Im Sommer 2024 wechselte der US-Amerikaner Justin Jaworski (Foto oben: Ulf Duda/fotoduda.de) nach Oldenburg. Beim Basketball-Bundesligisten EWE Baskets setzt er das, was er zuvor in Heidelberg gezeigt hat, munter fort: Der 25-Jährige ist ein echter Scorer. Im Interview spricht er über seine Zeit in den USA, den Traum von der NBA und über die Situation in Oldenburg.
Justin, du hast in der Highschool sowohl Basketball als auch American Football gespielt. Warum hast du dich für das eine und damit gegen das andere entschieden?
Für mich war die Entscheidung recht einfach: Ich habe Basketball immer sehr geliebt. Im Football war ich auch ganz gut, aber ich hatte dort nicht dieselbe Motivation, die entsprechende Arbeit zu investieren. Es hat Spaß gemacht, keine Frage, und viele meiner Freunde haben ebenfalls Football gespielt. Beim Basketball war das aber noch etwas anders: Da machte mir die Arbeit noch mehr Spaß. Ich habe es immer geliebt, auf eigene Faust in die Halle zu gehen und mich zu verbessern. Es haben mich schon einige andere gefragt, ob ich verrückt sei, diese Entscheidung zu treffen; für mich war das ein logischer Schritt.
Eventuell auch aus Furcht vor einer verletzungsträchtigen Sportart wie Football?
(lacht) Das könnte man meinen. Aber: Ich habe mich beim Basketball viel häufiger verletzt! Ich habe mir mein Kreuzband gerissen, meine Schulter ausgekugelt – alles beim Basketball. Beim Football ist mir nie etwas passiert.
Es folgten vier Jahre am College, im letzten mit nur 15 Spielen. Gab es erneut Verletzungen?
Am Ende meines dritten Collegejahres zog ich mir eine Kreuzband- und Meniskusverletzung zu. Aber im vierten Jahr war dann alles wieder gut, allerdings gab es schlicht weniger Spiele wegen der Covid-Pandemie.
Wie besonders ist es, College-Basketball in der NCAA zu spielen? Wann immer man mit Spielern spricht, die das erlebt haben, wird deutlich, wie sehr sie es genossen haben …
Es ist speziell. Und heute sogar noch mehr als in den vergangenen Jahren. Als ich dort aktiv war, bekamen die Spieler kein Geld. Heute hingegen werden hohe Summen bezahlt, es gibt sehr viele Wechsel. Das ist schon verrückt, wie verändert die Teams in jeder Saison aussehen können. Es ist eine Form von Chaos mit zahlreichen Überraschungen bei den Ergebnissen. College Basketball ist auf alle Fälle ein großes Vergnügen!
Verfolgst du die Spiele noch?
Nicht ganz so intensiv. Ich schaue natürlich, was mein ehemaliges Team aus Lafayette macht, und ab und an checke ich die Spiele der großen Colleges. Das wird dann aber wieder mehr, wenn March Madness startet.
Es ist ja auch ein Problem der Zeitverschiebung, schließlich laufen die Spiele hier oft mitten in der Nacht. Nach deiner Zeit am College hast du einen Vertrag beim NBA-Club Oklahoma City Thunder unterschrieben, bist allerdings nie in der Liga aufgelaufen. Stattdessen hast du eine Saison in der G-League verbracht. Wie groß war dein NBA-Traum?
Es war eine großartige Erfahrung, in den Training Camps dabei zu sein, wo man mit den NBA-Jungs zusammengearbeitet hat. Für mich persönlich lebt dieser NBA-Traum weiter! Warum bin ich hier? Ich möchte die Leiter hinaufsteigen und das höchstmögliche Level für mich selbst erreichen. Falls sich die Gelegenheit ergeben sollte, wieder in die USA zurückzukehren und in der NBA spielen zu können, würde ich es sehr gern wahrnehmen.
Nach der Saison in der G-League hast du deine professionelle Karriere in Europa fortgesetzt und gingst nach Spanien. Wie schwer fiel dieser Orts- und Perspektivwechsel?
Ich lebte in einer wirklich schönen Stadt, praktisch am Strand in San Sebastián. Es war schon ein kleiner Kulturschock, schließlich war ich erstmals außerhalb meiner Heimat unterwegs. Das war eine große Veränderung. Aber im Hinblick auf den Basketball war es recht unkompliziert, mich umzugewöhnen. Wenn du ein Werfer bist, kommst du überall zurecht. Da gibt es nicht viel zu übersetzen. Ich hatte prima Teamkollegen und kam mit den Trainern gut klar. Basketball war meine Komfortzone, und das hat die ganzen anderen Umstellungen in einem fremden Land deutlich vereinfacht.
Mit Blick auf andere Beispiele bekommt man ohnehin den Eindruck, dass Profis im ersten Jahr außerhalb der USA weniger mit dem Basketball zu kämpfen haben als mit der Tatsache, abseits der Freunde und Familien auf eigenen Füßen stehen zu müssen …
Das ist sicherlich so. Du kennst niemanden, dir ist die fremde Sprache nicht vertraut. Alles ist anders. Für mich war das aber eine tolle Erfahrung. Und als ich nach Deutschland kam, war es wirklich sehr einfach. Alle sprechen Englisch, alle sind sehr freundlich und offen. Das war in Heidelberg so und ist hier in Oldenburg nicht anders.
Zwischendurch gab es noch eine Station in Italien, dort bist du aber nicht so lange geblieben.
Das war nur für einige Monate. Tatsächlich hatte ich einen Zwei-Jahres-Vertrag. Dann habe ich mir, wie eingangs erwähnt, die Schulter ausgekugelt. Ich wurde nach Heidelberg ausgeliehen. Dort habe ich offensichtlich überzeugt, denn Oldenburg entschied sich, mich zu verpflichten. Dafür wurde dann mein Vertrag in Italien aufgelöst, eigentlich würde ich da dem alten Kontrakt zufolge jetzt immer noch spielen.
Als du nach Heidelberg kamst, steckte das Team in massiven Schwierigkeiten. Zuvor hatte es nur drei Siege gegeben, der Club war akut vom Abstieg in die Zweite Liga bedroht. Das hieß: großer Druck. Wie bist du damit umgegangen?
Als ich dort ankam, waren noch zwölf Begegnungen zu spielen. Ich habe zu den Jungs gesagt: Hey, für uns ist jetzt jede Partie ein Playoffspiel! Ich mochte diese Herausforderung. Als ich mit Ingo Freyer und der Club-Führung gesprochen habe, haben sie mir gesagt: Wir brauchen deine Hilfe. Wir geben dir den Ball in die Hand, du triffst die Entscheidungen – lass dir was einfallen. Klar, das war schon eine Menge Druck, aber als professioneller Spieler willst du das doch. Du bekommst eine Menge Verantwortung, das hat mit gefallen. Das war wirklich eine sehr gute Erfahrung.
Der Stil von Ingo Freyer dürfte deiner Art, Basketball zu spielen, zudem sehr entgegengekommen sein …
Ganz sicher. Wenn du ein Scorer und auf der Guard-Position zu Hause bist und dann für Ingo spielst, ist das perfekt. Er gibt dir Freiheiten, er bringt dich in aussichtsreiche Positionen – ich habe das sehr genossen.
Schließlich kamst du im Sommer 2024 nach Oldenburg. Wie sind deine Eindrücke – sportlich und auch abseits des Courts?
Ich mag es hier sehr gern. Wir haben einen sehr guten Kader, ich mag die Jungs sehr, alle kommen gut miteinander aus. Meine Frau ist mit mir hier, das macht das Leben noch angenehmer. Die Menschen sind freundlich, es gibt ausgezeichnetes Essen. Ich liebe es, Golf zu spielen, und es gibt hier eine Menge schöner Plätze.
Hast du schon mit Geschäftsführer Hermann Schüller, der ein begeisterter Golfer ist, gespielt?
Ja, das haben wir schon zusammen gemacht. Eli war noch mit dabei und unser Assistenztrainer Franjo. Wie hieß der Platz noch? Irgendetwas mit „am Meer“ …
… in Bad Zwischenahn im schönen Ammerland …
Ich gehe da auch jetzt zwischendurch hin, wenngleich es ziemlich kalt ist. Ohnehin das Wetter: Das ist hier etwas schwierig. (lacht)
Der Start in die Saison war nicht ganz einfach. Ihr seid im Pokal ausgeschieden, nach den ersten sechs Spielen wurde schließlich Headcoach Pedro Calles beurlaubt. Hat dich diese Entscheidung überrascht?
Für mich war das schon eine große Überraschung. Wir hatten eine wirklich problematische Preseason mit vielen Verletzungen. Die Probleme haben wir in die Saison mit hineingenommen, wir sind mehrmals ohne Point Guard angetreten, dann wieder ohne Center. Wir hatten einiges an Pech. Ich dachte: Wir spielen zwar noch nicht unseren besten Basketball, aber wir bleiben zusammen. Nun, der Club hat die Entscheidung getroffen, eine Veränderung herbeizuführen. Und unser Job ist es, Basketballspiele zu gewinnen – unabhängig davon, wer der Coach an der Seitenlinie ist. Wir haben die neue Ausgangslage so gut wie möglich angenommen, aber es braucht gewiss eine Weile, bis wir uns auf Mladens Stil ganz eingestellt haben. Wir werden besser und setzen diesen Prozess fort.
Ein Trainerwechsel mitten in der Saison stellt doch sicherlich eine besondere Herausforderung dar. Schließlich hatte man unter anderem keine gemeinsame Preseason.
Absolut! Ins erste Spiel mit Mladen gingen wir ohne Geno und Eli, beide waren verletzt. Zuvor hatten wir drei Tage gemeinsam trainiert. Und dann geht es gleich auswärts gegen ein Playoffteam. Dafür haben wir uns gut präsentiert, auch wenn wir verloren haben. Die FIBA-Pause hat uns dann gutgetan, es geht Schritt für Schritt vorwärts und alle ziehen am selben Strang.
Bei den Ergebnissen fällt der enorme Unterschied zwischen Heim- und Auswärtsspielen auf. Zu Hause seid ihr bei 6-1, auswärts bei 0-7. Was muss passieren, um die Bilanz zu verbessern?
Worauf es ankommt, und das betrifft nicht nur Auswärtsspiele: Wenn wir verteidigen, können wir jeden in der Liga schlagen. Wir haben ein solch großes Offensivpotential. Mein Collegetrainer hat immer gesagt: Beim Werfen gibt es ein Auf und Ab, aber was du – auch auswärts – immer kontrollieren kannst, das sind die Intensität in der Verteidigung und die Arbeit beim Rebound. Für uns heißt das: Wenn wir diese Dinge kontrollieren, dann haben wir auch in Spielen eine Chance, in denen wir nicht so gut treffen. Und letzteres passiert halt ab und an. Die Defense ist der Schlüssel, um die Bilanz zu reparieren. Jetzt haben wir aber erst einmal ein Heimspiel, also konzentrieren wir uns lieber darauf. (lacht) Wir werden uns verbessern, da es Fehler sind, die man in den Griff bekommen kann.
Siehst du in der Verteidigung eher individuelle Versäumnisse oder betrifft es das ganze Team, beispielsweise in der Kommunikation oder beim Switchen?
Es ist sicherlich von allem etwas. Wir haben einen neuen Trainer und damit auch ein neues System. Da kommt es im Anpassungsprozess dann natürlich zu Versäumnissen, da wir Dinge machen, die wir vorher nicht so gemacht haben. Jetzt gibt es aber keine Ausreden mehr, denn wir kennen das System und unsere jeweiligen Verantwortlichkeiten. Wenn nun in den Rotationen etwas schiefläuft, ist das unser Fehler.
Mein Eindruck war, dass unter Pedro Calles in der Verteidigung oft so am Limit gespielt werden sollte, dass in der Offensive die ruhige Hand abhandenkam.
Das System von Pedro ist sicherlich sehr anspruchsvoll. Es wird viel gepresst, oft auf dem ganzen Court, jeder soll zum Offensivrebound. Das System jetzt unterscheidet sich davon sehr, daher gab es eben auch die erwähnten Anpassungsprobleme.
Am vergangenen Wochenende habt ihr gegen Ludwigsburg gespielt. Es sah zuweilen mehr nach einem Kampf als nach einem Basketballspiel aus. Magst du solche Partien?
Mir persönlich macht das sogar Spaß. Die Ludwigsburger erzeugen einen solch hohen Druck, und in manchen Phasen muss man es einfach laufen lassen. Wir konnten unsere Intensität aber auch immer wieder hochfahren. Ich war sehr stolz auf die Art und Weise, wie wir darauf reagiert haben. Wir haben in gewisser Weise gewonnen, indem wir ihren Spielstil übernahmen. Wir wollten natürlich mehr Punkte erzielen, aber wir haben sie bei 64 Punkten gehalten. Das war ein großer Schritt, auf dem wir aufbauen können.
Vielleicht wirkt das Spiel als mentaler Gamechanger?
Sicherlich, denn schau mal: Wenn wir ein Spiel gewinnen können, in dem wir fünf von 29 Dreiern treffen, wie sieht es dann erst aus, wenn wir bei diesem Einsatz 15-mal aus der Distanz erfolgreich sind? Wie gesagt: Wir können jeden besiegen.
Wo siehst du das größte Potenzial für euch; sowohl defensiv als auch offensiv?
Defensiv weiß nun wirklich jeder, worauf es ankommt. Es gibt keine Ausreden. Dort müssen wir nun immer noch ein bisschen besser werden. Wir werden jetzt sicherlich nicht jeden Gegner bei 64 Punkten halten, aber für uns kann es ein sehr gutes Ziel sein, jeden Gegner unter 80 zu halten. Und wenn wir das schaffen, werden wir sehr viele Spiele gewinnen. Und in der Offensive? Wir haben viele sehr gute Spieler, mit denen die Zusammenarbeit wirklich Spaß macht. Eins muss ich aber hervorheben: Geno ist der beste Point Guard, den ich je an der Seite hatte. Wir haben insgesamt einen wirklich explosiven Backcourt, zu dem ja auch noch Ty hinzugekommen ist. Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass die Mannschaft um die Guards herum aufgebaut ist, und ich freue mich darauf, das jetzt fortzuführen.
Was erwartest du vom Spiel gegen Würzburg?
Die Gegner ähneln uns in ihrer Aufstellung. Sie haben beispielsweise einen Point Guard, der viele Punkte erzielt, ein anderer ebenso gefährlicher Mann kommt von der Bank. Das ist wie bei uns. Von der Philosophie her sollte das ein Spiel sein, dem man gern zuschaut. Vielleicht dürfen sich die Fans auf einen Abend mit vielen Punkten freuen. Ich erwarte von uns natürlich einen Heimsieg, das sollte ohnehin unsere Mentalität sein.
Nur auf die außergewöhnlichste Frisur der Liga müssen wir verzichten, Zac Seljaas ist verletzt …
(lacht) Es ist jetzt das zweite Mal, dass ich in dieser Liga gegen Würzburg spiele, und es ist das zweite Mal, dass er nicht dabei ist. Ich sehe ihn aber ständig – auf der Liga-Website ist gefühlt jedes zweite Startseitenfoto von ihm.
Er ist eigentlich einer, den man gern auf dem Parkett sieht, wenn es gegen Würzburg geht. Vielleicht ein Vorteil für euch am Samstag, wenngleich die FIT/One Baskets einen neuen Spieler mitbringen …
Ich möchte selbst auch gern immer gegen einen Gegner in Bestbesetzung spielen. Auch wenn wir auf die Euroleague-Teams treffen: Ich brenne darauf, gegen die Besten antreten. Ich möchte ohnehin niemanden verletzt sehen, außerdem liebe ich den sportlichen Wettkampf. Aber, wenn es uns einen kleinen Vorteil verschaffen sollte, nehme ich den in diesem Fall auch.
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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga, als gelegentlicher Experte am Mikro bei den EWE Baskets oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.