schon einmal hatte. Da sind zu nennen die Niederlage in Tübingen, das Spiel in Oostende, wo wir nach hoher Führung die Chance verspielt haben, vielleicht sogar die Gruppe in der Champions League zu gewinnen, und die Partie in Göttingen. Das war eine Form des „Do or die“-Spiels, um noch in den Kampf um Rang acht und damit um eine weitere Play-In-Chance eingreifen zu können. Andere nennen auch das Spiel gegen Bonn, aber dort konnten wir nur noch neun Spieler aufstellen, und selbst von denen waren nicht alle gesund und zwei kamen aus der NBBL-Mannschaft. Und dann kam Hamburg. Das sind die vier Spiele, die mich enttäuscht haben. Stell dir vor, wir hätten in Tübingen und Göttingen gewonnen – wir hätten fast dieselbe Bilanz aufgewiesen wie im Jahr davor, als wir Vierter waren. Du siehst: Kleine Dinge können im Sport den großen Unterschied machen. Egal wie, wir hätten diese Spiele gewinnen müssen. Verärgerung möchte ich das nicht nennen.

Hamburg hat das an jenem Abend ausgestrahlt: Wir wollen es – und wir können es.

Tatsächlich wollten sie es einfach mehr. Wir haben nicht die passende Energie aufgebracht. Es gab nicht den Kampf, den die Playoff-Atmosphäre in der Arena verdient gehabt hätte.

Bei all den negativen Aspekten in der abgelaufenen Saison: Was bleibt dir positiv in Erinnerung, neben den zuvor erwähnten Nachverpflichtungen, die überzeugen konnten?

Es gab eine sehr gute Atmosphäre im Team. Und die resultierte nicht daraus, dass den Jungs das Sportliche egal war und sie alle so gut miteinander auskamen, nur weil sie sich persönlich gut verstanden haben. Nein, das zeigte sich sowohl bei Siegen als auch bei Niederlagen, sie haben zusammengehalten. Die Jungs haben als Team gekämpft. Den Eindruck, dass sie sich aufgeben, hatte ich nie. Dann gab es natürlich die Tatsache, dass die Arena immer ausverkauft war. Die Fans haben alles investiert; es hat mich auch ein wenig traurig gemacht, dass wir das nicht in ausreichendem Maße zurückzahlen konnten. Die Treue ist bemerkenswert. Außerdem bleibt die positive Entwicklung von einigen Spielern. Beispielsweise Norris, der eine immer größere Rolle spielt und die Pole Position vor Ebuka Izundu eingenommen hat. Das hat er sich durch seine Leistungen verdient. Dann freut mich die Entwicklung von Alen Pjanic, der sich nach der langen Verletzung zurückgemeldet hat, und von Len Schoormann. Damit hat doch niemand gerechnet!

Du wirst mutmaßlich noch keine Details nennen, aber: Wie umfangreich werden die Kaderveränderungen in diesem Sommer ausfallen?

Ein paar Entscheidungen haben wir schon getroffen, bei den deutschen Spielern sind wir in den Planungen schon fast durch. Das ist ein großer Teil der Arbeit vor jeder Saison. Im Kern steht immer die Frage: Wer bleibt? Da müssen wir genau hinschauen: Wer passt zum Trainer, bei wem gibt es Angebote von anderen Clubs, wie sieht es mit Verletzungen aus? Und wenn es unmoralische Angebote von anderen Interessenten gibt, wir aber auf die Einhaltung des Vertrags pochen, müssen wir zwangsläufig damit rechnen, dass der Spieler über dieses verpasste Angebot noch lange nachdenkt und nicht mit Herz und Seele für uns bei der Sache ist. Das ist normal im Profigeschäft. Wir haben das bei Brian Qvale, Klemen Prepelic oder Nathan Boothe gesehen: Die bekommen andernorts das Drei- oder Vierfache angeboten, das sichert ein paar Lebensjahre ab. Die Entscheidungen sind aber auch vom Erfolg abhängig. Wenn eine starke Saison hinter dir liegt, greifen vermehrt Kräfte von außen nach deinen Spielern. Wenn es nicht erfolgreich war, ist andersherum klar: Wir behalten nicht viele an Bord. Und wenn die Saison mittelmäßig war und vielleicht nur ein wenig fehlte, dann kommt alles zusammen. In einer solchen Situation sind wir in diesem Sommer. Die Kernfrage: Was ist das Beste für den Club? Und mit welchen Spielern kann Pedro am besten zusammenarbeiten?

Der US-Amerikaner Kyle Rode ist euer erster Neuzugang – oder lass es mich so formulieren: der erste Neuzugang, der bekannt gegeben wurde. Wie schaffst du es, einen solchen Spieler aus dem praktisch unüberschaubaren Meer an College-Abgängern herauszufiltern? Dahinter steckt mutmaßlich eine ganze Menge Arbeit.

(lacht) Das ist in der Tat viel Arbeit. Das bedeutet: viel telefonieren, viele Spiele anschauen. Als Kyle vermeldet wurde, geschah etwas, was ich so noch nie erlebt habe: Ich habe wirklich Hunderte Nachrichten bekommen aus vielen Teilen der Basketballwelt. Alle haben uns gratuliert zu dieser Verpflichtung. Wir haben die Gespräche früh begonnen. Er hat beim Portsmouth Invitational Tournament, wo sehr gute Collegespieler ohne Aussicht auf die erste Draft-Runde zusammenkommen, starke Leistungen gezeigt. Kyle gehörte zu den Besten. Wir haben wahrgenommen, dass er aus einem sehr guten Collegeprogramm in Liberty kommt, außerdem war er direkt in seinem Junior-Jahr Kapitän des Teams. Das sagt alles. Er konnte drei Positionen verteidigen, verfügt über einen enormen Basketball-IQ. Sein Trainer hat mir von ihm vorgeschwärmt, das ging weit über das ohnehin hohe Maß an Begeisterung, dass man aus den USA oft hört, hinaus. Spielerisch kann er die Drei und die Vier übernehmen, ihm wohnt eine gewisse europäische Spielweise inne. Pedro war sofort begeistert von ihm.

Pedro Calles geht in seine dritte Saison bei den EWE Baskets. Klaric sagt: „Er lebt Basketball.“ Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Vor dem Saisonstart 2023 war in Thomas Roijakkers ein Assistenztrainer schon wieder fort, daher kam Franjo Borchers hinzu. Wird es im Trainerteam eine Konstanz geben zur neuen Spielzeit?

(lacht) Noch etwas Positives in dieser Saison! Wir haben einen Jungen aus unserem Programm ins Trainerteam geholt. Er hat seine Ausbildung hier gemacht, war schon als U10-Spieler in Westerstede aktiv. Aber zu deiner Frage: Die Trainer bleiben zusammen. Die Idee vor der vergangenen Saison war eine andere, aber das hat uns nicht durcheinandergebracht.

Vorausgesetzt, ihr habt mehr Glück mit der Gesundheit der Spieler: Für welchen Basketball sollen die EWE Baskets Oldenburg im Idealfall stehen?

(lacht) Ich muss keine Wünsche äußern, denn: Ich kenne Pedro.

Sprich: Man weiß, was man bekommt.

Vorausgesetzt, wir können normal trainieren und normal spielen und entsprechend viel rotieren: Dann sehen wir aggressive Verteidigung mit vielen Fastbreaks und viel Leidenschaft gepaart mit Kampfgeist. In der Offensive wollen wir ein paar mehr Dimensionen. Wir hätten das auch schon 2023/2024 haben können, wenn ich beispielsweise an Charles Manning denke. Das ist ein Spieler, der kann ein paar Ideen aus der Tasche holen und entscheiden: Jetzt mache ich einfach. Und da sind wir schon wieder bei den Verletzungen … Wir waren eine Zeit lang zu sehr auf DeWayne Russell angewiesen, bevor Geno Crandall dann dazukam. Ich wünsche mir, dass wir da ein wenig breiter aufgestellt sind. Da geht es auch um einzelne taktische Möglichkeiten, ohne hier alle mit Details zu erschlagen.

Ihr müsst natürlich immer schauen, wie ihr einen guten Kader für die jeweils kommende Saison zusammenstellt. Gibt es bei euch aber auch eine Idee, wie ihr eine bestimmte Identität über mehrere Jahre etabliert? Oder ist das eine allzu romantische Vorstellung?

Im Basketball ist die Situation schon dadurch ein wenig kompliziert, dass man meistens keine langfristigen Verträge abschließt. Das hängt dann natürlich wieder jeweils von Trainern und Spielern ab. Kann ein Trainer über mehrere Jahre an einem Ort den Stil prägen? Dann gibt es Clubs, die es tatsächlich schaffen, einen zentralen Spieler über Jahre zu binden – bestes Beispiel ist Luke Sikma in Berlin, der das Spiel dort lange geprägt hat. Er hat die Art und Weise, wie Alba gespielt hat, in entscheidender Form bestimmt. Chemnitz gelingt es in den letzten zwei Jahren, durch Kontinuität erfolgreich zu sein. Da hängt ganz viel an Trainer Pastore, aber auch am Standort als solchem, der von vielen immer noch zu Unrecht unterschätzt wird.

Stichwort Chemnitz: Dort erwächst eine echte Konkurrenz um einen vorderen Platz. Da wird es hinter Berlin und München langsam eng: Ulm, Chemnitz, Bonn, Ludwigsburg und Hamburg als Beispiele haben ebenfalls hohe Ansprüche.

Oder Rostock! Jeder Standort hat seine Vorzüge, mit denen er punkten möchte. Schau dir Hamburg an: Die spielen im Eurocup und werben damit. Sie spielen dort und kommen damit auf 18 zusätzliche Spiele. Rostock wird stärker, Chemnitz verpflichtet Spieler, die andere auch gern in ihrem Team hätten. Die Liga wird immer besser, das ist auch gut so! Genau deshalb ist die Arena auch immer ausverkauft. Früher gab es nur Alba und Bamberg, Bayern gab es auf diesem Level noch gar nicht. Die anderen folgten mehrere Stufen dahinter. Um auf deine ursprüngliche Frage zurückzukommen: Das beste Beispiel war die Saison mit Mladen Drijencic und Ingo Freyer. Das war ein Team, es waren dieselben Spieler – aber die Ergebnisse und der Basketball lagen ganz weit auseinander. Das System ist immer davon abhängig, wie sehr Spieler und Trainer eine gemeinsame Sprache finden.

Die abgelaufene Saison bot an ganz anderer Stelle überaus positive Erlebnisse. Ihr habt im Nachwuchsbereich mit der U16 eine Meisterschaft und mit der U19 einen Vizetitel geholt, zwei Resultate, mit denen vor dem ersten Spieltag im Vorjahr wohl niemand im Ansatz rechnen durfte. Was bedeuten dir diese Ergebnisse in einem Bereich, in dem ihr oft genug darauf hinweist, dass Ergebnisse an sich gar nicht der entscheidende Faktor sind?

Mir bedeutet das wirklich sehr viel. Und das hat nichts mit unserer BBL-Saison zu tun. Ich hätte mich über diese Erlebnisse und Ergebnisse ganz genauso gefreut, wenn wir in der BBL um den Titel kämpfen würden. Wir investieren viel Zeit und Aufwand. Das gilt für alle vier Teams. Natürlich genießt das BBL-Team die größte Bedeutung, aber ich arbeite mit dem gleich Enthusiasmus auch für die Mannschaften in der Regionalliga, NBBL und JBBL. Und wenn dann die Ergebnisse stimmen, freut mich das. Ich habe den Jungs nach der Niederlage im Finale erklärt: In ein paar Tagen wird euch erst bewusst, dass ihr in der NBBL die zweitbeste Mannschaft in Deutschland seid. Und irgendwann wird das als Banner in der Halle hängen und ihr könnt in 20, 30 Jahren mit euren Kindern zum Spiel kommen und dorthin zeigen. Das wird euch niemand wegnehmen. Mir kamen Tränen in die Augen, ich habe den Satz gerade noch zu Ende gebracht. (lacht) Dann haben die Jungs angefangen zu feiern. Und was mir besonders wichtig ist: Wir haben das zu einem ganz, ganz großen Teil mit lokalen Spielern aus unserer Region geschafft. Ob sie nun aus Brake, Bremen, Friesland oder Groningen kommen: Das sind Jungs von hier und aus unserem Programm. Und schau dir an, wie jung beide Teams waren! Jede Investition, die wir getätigt haben, hat sich gelohnt. Die Idee ist 2015 entstanden, als wir das Fördertraining für die Jungs angeboten haben. Uns kam viel Skepsis entgegen. Wir haben aber gesehen, dass diese Talente das Potenzial haben, Oldenburg zu repräsentieren. Und wir sind immer knapper ans Finalturnier herangekommen. Wir haben damals auch das Trainerteam umgestellt; ich bin der festen Überzeugung, dass im Jugendbereich erfahrene Coaches arbeiten sollten. Nun kommt auch noch Mladen Drijencic dazu.

Kannst du schon ein wenig konkreter sagen, welche Rolle Mladen im Trainerteam übernehmen wird?

Mladen gehört zu den vier Trainern, die bei uns für die Entwicklung der jungen Spieler verantwortlich sind. Er arbeitet bei beiden Mannschaften, sowohl in der JBBL als auch in der NBBL; nicht als Co-Trainer, sondern als Teil des Teams, in dem alle eng zusammenarbeiten. Hier werden unter anderem viele Entscheidungen gemeinsam darüber getroffen, wer wann in welchem Team eingesetzt wird. Ziel ist die optimale Entwicklung und auch der Fokus auf das, was individuell an Verbesserungen nötig ist. Er ist auch keinesfalls ein Mentor für die anderen, das würde auch altersmäßig nicht passen.

Die Treue der Fans zählt Srdjan Klaric zu den positiven Aspekten der abgelaufenen Saison. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Das Standing, das er in Oldenburg genießt, konnte man beim Saisonabschluss erleben. Da wurde er mit großem Hallo begrüßt, als er nach dem Training nach draußen kam.

An dem Abend stand Mladen in der Halle und war als Zuschauer bei den Tryouts dabei. Irgendwann kam unser Geschäftsführer Hermann Schüller herein, nahm mich beiseite und zeigte auf Mladen. Er meinte nur: Schau, als wäre er nie weggewesen. (lacht) Das beschreibt die Sache sehr gut. Ich habe seine Energie und seine Art vermisst. Er ist einer der besten Jugendtrainer, die ich kenne. Übrigens: Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal beim Club und den Sponsoren dafür bedanken, dass wir durch die finanzielle Unterstützung die Möglichkeit hatten, bei dem herausragenden Turnier in Debrecen teilnehmen zu können. Das hat den unglaublichen Erfolg deutlich befördert. Es war eine unglaubliche Erfahrung, inklusive des spektakulären Endspiels in der JBBL.

Wie kann es euch gelingen, den jungen Spieler den Sprung in den Profibereich einfacher zu machen? Die Lücke zwischen NBBL und 1. Regionalliga hin zur Bundesliga erscheint mir als zu extrem, um eine kontinuierliche Entwicklung zu ermöglichen.

Vielleicht werden die Leute mich für verrückt erklären, aber: Ich sehe dieses Problem gar nicht so. Die erste Regionalliga ist aus meiner Sicht schwerer zu spielen als die ProB. Du kannst in der Regionalliga auf Mannschaften mit zehn EU-Ausländern treffen. In der ProB dürfen zwei Ausländer gleichzeitig auf dem Parkett stehen, die anderen drei auf dem Feld sind zumeist sehr junge deutsche Spieler. In der Regionalliga spielen abseits der ausländischen Akteure oft sehr erfahrene Spieler, die alle Tricks kennen. Wir haben das im Halbfinale in der NBBL gesehen. Da haben wir gegen Ludwigsburg gespielt, die mit zahlreichen ProB-Spielern bestückt sind. Und wir haben abgezockter gespielt als der Gegner. Klar ist aber auch: Wenn wir die ProB aus eigener Kraft erreichen, nehmen wir die Herausforderung auch an. Ich möchte aber nicht drei US-Amerikaner verpflichten, um am Ende das Schild an die Halle schrauben zu können, dass wir in der Liga spielen. Ist der Fakt, dass wir kein ProB-Standort sind, ein Problem? Für mich nicht. Wir wollen unseren Weg jetzt kontinuierlich fortsetzen. Und das Potenzial ist riesig: Wir haben in den JBBL-Tryout so viele gute Jungs aus der Region gesehen, dass wir aktuell mit 40 Spielern trainieren. Wir können uns schlicht noch nicht festlegen! Offenbar spricht es sich herum, wie wir arbeiten.

Zu guter Letzt: Wer wird deutscher Meister?

(überlegt) Chemnitz hat gute Chancen!

Ich habe die NINERS beim vierten Spiel in Vechta erlebt und muss sagen: wow! Wenn ich Berlin wäre, hätte ich keine Lust auf die …

Bayern wird sicherlich ins Finale kommen, Würzburg hat einfach zu viele Verletzungsprobleme. Bei ALBA fallen auch einige Akteure für die Playoffs aus …

… Gabriele Procida, Matteo Spagnolo und Ziga Samar kehren offenbar nicht zurück …

Also: München hat eine Top-Qualität, vielleicht war die nie höher als momentan. Aber was Chemnitz an Energie ausstrahlt, das ist höchstes Niveau. Ich bin gespannt!


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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga, als Kolumnist für das Delmenhorster Kreisblatt oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.