Als die Spieler der EWE Baskets Oldenburg am vergangenen Sonntag missmutig bis frustriert vom Parkett der Stadthalle in Weißenfels spazierten, dürfte den meisten Interessierten bewusst geworden sein, dass nun etwas passieren musste. Die Frage war nur: was?
Mindestens zwei Optionen gibt es in solchen Momenten. Nummer eins: Die Verantwortlichen können einen kritischen Blick auf den Kader werfen und angesichts der durchaus zahlreichen Fragezeichen hier Veränderungen anstreben. Nummer zwei: Der Trainer rückt in den Mittelpunkt der Diskussion.
Eine dritte Option dürfte eher kein Thema gewesen sein, denn angesichts der Tatsache, dass erst sechs Saisonspiele in der easyCredit Basketball Bundesliga absolviert sind, hätten Geschäftsführer Hermann Schüller und der sportliche Leiter Srdjan Klaric theoretisch auch flammende Appelle an Spieler und Coaches richten können; eine Art letzte Warnung oder Weckruf für das strauchelnde Personal.
Dafür hätten sie allerdings auch einiges andere ausblenden müssen, denn das wackelige Auftreten der Mannschaft in den ersten Saisonwochen war nicht der einzige Faktor, der für zunehmende Unruhe gesorgt hatte. Praktisch blieb ihnen also kaum noch eine Wahl.
Am Montag hatte die Gerüchteküche dann tatsächlich nur wenige Stunden Zeit, um richtig in Gang zu kommen. Zur späten Mittagszeit veröffentlichte der Club die unter dem Strich gar nicht so überraschende Mitteilung, dass Trainer Pedro Calles von seinen Aufgaben entbunden wurde. Sein Nachfolger, auch das angesichts der Umstände wenig überraschend: Mladen Drijencic.
Enorme Vorschusslorbeeren
Mit großen Worten war der Spanier 2022 als neuer Trainer in Oldenburg begrüßt worden. Die EWE Baskets hatten zuvor eine überaus schwierige Zeit erlebt, Ingo Freyer hatte in bester Feuerwehrmanier den Club vor dem Abstieg bewahrt, allerdings keinen Anschlussvertrag erhalten. Für drei Jahre unterschrieb stattdessen Pedro Calles, den die EWE Baskets in ihrer damaligen Pressemitteilung als „einen der besten Trainer der easyCredit BBL“ vorstellten. Der „Wunschtrainer“ solle „ein Eckpfeiler in der neuen strategischen Ausrichtung des Clubs“ werden, hieß es im Mai 2022.
Aus der angestrebten „langfristigen Zusammenarbeit“ wurden de facto keine zweieinhalb Jahre. Man muss konstatieren: Das Projekt ging schief. Die Frage ist nun: warum? Wer darauf einfache Antworten erwartet, unterschätzt die komplexe Welt im Profisport. Trainer, Spieler, Sportleiter – sie alle scheitern nicht an einzelnen Faktoren, sondern letztlich an einer vielfältigen Mischung, die gerade im Sport gelegentlich sehr schnell Fahrt aufnimmt.
Calles ist es in Oldenburg zumindest in der Hauptrunde der Saison 2022/2023 gelungen, den im Rückblick möglicherweise etwas zu euphorisch vorgetragenen Vorschusslorbeeren gerecht zu werden. Nach der phasenweise erschreckenden Spielzeit zuvor kehrten die EWE Baskets in der Liga zurück in die Spitzengruppe, 22:12 Siege führten auf einen guten vierten Platz im Klassement der regulären Saison. Hinzu kamen die positiven Eindrücke vom TOP FOUR in eigener Arena, als beim Halbfinalsieg gegen Ludwigsburg Team und Fans eine echte Einheit bildeten.
Dann kamen die Playoffs – und mit ihnen folgte die große Ernüchterung. Die Niedersachsen waren beim 0:3 im Viertelfinale trotz Heimvorteil klar unterlegen. Wenig überraschend, dass die Playoff-Bilanz von Pedro Calles auf den Tisch kam: Seit dem Halbfinaleinzug 2019 mit Vechta lautete diese nun 0:12.
Die von grotesk vielen Verletzungen geprägte Saison 2023/2024 füllte dann bei all jenen, die das Schaffen von Calles kritisch begutachten, die Tasche mit den Gegenargumenten munter weiter. Bei allem Respekt vor den Umständen: Die Spielzeit war eine Enttäuschung, negativ gekrönt vom leblosen Auftritt im Play-In-Spiel gegen die Veolia Towers Hamburg.
Und so ging der Headcoach, der seit 2012 ununterbrochen in Deutschland arbeitet, mit großem Druck in seine dritte Oldenburger Saison. Das Pokal-Aus in Frankfurt, bei dem sich die EWE Baskets phasenweise in abstruser Verfassung präsentierten, dürfte im Rückblick wohl der eingangs erwähnte letzte Weckruf gewesen sein, und die schmeichelhaften Siege gegen übermüdete Ulmer und – mit Verlaub – irrlichternde Bamberger konnten die grundsätzliche Misere nur noch mühsam verdecken.
Der doppelte Rückkehrer
Nun also die Trennung von Calles und die zweite Rückkehr von Mladen Drijencic. Der war im vergangenen Sommer nach seinem Engagement beim Zweitligisten aus Bayreuth wieder in die Huntestadt gezogen und fungierte hier bis zum Wochenende als Trainer im Nachwuchsbereich. Nach der örtlichen Rückkehr folgte die ins Traineramt, der 59-Jährige übernimmt den Posten an der Seitenlinie „bis Saisonende“, wie es am Montag hieß.
Diese Entscheidung dürfte bei der großen Mehrheit der Oldenburger Fans auf Zustimmung treffen. Das Ansehen von Drijencic war beispielsweise beim großen Abschied von Rickey Paulding zu spüren. Als der Headcoach in der Arena ebenfalls geehrt wurde, gab es minutenlange Standing Ovations.
Drijencic steht vor einer schweren Aufgabe. Die Mannschaft wirkt in Teilen verunsichert, Spieler wie Kyle Rode oder Aleksandar Zecevic mussten in den vergangenen Spielen den Eindruck gewonnen haben, immer weiter ans Ende der Reservebank zu rücken und im schlechtesten Fall ganz herauszurutschen. Der neue Trainer wird nicht nur viel in Sachen Taktik und Strategie mit dem Personal arbeiten, sondern auch in Gesprächen dem einen oder anderen frisches Selbstvertrauen einpflanzen müssen.
Die Verantwortlichen rücken nun ebenfalls noch etwas mehr in den Fokus. Während sich einerseits brennend aktuelle Fragen rund um die tatsächliche Klasse des Kaders stellen, müssen Schüller und Klaric andererseits den Blick einige Monate in die Zukunft richten. Denn: Wer wird im Sommer 2025 neuer Trainer? Die Entscheidung für Drijencic wird explizit als „kurzfristige Rückkehr“ bezeichnet. Und: Wo wird ein solcher gefunden, der den eingeschlagenen strategischen Weg mitgeht?
Möglicherweise geraten die Club-Bosse an anderen Standorten jetzt ein wenig in Unruhe, denn die Oldenburger locken noch immer mit stattlichen finanziellen Möglichkeiten. Seit einiger Zeit allerdings ist nur noch der Etat in den Top Fünf der Liga, das sportliche Abschneiden rangiert im Mittelmaß.
In den Debatten rund um die Baskets, die online oder auch nach den Spielen beim Kaltgetränk vernehmbar sind, wird eine vierte Option bei kritischen sportlichen Entwicklungen übrigens lauter: Welchen Anteil haben die Entscheider an alledem? Einfache Antworten gibt es auch hier gewiss nicht. Leiser werden die Diskussionen allerdings nur, wenn der Club seine bemerkenswerte Entwicklung bei der Arenaauslastung und der Stärkung der Infrastruktur (Stichwort: Campus) nun rasch auch wieder auf dem Parkett fortsetzt. Denn nur hier entscheidet sich das Wohl und Wehe im Profisport.
In der neuen Folge des Podcasts „Dyn Timeout“ spreche ich ab Minute 06:15 mit Robert Heusel, Florian von Stackelberg und Rupert Fabig über die Lage bei den EWE Baskets:
Der Beitrag hat dir gefallen? Das würde mich freuen. Verbesserungsvorschläge kannst du per E-Mail an mich senden. Und wer sich mit einem kleinen Betrag finanziell beteiligen und mich bei der Weiterentwicklung dieser Seite finanziell unterstützen möchte, kann das unter diesem Link per PayPal tun. Danke für dein Interesse an meinem Blog!
Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet (und beispielsweise hier über Mumbrús Anteil am Oldenburger Ausscheiden 2013 geschrieben), seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga, als Kolumnist für das Delmenhorster Kreisblatt oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.