Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

„Wir wollen das fortsetzen“: Herbert-Nachfolger Álex Mumbrú im Gespräch

Álex Mumbrú, am 12. Juni 1979 in Barcelona geboren, kommt momentan ordentlich herum. Nach seinem Besuch beim Auftaktspiel der neuen Saison in der easyCredit Basketball Bundesliga in München war er am Samstag in Oldenburg, reiste am Sonntag nach Hamburg und besucht Anfang dieser Woche Vechta. Am Sonntagvormittag traf ich mich mit dem neuen Trainer der deutschen Basketball-Nationalmannschaft in einem Hotel in Oldenburg, und ich sprach mit dem Spanier über seine ersten Schritte als Nachfolger von Gordon Herbert.

Álex, du folgst als Nationaltrainer auf Gordon Herbert. Wie kam der Kontakt zum Deutschen Basketball Bund (DBB) zustande?

Wir haben irgendwann angefangen, uns zunächst locker auszutauschen. Ich besuchte dann beispielsweise ein Spiel der Nationalmannschaft, und wir setzten unseren Austausch kontinuierlich fort. Ich habe mit den Verantwortlichen beim DBB viele gute Gespräche gehabt, und mit der Zeit wurde es konkreter. Eine solche Entscheidung fällt ja nicht nach einem einzelnen Termin. Als die Sache schließlich besiegelt war, war ich darüber natürlich sehr glücklich.

Ist es für dich etwas Besonderes, erstmals in deiner Karriere als Spieler oder Trainer außerhalb deines Heimatlandes Spanien zu arbeiten?

Ich war ja zuletzt Trainer eines Euroleague-Teams, und da war es die Normalität, in ganz Europa herumzukommen. Unter anderem war ich somit auch in Deutschland zu Besuch, wenn wir in Berlin oder München antreten durften. In den ganzen Wettbewerben ist man doch stets untereinander eng verbunden, und man lernt viele, viele Länder kennen. Als Spieler hatte ich tatsächlich zwischendurch die Idee, außerhalb Spaniens zu spielen, aber es kamen dann immer wieder gute Angebote aus meiner Heimat, sodass ich dortblieb.

Wie viel wird sich an der Art der Arbeit für dich ändern? Als Nationaltrainer ist das alles doch ein wenig anders gelagert im Vergleich zur Position als Headcoach eines Clubs.

Schau dir allein die letzte Saison an: Da kam ich mit Valencia auf gut 80 Spiele. Da heißt es fast die ganze Zeit: spielen, zwei Tage Pause, spielen. Gerade in den Wochen, in denen man in der Euroleague auch noch zwei Begegnungen in einer Woche hat, ist der Takt enorm. Und zwischendrin geht es dann noch darum, an Problemen zu arbeiten und das Team zu verbessern, dazu hat man aber ja über Monate die Gelegenheit. Und: Du kannst über einen langen Zeitraum an der Teamchemie arbeiten. In der Nationalmannschaft sieht das ganz anders aus. Hier kommt es vor allem darauf an, eine gute Beziehung zu den Spielern aufzubauen und mit ihnen jeweils vor den Länderspielfenstern zu sprechen. Die Sache ist ja die: Wenn es hier ein Problem gibt, dann sind die Jungs nach wenigen Tagen ja schon wieder in ihren Clubs verschwunden. Was positiv ist: Die Spieler kennen sich gut, sprechen alle dieselbe Sprache. Das macht die Arbeit insgesamt anders; nicht nur für die Akteure, sondern auch für die Trainer.

Spürst du einen besonderen Druck? Immerhin hast du den amtierenden Basketball-Weltmeister als Trainer übernommen …

(lacht) Als Trainer hat man immer Druck. Du musst immer gewinnen! Egal, auf welchem Level, an jedem Spieltag kommt es darauf an, sich gut zu präsentieren und den Erfolg einzufahren. So ist Sport, so ist das Trainerleben. Und mit Blick auf das kommende Fenster im November stehen wir jetzt vor der besonderen Herausforderung, dass wir ohne NBA- und Euroleague-Spieler antreten müssen. Das macht die Sache nicht einfacher, aber wir sind bereit dafür.

Darauf zielt meine nächste Frage: Wie schwierig ist die Situation vor genau diesem Hintergrund, dass dir in den kommenden FIBA-Länderspielfenstern all die bewährten Kräfte eben nicht zur Verfügung stehen? Oder ist das für dich eher eine gute Möglichkeit, jenen eine Chance einzuräumen, die gewöhnlich nicht in der ersten Reihe stehen?

Zunächst einmal ist das alles ja auch eine Auszeichnung für den deutschen Basketball: Welches andere europäische Land verfügt denn über mehr als 20 Spieler, die in der NBA und in der Euroleague spielen? Ich sehe diese Situation jetzt im November aber nicht als Problem. Es ist eine Chance für die anderen, ihr Level unter Beweis zu stellen und sich weiter zu verbessern. Die Jungs müssen bereit sein. Wir spielen beispielsweise gegen Schweden, die Spieler dort sind seit vielen Jahren zusammen. Und die werden in dieser Konstellation auch bei der Europameisterschaft auflaufen. Gewöhnlich spielt Deutschland wiederum in den Fenstern mit der einen und bei den Turnieren mit einer anderen Mannschaft. Aber: Wenn einer jetzt gut spielt, warum soll er nicht im nächsten Sommer ebenfalls dabei sein? Du siehst: Es ist eine Herausforderung für die Trainer, aber auch eine für die Spieler.

Álex Mumbrú ist neuer deutscher Basketball-Bundestrainer. Bild: DBB/Kröger

Wie klar sind deine Vorstellungen von dem Team, das idealerweise 2025 bei der Europameisterschaft, dem nächsten großen Turnier, für Deutschland auflaufen wird? Normalerweise sind die gesetzten Spieler – und aus der NBA waren bei den Olympischen Spielen ja nicht einmal alle Deutschen dabei – die erste Wahl.

Ich möchte dazu eines vorausschicken: Die besten Spieler ergeben nicht notwendigerweise das beste Team. Das ist mir sehr wichtig. Hier kommen verschiedene Charaktere und verschiedene Rollen zusammen, und all das muss man bei der Zusammenstellung bedenken. In den letzten drei Jahren hat die deutsche Mannschaft in derselben Konstellation zusammengespielt, und sie verfügte über eine großartige Teamchemie. Einige Jungs haben inzwischen die 30 erreicht, und wir müssen von Jahr zu Jahr schauen. Mir ist es auf alle Fälle sehr wichtig, diese besondere Teamchemie mit in die Zukunft zu nehmen.

Hattest du schon die Gelegenheit, mit allen aktuellen Nationalspielern zu sprechen?

Ich habe im Sommer mit allen gesprochen. Jetzt mache ich mich auf die große Reise, um die Spieler live auf dem Spielfeld zu sehen. Und natürlich auch, um mit ihnen persönlich in Kontakt zu bleiben. Gordie hat in den vergangenen Jahren einen grandiosen Job gemacht, und jetzt geht es für mich in erster Linie darum, eine gute Verbindung zu den Spielern aufzubauen.

Der deutsche Basketball hat eine unglaubliche Entwicklung hinter sich. Wenn vor einigen Jahren jemand gesagt hätte, dass wir über einen vierten Platz bei Olympia zunächst einmal sehr enttäuscht sein würden, hätte man ihn mindestens komisch angeschaut …

Das ist so. Gordie hat unglaubliche Arbeit geleistet, und Deutschland hat hervorragenden Basketball gespielt. Und wir wollen das jetzt fortsetzen.

Siehst du es als Vorteil an, dass ein Kern des Nationalteams beim FC Bayern München in der easyCredit BBL spielt?

München hat ein sehr gutes Team zusammengestellt, und tatsächlich treten viele Nationalspieler dort zusammen an. Für uns ist das sehr wichtig. Das macht es auch einfacher, mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Wenn sie dann für Deutschland auflaufen, kann das nur Vorteile haben, da sie sich sehr gut kennen und dem Team helfen können. In der Nationalmannschaft steht uns im Idealfall ja oft maximal ein Sommer für das zur Verfügung, was man im Club die ganze Saison über erreichen kann.

Wie eng hast du den deutschen Basketball als solchen und die Bundesliga im Speziellen bislang wahrgenommen? Oder erfolgt jetzt erst die Phase, in der du dich genauer damit vertraut machst?

Zunächst einmal bin ich jetzt natürlich erst viel dichter dran. Ich mag es sehr, Spieler live in der Halle zu erleben. Das ist ein Unterschied, wenn man sie sonst nur auf dem Bildschirm beobachtet. So kann ich auch genau hinschauen, wie sie sich verhalten, wenn sie ausgewechselt werden. Man hat einen viel besseren Blick für das, was abseits des eigentlichen Spiels passiert. Wer reagiert in welcher Situation auf welche Weise? Ich kann daraus meine Schlüsse ziehen; vor allem vor dem Hintergrund, dass ich beim nächsten Länderspielfenster nur eine Woche Zeit mit den Jungs habe. Ich versuche, so viele Spiele wie möglich live zu sehen. Ich kann natürlich auch nicht überall sein, ich bin ja auch nur ein Mensch. (lacht)

Du warst am Samstag beim Spiel der EWE Baskets Oldenburg gegen die MLP Academics Heidelberg zu Besuch. Nutzt du die Spiele momentan eher, um mit den Clubs in Kontakt zu kommen, oder richtet sich dein Fokus schon ganz besonders auf mögliche Spieler für die Mannschaft? Die nächsten Spiele sind schließlich auch nur noch gut zwei Monate entfernt.

Natürlich schaue ich bei einzelnen Spielern sehr genau hin, weshalb ich an diesem Wochenende auch diese kleine Rundtour unternehme. Es geht aber auch um Grundsätzliches. Ich kenne die Bundesliga ganz gut, aber jetzt möchte ich die Chance nutzen, noch viel näher heranzurücken. Ich komme schließlich aus Spanien, jetzt möchte ich alle Besonderheiten hierzulande verstehen.

Aufmerksamer Beobachter: Álex Mumbrú war beim Heimspiel der EWE Baskets gegen die MLP Academics Heidelberg zu Gast. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Du müsstest beispielsweise sehr angetan davon gewesen sein, was Len Schoormann bei den EWE Baskets am Samstagabend gegen Heidelberg geboten hat. Zumal er auch erst 22 Jahre jung ist, was man bei ihm schnell aus den Augen verliert.

Wir sprachen ja vorhin schon über das enorme Level in Deutschland, allein mit Blick auf all die Jungs in der NBA und in der Euroleague. Wer kann da mithalten? Serbien vielleicht, Frankreich? Und zu Len: Er ist tatsächlich sehr jung, er war sehr gut am Samstag. Und er kann in meinen Augen noch besser werden, er hat noch eine Menge Zeit.

Hast du noch Erinnerungen an deine Spiele gegen Oldenburg? 2013 hast du mit Bilbao beispielsweise die Eurocupsaison der EWE Baskets in letzter Sekunde beendet. Sie durften knapp verlieren, dann kamst du …

Ich erinnere mich ehrlich gesagt nicht mehr so gut, habe aber noch den einen oder anderen Spieler von damals vor Augen. Es waren immer schwere Spiele, die Atmosphäre in der Halle war immer großartig. Aber das zeichnet Deutschland ohnehin aus, ich hatte auch stets einen sehr guten Eindruck, wenn ich mit meinen Teams beispielsweise in Berlin oder München zu Besuch war.

Die Arena war gegen Heidelberg zum 29. Mal in Folge ausverkauft. Der Club denkt intensiv über eine Ausweitung der Kapazität nach.

Ich war sehr beeindruckt, auch vom großen VIP-Bereich. Mein Eindruck ist: Oldenburg ist eine echte Basketballstadt.

Zu guter Letzt: Spanien gewinnt regelmäßig Titel in allen Altersklassen. Gibt es ein Geheimnis dahinter oder folgt das alles schlicht einem guten Plan und dem Vertrauen in den Nachwuchs?

Ganz sicher liegt das an sehr guten Strukturen. Aber lass uns direkt über Deutschland sprechen: Es war eine sehr gute Entscheidung, dass im Zwölferkader sechs deutsche Spieler stehen müssen. Das ist sehr wichtig für die jungen Leute. In Spanien sind es jetzt nur noch vier. Diese Regel spricht in der Zukunft für Deutschland. Bestes Beispiel für die ganze Entwicklung ist die U18, die zuletzt Gold bei der Europameisterschaft gewonnen hat. Jeder Club benötigt gute deutsche Spieler, alle müssen investieren. Das wird sich in Zukunft in allen Altersklassen bei den Erfolgen zeigen, davon bin ich überzeugt.


Der Beitrag hat dir gefallen? Das würde mich freuen. Verbesserungsvorschläge kannst du per E-Mail an mich senden. Und wer sich mit einem kleinen Betrag finanziell beteiligen und mich bei der Weiterentwicklung dieser Seite finanziell unterstützen möchte, kann das unter diesem Link per PayPal tun. Danke für dein Interesse an meinem Blog!

Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet (und beispielsweise hier über Mumbrús Anteil am Oldenburger Ausscheiden 2013 geschrieben), seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga, als Kolumnist für das Delmenhorster Kreisblatt oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.