Die Geschichte vom ewigen Zweiten ist sportartenübergreifend stets eine verlässliche Nummer. Immer wieder gibt es jene Athletinnen und Athleten oder ganze Teams, die einen Titel wiederholt knapp/tragisch/unverdient/dramatisch verpassten und bei der Siegerehrung dem strahlenden Gegenüber artig Beifall klatschen.
Was dabei gerne vergessen wird: Man muss dort auch erst einmal hinkommen.
Die Telekom Baskets Bonn, an diesem Samstag im heimischen Dome Gegner der EWE Baskets Oldenburg, können ein Lied davon singen, oder besser: gleich mehrere. Der Club aus dem Rheinland spielt seit 1995 als Telekom Baskets und ist seit dem Aufstieg 1996 ohne Unterbrechung Mitglied der Ersten Liga. Auch das: alles andere als selbstverständlich, fragen Sie mal bei den damaligen BBL-Rivalen aus Rhöndorf, Trier, Leverkusen, Oberelchingen, Gießen, Herten und Hagen nach …
In diesen inzwischen fast 27 Jahren im Oberhaus standen die Bonner satte achtmal in einem Finale (Liga und Pokal). Auch hierfür gilt: Wer kann da mithalten? Mit dieser Bilanz reiht sich Bonn ein in die Liste der ganz großen Clubs in Deutschland. Einziges Problem: Achtmal mussten die Bonner dem Gegner gratulieren. Das fing gleich in der BBL-Debütsaison an, als Bonn 1997 als Neuling direkt bis in die Endspiele durchmarschierte und sich erst dort Berlin geschlagen geben musste.
Als wohl meistzitiertes Beispiel mag zudem die Finalserie 2009 herhalten, als die Telekom Baskets im fünften Spiel eigentlich wie der sichere Sieger aussahen und die Partie gegen Oldenburg doch noch aus der Hand gaben. Bis heute ein Trauma für die damals Beteiligten. Und: Seitdem haben es die Bonner nur noch einmal bis in ein Finale gebracht: 2012 unterlagen sie im Pokal-Endspiel Bamberg.
Allerdings: Die Telekom Baskets sind 28 Jahre nach ihrer Gründung erneut eine große Nummer in der Liga. Zwar verloren sie zuletzt bei ALBA BERLIN, doch eine Zwischenbilanz von 13:2 Siegen vor dem Gastspiel der EWE Baskets kann sich sehen lassen. Schon in der Vorsaison beeindruckte die Mannschaft unter dem im Sommer 2021 verpflichteten Headcoach Tuomas Iisalo, erreichte Platz zwei in der regulären Saison und schied nur knapp mit 2:3 im Halbfinale gegen den FC Bayern München aus.
Iisalo gelingt aktuell sogar der Spagat zwischen zwei Wettbewerben, denn nicht nur in der nationalen Liga eilen die Bonner von einem Erfolg zum nächsten, auch international wissen die Telekom Baskets zu überzeugen. In der Champions League der FIBA haben sich die Rheinländer für die Zwischenrunde qualifiziert, in der sie nun auf Baxi Manresa (Spanien), Rytas Vilnius (Litauen) und Bahcesehir Istanbul (Türkei) treffen.
Die kontinuierlich starken Auftritte des Teams sind derweil gar nicht zwingend erwartbar gewesen, denn der ohnehin nicht sehr üppig besetzte Kader wurde zuletzt durch einige Ausfälle noch zusätzlich ausgedünnt. Nur sechs Spieler konnten bis dato alle Spiele in der BBL absolvieren, zudem leistet sich Bonn nicht den Luxus eines zusätzlichen Akteurs mit ausländischem Pass.
Iisalo verfügt über eine Menge offensiver Möglichkeiten und defensiver Energie. An erster Stelle zu nennen ist sicherlich Point Guard und regelmäßiger MVP-Kandidat TJ Shorts, der mit bisher 18,7 Punkten und 7,1 Assists eine weitere bemerkenswerte Saison abreißt. Der – nomen est omen – kleine Guard ist von der gegnerischen Verteidigung oft gar nicht greifbar und dürfte auch die Oldenburger vor erhebliche Probleme stellen. Zweitbester Scorer ist Jeremy Morgan (16,2 Punkte), der allerdings just vier Begegnungen am Stück verpasst hat. Dem offensivstarken Duo stehen weitere Leistungsträger zur Seite: Tyson Ward, Finn Delany, Leon Kratzer, Sebastian Herrera und Colin Malcolm (ebenfalls zwischendurch verletzt) liefern im Schnitt mindestens acht Punkte pro Partie. Nicht zwingend durch offensive Großtaten, sondern durch wichtige Aufgaben in ihren Rollen komplettieren Karsten Tadda, Mike Kessens, Deane Williams und Youngster Zachary Ensminger (Sohn der BBL-Legende Chris Ensminger) ein klug zusammengestelltes Team.
Was also geht bei den Telekom Baskets in der Saison 2022/2023? Nun, ein neuntes Finale in der Clubgeschichte erscheint momentan als gar nicht so unwahrscheinlich. Auch wenn die reguläre Saison noch nicht einmal zur Hälfte gespielt ist, dürfen sich die Bonner als größter Herausforderer der beiden Schwergewichte ALBA BERLIN und FC Bayern München verstehen. Eines darf am Ende nicht verschwiegen werden: Die seit 1995 fest an der Seite des Clubs stehende Deutsche Telekom reduziert Schritt für Schritt ihr Engagement, und es wird einen Zeitpunkt geben, zu dem sich Basketball-Deutschland an einen neuen Namen gewöhnen muss. Das kann schon in diesem, möglicherweise aber auch erst im kommenden Jahr sein.