Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Heute vor 15 Jahren: ein langer Abend und eine kurze Nacht

Niederlage gegen Quakenbrück. Niederlage in Tübingen. Niederlage gegen Göttingen. Niederlage in Berlin.

Das war die schmucklose Ausgangslage, aus der heraus die EWE Baskets Oldenburg am 17. Mai 2009 in die Playoffs der Basketball-Bundesliga starteten. Die Negativserie am Ende der regulären Saison hatte die Vorfreude auf die beste Zeit des Jahres deutlich ausgebremst. Damals, und dieses große Wort darf mit Blick auf die mittlerweile 15 Jahre zeitlichen Abstand mit Recht Verwendung finden, war ich als Verantwortlicher für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Clubs darum bemüht, nach außen ungebremsten Optimismus zu verbreiten und die eigenen Zweifel zu missachten. Gar nicht so einfach.

Was dann allerdings folgte, konnte niemand ahnen.

Zwei Jahre zuvor war uns Predrag Krunic als neuer Headcoach präsentiert worden. Er folgte auf Don Beck, der das sportliche Gesicht des Clubs fünf Jahre lang geprägt hatte, 2007 aber nach dem Verpassen der Playoffs unmittelbar von seinen Aufgaben entbunden wurde. Krunic war uns allen natürlich ein Begriff aus seiner Zeit bei den Telekom Baskets Bonn – ausgerechnet Bonn, würden wir später immer wieder sagen.

Mit ihm kam ein gewisser Rickey Paulding nach Oldenburg, ein schüchterner US-Amerikaner, über den wir eher wenig wussten. Das sollte sich rasch ändern.

Predrag sorgte bei allen Beteiligten für eine neue Basketball-Begeisterung. Seine mitreißende Art, seine unglaubliche Professionalität, seine Passion für das große Ganze: Er hatte uns alle infiziert. Gleich in seiner ersten Saison schlugen die Baskets, nein: wir!, die ungeliebten Bamberger im Viertelfinale. Wir betrachteten mit großer Begeisterung die zunehmend schlechte Laune von Dirk Bauermann und hatten das Gefühl: Was hier passiert, ergibt eine Menge Sinn.

Die zweite Saison wurde dann noch besser. Das einzigartige Trio aus Rickey Paulding, Je’Kel Foster und Jason Gardner, dazu die lange Garde um Ruben Boumtje-Boumtje, Marko Scekic, Jasmin Perkovic und Milan Majstorovic, in jedweder Hinsicht wichtige Akteure wie Miladin Pekovic, Daniel Strauch, Daniel Hain, Jonathan Wallace und Marco Buljevic – was für eine Mannschaft, ein Team im besten Sinne (Bild oben: Ulf Duda/fotoduda.de).

Die vier Niederlagen am Stück sollten in der Rückschau ein vertretbarer Ausrutscher sein. Vielleicht sogar eine Mahnung, die Sinne frisch zu schärfen? Im Playoff-Viertelfinale beendete die Mannschaft die Saison der Skyliners aus Frankfurt, 3:1 hieß es nach durchaus umkämpften Spielen.

Es folgte das Halbfinale, wie schon im Vorjahr kreuzten sich die Wege von Oldenburg und Bamberg – und wieder hatten wir die Nase vorn. Und wie: 3:0 hieß es nach drei packenden Spielen, ein Sweep gegen die Franken, das vorerst höchste der Gefühle.

Und auch was dann folgte, konnte niemand ahnen.

In der Finalserie hieß der Gegner Telekom Baskets Bonn; ausgerechnet Bonn, jener Club, an dessen Seitenlinie Predrag Krunic jahrelang gestanden hatte. Die Endspiele schickten alle Beteiligten durch das berühmte Wechselbad der Gefühle, viermal in Folge gelang es dem heimischen Team jeweils nicht, die Partie für sich zu entscheiden. Ernüchterung nach dem Auftakt vor heimischer Kulisse, neue Euphorie nach dem ersten Auswärtssieg, Enttäuschung nach der nächsten Heimschlappe, Ekstase nach dem souveränen Erfolg im vierten Spiel.

Als die letzte Minute in einem denkwürdigen fünften Aufeinandertreffen angebrochen war, nahm ich das alles nur noch durch einen Filter wahr. Die Fans beider Lager wurden durch alle Emotionslagen geschickt, ein Schleudergang der Empfindungen, während ich mich mit dem Pressesprecher der Basketball-Bundesliga darauf vorbereitete, unmittelbar nach der Schlusssirene für eine Art Ordnung auf dem Parkett zu sorgen. Auch das: gar nicht so einfach!

Wie die allerletzten Sekunden tatsächlich abliefen, musste ich mir später auf dem Bildschirm anschauen. Als ich von meinem Platz hinter der Bande aufgestanden war, um mich in die Spielfeldecke zu begeben (die Fotografen lauerten schon), umschlich mich das Gefühl: Okay, es soll nicht sein.

Kurz danach waren wir deutscher Meister.

Die Magie des Augenblicks erschloss sich mir erst nach und nach. Es stand ja bei aller berechtigten Freude noch die eine oder andere Pflicht an: einen geordneten Ablauf der Siegerehrung garantieren, die Fotografen im Zaum halten, einen Schluck Sekt trinken, Trainerstimmen einsammeln, einen Nachbericht schreiben, noch mehr Sekt. Zwischendurch: großen Respekt empfinden für die Gästefans aus Bonn, die einmal mehr nur Zweiter geworden waren und doch keinen Stress verursachten. Unvergessen das Staunen der zwei Polizeibeamten, die das Geschehen beobachteten und nichts zu tun hatten.

Die Nacht wurde kurz, im „Patio“ im Bahnhofsviertel fand eine spontane Meisterparty statt, Spieler, Fans und andere erlebten einige unvergessliche Stunden und bekamen ausgesprochen wenig Schlaf. Mittendrin verbreitete sich die Nachricht, dass Michael Jackson tot sei. Wir nahmen das vergleichsweise ungerührt hin, denn: Wir waren deutscher Meister! Dezent vernebelt war der Folgetag, inklusive Bad in der Menge auf dem Rathausplatz. Heute, exakt 15 Jahre nach diesem (einmaligen) Coup, wird mir einmal mehr bewusst, was für eine außergewöhnliche Zeit das war. Praktisch in der Mitte meiner insgesamt zehn Jahre im Club gelegen, war es eine Phase, in der ich den besten Job der Welt besaß. Und die EWE Baskets hatten gezeigt, was es heißt, aus einer Ansammlung von Spielern eine echte Mannschaft zu formen. Zugegeben: Etwas Wehmut kommt dabei aus heutiger Sicht schon auf.

(Übrigens: Die Baskets blickten anlässlich ihres 20. Geburtstags auf YouTube noch einmal auf den besonderen Tag zurück.)


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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga, als Kolumnist für das Delmenhorster Kreisblatt oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.