Im vergangenen Sommer vermeldeten die EWE Baskets Oldenburg die Verpflichtung des US-Amerikaners Trey Drechsel. Die Bedeutung des Akteurs für das Team des neuen Trainers Pedro Calles ließ sich schon aus der Tatsache ablesen, dass die Niedersachsen dem bisherigen Club Drechsels, Euroleague-Teilnehmer Partizan Belgrad, eine Ablösesumme überwiesen. Mit 15,3 Punkten pro Partie und einer Dreierquote von 45,1 Prozent in den ersten zehn Spielen der Saison in der easyCredit Basketball Bundesliga zählt der 26-Jährige längst zu den Leistungsträgern. Bei einem ausführlichen Gespräch im Oldenburger CORE blickte er zurück auf seine bisherige Karriere und sprach über die laufende Saison in Oldenburg. Ein abschließender Kaffee durfte selbstredend auch nicht fehlen.
Trey, in deinen Videos, die du regelmäßig veröffentlichst, sehe ich dich immer beim Kaffeetrinken und bei der entsprechenden Zubereitung. Seit wann hat dieser Genuss eine solche Bedeutung für dich?
Bevor ich zum Basketballspielen nach Europa gekommen bin, habe ich im Grunde gar keinen Kaffee getrunken. Ich habe es nicht einmal probiert. Das mag an meinen Eltern gelegen haben, die tranken Unmengen. Da dachte ich: Wenn ich damit anfange, endet das bei mir möglicherweise genauso. Als ich für mein erstes Profijahr nach Serbien kam, hat sich das dann schlagartig geändert. Das hatte einerseits mit der Kaffeekultur in Europa zu tun und außerdem damit, dass wir so wahnsinnig oft und viel trainiert haben. Da brauchte ich Energie! Ich schaffte mir eine Espressomaschine an und dachte: Das ist das Coolste auf der Welt. Als ich dann aber wieder in den USA war, lernte ich über einen Freund ein paar andere Formen der Zubereitung kennen. Und auch mein Geschmack für Kaffee hatte sich verändert. Inzwischen habe ich ernsthafte Pläne, nach meiner Basketballkarriere eine Kaffeebar zu eröffnen.
Liegt dein Kaffeeparadies in den Staaten oder in Europa?
Ich komme aus Seattle, und dort gibt es eine wirklich gute Kaffeekultur. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: Drüben regiert oft noch das Thema Geschwindigkeit, hier geht das in eine andere Richtung. Hier steht oft ein eher langsamer Prozess im Mittelpunkt, und das gefällt mir sehr gut. Das betrifft auch das Trinken selbst. Man sollte Kaffee nicht runterstürzen, sondern es als Chance begreifen, eine echte Pause im Tag einzulegen und ihn zu genießen.
Du hast vermutlich schon das kleine, aber feine „Käthe“ in Bahnhofsnähe entdeckt?
Aber sicher! Dort habe ich mir auch das ganze Zubehör besorgt, um zuhause den richtigen Kaffee zubereiten zu können. Ein Bekannter aus den USA hat bei Google nach dem besten Shop für Kaffee in Oldenburg gegoogelt und fand: Käthe Kaffee.
In deinen Videos sehe ich oft auch Bücher.
Wenn ich richtig abtauchen möchte, greife ich gerne zu historischen Romanen oder Krimis. Ich liebe es, Stunden am Stück zu lesen. Ich versuche aber auch, jeden Tag so zehn bis 15 Seiten in einem Sachbuch voranzukommen. Gerade lese ich zum Beispiel „The Empire of Pain“. Ich mag es, meinen Horizont auf diese Weise zu erweitern. Aber wenn es darum geht, einfach abzuschalten und einzutauchen, greife ich zu einem Roman mit fiktiver Geschichte.
Klappt das auch bei eure zuweilen schier endlosen Busreisen durch die Republik?
Ich versuche das immer wieder. Leider wird mir beim Lesen im Auto oft übel, das passiert merkwürdigerweise nicht, wenn ich mir bewegte Bilder anschaue. Am Ende lasse ich es bleiben.
Deine Verlobte kam vor Kurzem aus den Staaten nach Oldenburg.
Sie kam in der Saisonpause während der Länderspiele. Es gefiel ihr sofort sehr gut hier. In Polen war es eine komische Situation, da kein anderer aus dem Team eine Freundin oder eine Ehefrau hatte. Sie war ein paar Monate bei mir, im Grunde hatte sie aber keine andere Bezugsperson. Das ist hier in Oldenburg anders, es geht viel familiärer zu. Wir arbeiten schon an dem Plan, dass sie länger bleiben kann. Irgendwann im März oder April wird sie aber spätestens in die Staaten zurückkehren, schließlich muss die Hochzeit im Sommer vorbereitet werden. (lacht)
Gehört es zu den negativen Aspekten des Profidaseins, länger voneinander getrennt zu sein?
Wenn man verlobt oder verheiratet ist, ist das natürlich eine schwierige Situation. Man ist zusammengewachsen, und da ist es nicht so schön, länger an getrennten Orten zu leben. Wenn man in ganz jungen Jahren noch nicht die ganz großen gemeinsamen Pläne hat, dann übersteht man das vielleicht besser. In meinem ersten Jahr in Serbien waren wir rund acht Monate voneinander getrennt, das war definitiv eine harte Zeit. Ich fühle mich aber auch meiner Familie sehr nahe, daher ist es von Jahr zu Jahr wieder schwierig, damit umzugehen, dass man seine Eltern beispielsweise einige Monate lang nicht sehen wird.
Lass uns über Basketball sprechen! Du hast am College zunächst für Western Washington gespielt, bevor du noch ein Jahr für Grand Canyon aktiv warst. Wie kam es dazu?
Das nennt sich „Graduate Transfer“. Du machst an der einen Uni deinen Abschluss und gehst an eine andere, um einen Master zu erwerben. Das war damals der einzige Weg, um gemäß der strikten Regeln ein Jahr Spielpause zu umgehen. Das ist nicht ganz ungewöhnlich, aber etwas Besonderes wurde es für mich dadurch, dass ich von einem NCAA-2-College zu einem wechselte, das in der NCAA 1 spielt. Ich wollte einfach schauen, ob ich auf dem Level spielen kann. Wobei wir für ein NCAA-2-Team echt gut waren: Ich bin nicht der Einzige, der in Europa Profi geworden ist. Das wiederum ist ungewöhnlich.
Für dein erstes Jahr als Profi kamst du nach Serbien. Entsprach das deinen Erwartungen?
Ich hatte nicht die absoluten Superzahlen, als ich mit dem College fertig war. Da hatte es auch mein Agent nicht ganz leicht, mich in Europa anzubieten. Also musste ich mich entscheiden: zwischen einem wirklich lukrativen Jobangebot in den USA und dem Plan, es als Profi zumindest zu versuchen. Vor allem mein Dad sagte: Wenn du diese Chance hast, dann musst du es ausprobieren! Serbien war eine durchaus wilde Erfahrung. Für mich und meine Spielweise passte es aber zu der dortigen Einstellung, denn die lautete: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Die Härte im Spiel hat mir für meine weitere Karriere sehr geholfen. Also: Ja, ich hätte mir durchaus andere Länder zum Start vorstellen können, aber andererseits hat es mich auf dem Weg zu dem Spieler, der ich heute bin, vorangebracht. Ich bin stolz auf diese Zeit.
Dann hast du das Interesse von Partizan geweckt.
Ich spielte für Mladost und die Clubs haben eng zusammengearbeitet. Es hieß: Wenn du gute Leistungen bringst, wirst du für Partizan interessant. Ich wusste aber auch: Sie suchen nicht zwingend nach einem amerikanischen Spieler wie mir. Andrea Trinchieri war damals Trainer bei Partizan. Es gab ein Spiel, in dem ich wirklich herausragende Zahlen aufgelegt habe. Am nächsten Tag war Training, und wir waren vor Partizan dran, die in derselben Halle trainierten wie wir. Mitten im Training stand dann Trinchieri am Rand und rief hinein: Wo ist der Junge, der 37 Punkte gemacht hat? Du glaubst nicht, wie unser Trainer geschaut hat. Am Ende hat mich dann der Manager von Partizan unter Vertrag genommen, weil er mich mochte. Es war neulich beim Spiel von uns in München etwas komisch, Andrea Trinchieri wiederzusehen. Ich weiß nicht, ob er sich noch an mich erinnert. Ich werde diese Begegnung in Belgrad mit ihm aber sicher nie vergessen.
Du wurdest von Partizan direkt wieder ausgeliehen: zunächst an Mladost, dann nach Polen zu Slam Stal Ostrow. Wie lief das Jahr dort?
Ich hatte die Saisonvorbereitung noch mit Partizan bestritten, war allerdings der einzige US-Amerikaner im Team, der nicht vom neuen Trainer Zeljko Obradovic verpflichtet worden war. Er hatte seine Leute und seine Vorstellungen, im Trainingscamp waren meine Leistungen ordentlich. Allerdings erholte ich mich gerade von einer Operation an meiner Wurfhand, daher waren die Abläufe noch nicht wieder so sauber wie gewohnt. Wir haben uns dann zusammengesetzt, und er hat mir eine limitierte Rolle mit überschaubaren Minuten angedeutet. Er war absolut ehrlich zu mir und empfahl mir, woanders hinzugehen, um auf mehr Spielzeit zu kommen. Das war natürlich ein ungünstiger Zeitpunkt, schließlich stand überall der Saisonstart kurz bevor. Einige Möglichkeiten waren schon vom Tisch. Ich habe mich dann für Polen entschieden. Es war ein Champions-League-Team, aber eines ohne ganz großen Druck. Für mich hat es sich dann als gute Wahl erwiesen, denn ich konnte erstmals auf diesem Niveau mit richtig guten Spielern aus den USA zusammen auflaufen. Und ich lernte, Basketball mit System zu spielen. Das war zuvor in Serbien anders: Run and gun, macht ein paar Punkte, probiert was aus.
Klingt ein bisschen nach dem Basketball in Oldenburg, der am Ende den Klassenerhalt gebracht hat: Hier ist der Ball, habt Spaß!
Exakt! Das war genau das, was wir in Serbien gemacht haben. Also: Polen war im Rückblick eine gute Erfahrung. Es gab intensive Verteidigung, klare Systeme. Das hat es mir auch ein wenig leichter gemacht, mich an die Spielweise von Pedro Calles zu gewöhnen. Es war in Polen aber auch durchaus anspruchsvoll, denn ich musste mich von einem klaren Leader zu einem Rollenspieler entwickeln. Und auch abseits des Parketts war es nicht immer einfach, vor allem für meine Verlobte und unsere Beziehung, aber: Wir haben das Beste daraus gemacht. Und am Ende gingen wir mit vielen Siegen und gutem Schwung in die Playoffs, nur um dort rausgesweept zu werden. Das zeigte mir: Wir waren nicht zu einer echten Gruppe geworden, der es auch gelingt, durch harte Momente zu gehen. Eine letztlich enttäuschende Saison, aber ich habe viel gelernt.
Dann kam im vergangenen Sommer das Angebot aus Oldenburg.
Am Ende meiner zweiten Saison in Serbien gab es einige Angebote aus der Basketball Bundesliga, darunter eines von Pedro Calles aus Hamburg. Als ich nun zum zweiten Mal ein Angebot von ihm bekam, habe ich noch am selben Tag gesagt: Das ist es! Für mich war im Rückblick klar, dass es für mich viel besser gewesen wäre, schon vorher nach Hamburg und zu Pedro zu gehen. Daher muss ich sagen: Ich habe zuallererst einmal in Oldenburg unterschrieben, da ich wusste, dass er hier als Trainer arbeiten wird. Und dann kommt hinzu, dass ich viel über die lange Geschichte des Clubs gehört habe. Vor allem über die Konstanz, mit der Oldenburg über die Jahre aufgetreten ist und eigentlich immer ein Playoffteam war. Und eines darf man auch nicht vergessen: Alle wissen, dass in Deutschland das Gehalt pünktlich gezahlt wird. Diese frühe Festlegung auf Oldenburg hat mich in dem Sommer sehr beruhigt, da ich mich auch noch mit Verletzungssorgen herumgeplagt habe.
Die Erwartungen in Oldenburg sind sehr hoch, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der vergangenen Saison, die – gelinde gesagt – nicht ganz so optimal verlaufen ist. Bist du mit Blick darauf zufrieden, wie ihr aktuell dasteht?
Wenn ich mir anschaue, welche Spieler hier verpflichtet worden sind und dass Pedro als Trainer geholt worden ist, darf man schon davon sprechen, dass hier ganz automatisch hohe Erwartungen aufkommen. Insgesamt denke ich schon, dass wir bisher einen überwiegend ordentlichen Job gemacht haben. Wir müssen aber vor allem noch besser darin werden, ein komplettes Spiel zusammenzubringen. Was gleichermaßen ernüchternd, aber eben eigentlich auch die beste Nachricht ist: Wir sind noch lange nicht dort, wo wir sein wollen. Eine gute Nachricht ist es, weil es ja nicht so sein darf, dass wir jetzt schon auf atemberaubendem Niveau agieren – und in den Playoffs können wir dann nicht mehr zulegen. Wir sind auf dem richtigen Weg. Es entwickelt sich eine echte Identität. Und auch eine Idee, wie wir Spiele gewinnen können. Das gilt auch für die Partie in München – wir haben zwar nicht gewonnen, wir haben uns dort aber als wettbewerbsfähig gegen diesen Gegner gezeigt. Es gibt noch eine Menge zu tun. Insgesamt sind wir eine Gruppe von Spielern, die nie zufrieden ist, und das ist vielleicht das Beste, was man über eine Mannschaft sagen kann. Man muss nicht das talentierteste Team sein, aber immer eines, dass am Ende versteht, wie man den Sieg einfährt. Diese Kultur entwickeln wir.
Das klingt nach viel Arbeit.
Ja, aber dafür haben wir die richtigen Spieler. Das fängt schon damit an, dass alle pünktlich kommen. Es ist das erste Mal in Europa, dass ich mich in diesen Dingen nicht wie eine Art Ausreißer fühle, was Pünktlichkeit, harte Arbeit und den nötigen Fokus angeht.
Bist du mit deiner persönlichen Situation im Team zufrieden?
Zufriedenheit ist nie das richtige Wort. Aber gerade mit Blick auf die vergangene Saison bin ich sehr dankbar, endlich ganz gesund zu sein. Meine Hand fühlt sich endlich wieder richtig gut an. Ich habe an mich selbst hohe Erwartungen. Ich möchte ein Gespür dafür entwickeln, wann mehr Aggressivität im Spiel nötig ist, und wann man sich auch mal zurücknehmen muss. Das Gute ist: Die Charakteristik des Teams entspricht meiner eigenen, das ist eine gute Basis. Ich möchte ein Anführer in meiner Rolle sein. Und zum Stichwort Anführer: Wir haben zwei von ihnen im Team: Max und DeWayne. Und immer, wenn sie etwas Großartiges tun, motiviert mich das nur umso mehr, auch etwas für das Team zu tun. Es gibt inzwischen einige gute Momente in meinem Spiel, aber ich sehe noch so viel Verbesserungspotenzial. Das passt aber ja zu dem, was ich eben gesagt habe: Im Grunde sind das gute Nachrichten!
Du sprachst gerade über Max und DeWayne. Wenn Fans und Medien über die EWE Baskets Oldenburg sprechen, dann dreht es sich im Kern momentan um diese Fakten: den Einfluss des neuen Trainers Pedro Calles, die defensive Energie von Max DiLeo und die Führungsqualitäten und Punkte von DeWayne Russell. Kannst du mit diesem Fokus auf andere gut umgehen?
Absolut! Es geht darum, als Team Spiele zu gewinnen. Für mich persönlich hat sich die Konzentration auf irgendwelche Ego-Dinge ohnehin komplett erledigt mit Blick auf vergangene Verletzungen. Die Karriere als Spieler kann so schnell vorbei sein: heute, morgen, im nächsten Spiel. Warum soll ich da meine Zeit verschwenden, um persönliche Dinge in den Fokus zu rücken? Und mit Blick auf die von dir Angesprochenen ist doch klar: Das passt alles! Schau dir Max an. Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, der so verteidigt. Und DeWayne: Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, der das Spiel so kommandieren kann wie er. Und der Coach? Ich hatte noch mit keinem zu tun, der so intensiv das Beste aus jedem herauskitzelt. Ich bin da absolut entspannt. Ich will in meiner Rolle das Beste abliefern, was ich habe. Und bereit sein, wenn die Anführer Unterstützung benötigen.
Du magst offensichtlich die Arbeit an beiden Enden des Spielfeld, wenn man dir zuschaut: Du triffst gerne den Dreier, nimmst aber hinten auch gerne die Offensivfouls auf.
Auf diese Sache mit den Offensivfouls bin ich inzwischen durchaus ein wenig stolz. Ich habe das schon auf der High School gerne gemacht. Für meinen damaligen Trainer war das das Höchste, er hat immer gesagt: Das ist das Selbstloseste, was man auf dem Spielfeld für sein Team machen kann. Im College wurde es weniger, später auch hier in Europa. Jetzt bin ich wieder in einer Mannschaft, in der ganz viele selbstlose Charaktere füreinander einstehen. Und so kann ich meinen Teil dazu beisteuern. Das macht mich glücklicher als jeder Dreier, den ich treffe.
Ich war dafür nie mutig genug. Mein einziger Versuch endete mit einer Rippenprellung. Er bekam das Foul, ich hatte die Schmerzen. Da war klar: nie wieder!
Ich verspüre eigentlich nie Schmerzen, das ist im Grunde alles vor allem eine Frage des Timings. Und des guten Landens. Nur in Heidelberg, da kam Tim Coleman mit voller Geschwindigkeit auf mich zu und rannte in mich hinein. Das tat drei Tage lang weh.
Und es muss natürlich aussehen, sonst pfeifen die Refs rasch Flopping.
Flopping oder der Versuch stehen nicht hoch im Kurs. Da kannst du bei Rihards nachfragen, der im letzten Spiel unter die Dusche geschickt wurde. (lacht)
Der aber nach der Partie im Kreis der Kollegen ordentlich gefeiert wurde.
Natürlich wurde er gefeiert, das Technische spült Geld in die Partykasse.
Und jetzt einen Kaffee?
Aber sicher!