Im Jahr 2010 kam Mladen Drijencic nach Oldenburg. Als Trainer im Nachwuchsbereich des Basketball-Bundesligisten EWE Baskets verdiente er sich aufgrund seiner herausragenden Arbeitseinstellung und seiner ansteckenden Begeisterungsfähigkeit einen exzellenten Ruf, wurde 2014 Meister in der ProB und war 2015 auf dem besten Weg, den Erfolg zu wiederholen.
Dann kollabierte das BBL-Team.
Der damalige Trainer Sebastian Machowski wurde freigestellt, Baskets-Geschäftsführer Hermann Schüller übertrug Mladen Drijencic die Verantwortung. Der im bosnischen Vares Geborene nahm sich des strauchelnden Kaders an, wurde kurze Zeit später in heimischer Arena Deutscher Pokalsieger und erhielt schließlich einen festen Vertrag. Zweimal landeten die Oldenburger unter seiner Regie auf Hauptrundenplatz zwei, zweimal auf dem dritten Rang. 2017 wurden sie Vizemeister, 2020 erreichten sie das Pokalfinale. Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Kein Headcoach war zuvor so lange für den Club tätig wie Drijencic.
Bis zur Saison 2021/2022, als fast alles schiefging.
Nach einem misslungenen Saisonstart wurde es ungemütlich in Oldenburg, Trainer Drijencic nach einer Niederlage gegen den MBC von seinen Aufgaben entbunden. Die EWE Baskets waren mit 4:22 Punkten Tabellenletzter. Auch Assistenztrainer Alan Abaz konnte keine Wende einleiten, nach drei weiteren Niederlagen wurde schließlich Ingo Freyer als Headcoach verpflichtet. Der schaffte mit Oldenburg den Klassenerhalt, erhielt aber keinen neuen Vertrag.
Und Mladen Drijencic? Zeit für ein Gespräch mit dem 57-Jährigen.
Mladen, viele stellen sich die Frage: Was machst du eigentlich gerade?
(lacht) Ich habe zunächst einmal ganz viel Zeit im Garten verbracht. Der musste dringend instand gesetzt werden.
Drijencics Frau Zeljka hebt den Finger und wirft lachend ein: „Die Euphorie ist aber zurückgegangen.“
Es ist endlich Zeit für das, was sonst zu kurz kommt. Ich habe immer in der Halle gestanden, viele Jahre lang. Genau dort habe ich im Grunde deutsch gelernt, später englisch. Es gab drei bis vier Spiele am Wochenende, dazu kam irgendwann die U18-Nationalmannschaft. Als Profitrainer gab es auch keine Auszeiten, ganz im Gegenteil. Da bleibt vieles auf der Strecke. Was bin ich? Wer bin ich? Wie will ich sein? Jetzt stürze ich mich in diese Dinge, mache einen Englisch-Kurs, verfolge Basketball aus anderem Blickwinkel. Ich schaue genau hin, was andere machen. Während der EM habe ich mich praktisch abgesondert, um nichts zu verpassen. Und es geht weiter: Im Herbst möchte ich gerne bei einem ausländischen Club hospitieren, möglicherweise in Spanien.
Beim Abschied von Rickey im Juni bekamst auch du noch einmal die große Bühne. Die Fans in der Arena haben dich minutenlang gefeiert. Was hat dir dieser Moment bedeutet?
Das war fantastisch. Du musst wissen: Ich bin ein Mensch, der Fehler immer zuerst bei sich selbst sucht. Auch in den Momenten, in denen ich weiß, dass man Entscheidungen gemeinsam mit anderen getroffen hat. Ich schaue zuerst auf meine Fehler. Ich habe mich nicht an meinen Job geklammert, habe sogar angeboten: Wenn ihr denkt, dass es meine Schuld ist, dann gehe ich. Ich wollte nicht, dass die Fans, die Mitarbeiter, die Sponsoren leiden. Als mir dann mit etwas Abstand zur Saison diese Wertschätzung entgegenschlug, hat mir das bewiesen, dass man meine Arbeit grundsätzlich zu schätzen wusste.
Gab es schon vor der letzten Saison das Gefühl, dass es schwierig werden würde? Bei einem Blick auf den Kader musste Außenstehenden ja frühzeitig klar sein, dass weniger Geld drinsteckt als in den Jahren zuvor.
Es gab viele Wechsel, viele neue Gesichter. Ich musste mich ganz und gar auf meine Erfahrung verlassen und einen Plan entwerfen, der zu diesem neuen Team passt. Meine Co-Trainer haben mich darin bestärkt, wir waren uns sicher: So kann es funktionieren.
Letztlich muss man wohl sagen: Es funktionierte nicht.
Wir waren sehr, vielleicht zu sehr, abhängig von Spielern wie Rickey Paulding, Phil Pressey und Michal Michalak. Einer benötigte viel Anlauf, um in Schwung zu kommen, an anderer Stelle gab es zu viele Schwankungen, dann kamen an anderen Stellen immer wieder neue Störfeuer hinzu. Ein Problem hier, ein Problem dort, das nächste lauerte schon um die Ecke. Wir haben eins gelöst, zwei neue warteten bereits auf uns. Eine unglaubliche Situation, wenn ich darauf zurückschaue.
Gab es Phasen, in denen dir klar wurde, dass es komplett danebengeht?
Wir hatten viele Spiele, die knapp verloren gingen. Das passierte uns immer wieder. Da führten wir recht hoch, und binnen kürzester Zeit haben wir alles wieder verspielt, teilweise durch absurde Fehler. Aufgeben wollte ich einfach nicht! Dann stand das Spiel gegen Braunschweig bevor. Ich hatte ein Top-Gefühl, war fest überzeugt, dass es nun aufwärts gehen kann – und dann: Corona. Wir haben nach den folgenden Absagen und der Wiederaufnahme des Spielbetriebs endgültig keinen Rhythmus mehr gefunden.
Gibt es Entscheidungen, die du im Rückblick anders treffen würdest?
Natürlich! Zunächst einmal hätte ich andere Spieler verpflichten sollen. Es gab letztlich auf allen Positionen bestimmte Konstellationen, die nicht richtig funktioniert haben. Als die Baskets dann später aber doch den Klassenerhalt mit den Akteuren geschafft haben, die wir im Sommer verpflichtet hatten, habe ich mich darüber sehr gefreut. Machen wir uns nichts vor: Dieser Club gehört in die Erste Liga!
Du verfolgst das Geschehen bei den Baskets weiterhin?
Aber sicher, nur zuletzt halt aus der Sicht eines Fans. Ich bin gespannt, was die Baskets in der neuen Saison unter ihrem neuen Trainer Pedro Calles erreichen werden, und werde genau hinschauen. Es gibt so viele neue Gesichter, auf und neben dem Parkett.
Dein Weg soll zurück an die Seitenlinie führen?
Da stehe ich schon wieder: Ich coache aktuell die U12 des Oldenburger TB (lacht). Aber klar, ich möchte wieder im Profibasketball tätig sein. Die Erfahrungen, die ich in den Jahren in Oldenburg gesammelt habe, möchte ich nicht ungenutzt herumliegen lassen. Ich führe wie ein guter Koch eine Art Rezeptbuch, in dem ich notiere, was mir auffällt und was ich mir für den nächsten Trainerjob zunutze machen kann. In dieser Hinsicht war auch die EM wertvoll; beispielsweise zu sehen, wie überraschend eindimensional ein Team wie Serbien aufgetreten ist und wie viele verschiedene Mittel Deutschland auf dem Weg zur Bronzemedaille eingesetzt hat. Ich möchte wieder ein Team trainieren. Der Garten hat jetzt genug Aufmerksamkeit bekommen (lacht).
Vielen Dank für deine Zeit!
Interview und Fotos: Torben Rosenbohm