Als vor dem Tipoff zur Partie der EWE Baskets Oldenburg gegen die NINERS Chemnitz die Hallenmoderatoren zur Einstimmung auf die Gäste aus Sachsen zu sprechen kamen, führte natürlich kein Weg an der Erwähnung von deren Siegesserie vorbei. Mit der Empfehlung von 15 Pflichtspielerfolgen am Stück waren die Chemnitzer nach Niedersachsen gereist. Es sei allerdings zu bedenken, so schallte es sinngemäß aus den Arena-Lautsprechern, dass darunter keine Siege gegen die Schwergewichte der easyCredit BBL gewesen seien. Und dass die EWE Baskets aus dieser Perspektive wohl nun den ersten größeren Namen auf der anderen Seite des Spielfelds darstellten.
Nun ja.
Die Oldenburger mögen tatsächlich von den grundsätzlichen Voraussetzungen her zu den ambitionierteren Clubs des deutschen Oberhauses zählen. Auf dem Parkett hingegen wirken sie aktuell eher wie ein gerupftes Huhn als wie ein kraftstrotzender Donnervogel. Die personelle Notlage hat eine Dimension erreicht, die selbst bei sehr tiefer Recherche in der Clubhistorie als beispiellos einzuordnen ist. Betrachtet man das ursprünglich für die Doppelbelastung aus nationaler Liga und internationaler Herausforderung zusammengestellte Personal, dann fehlten gegen Chemnitz sechs Spieler: Alen Pjanic, dessen Rückkehr allerdings schon vor dem ersten Spieltag erst für den Winter eingeplant war, Deane Williams, Brekkott Chapman, Max DiLeo, Charles Manning Jr. und Kyle Foster.
Mit knifflig ist diese Ausgangslage noch höflich umschrieben.
Anhaltend rätselhaft ist die Entwicklung rund um Kyle Foster. Im Sommer als Neuzugang mit Zweijahresvertrag präsentiert, dann verblüffend rasch aus der Rotation gefallen und schließlich nach allgemeinem Verständnis komplett aus dem Team genommen: Hier ist offenbar etwas mächtig falsch gelaufen. Nicht einmal als Zuschauer im Kreise der Verletzten ist Foster noch wahrnehmbar, stattdessen hat er nun viel Zeit für den Weihnachtsmarkt; in Oldenburg weilt er, Instagram-Eindrücken zufolge, weiterhin.
Die vielen Fragezeichen rund um die Mannschaft und die noch zu erwartende Dauer der jeweiligen Rehabilitationszeiten dürften den Verantwortlichen momentan einige schlaflose Nächte bereiten. Keine Lösung für die Probleme scheint der ehemalige NBA-Spieler Abdel Nader zu sein. Er halte sich nach langer Verletzungspause aktuell zwar regelmäßig auf dem Club-Gelände in Oldenburg auf und trainiere auch mit, allerdings heißt es auf Nachfrage: „Als eine Option für eine mögliche Verpflichtung wird er aktuell nicht gesehen.“ Beim Spiel gegen Chemnitz saß er auf der Tribüne und erlebte das gebeutelte Oldenburger Team live.
Als Option für die Zukunft wurde unterdessen der 18-jährige Schwede Viktor Lukic-Gavric bei seiner Verpflichtung im Sommer verstanden, perspektivisch sollte ihm der Einstieg in die BBL ermöglicht werden. Auch das bleibt Theorie, denn der Youngster, der zunächst für die Regionalliga und die Nachwuchs Basketball Bundesliga vorgesehen war, hat Club und Stadt den Rücken gekehrt und ist inzwischen in Kosice gelandet. Am Montag vermeldeten die EWE Baskets seine Vertragsauflösung auch offiziell.
Irgendwie ist das alles etwas viel Unruhe in einer Saison, die sich alle so ganz anders vorgestellt haben.
Mit 5:5 Siegen rangieren die EWE Baskets jetzt erst einmal auf dem zehnten Tabellenplatz, der nach neuem Modus immerhin noch für die Play-Ins ausreichen würde. Nun muss man die Situation nicht überdramatisieren, schließlich werden die angeschlagenen Spieler Schritt für Schritt wieder auf das Parkett zurückkehren. Nur: Mental stehen die Akteure vor einer wahrhaft schweren Situation. Denn so sehr die Hoffnung auf eine Entspannung der personell angespannten Lage den Optimismus nähren mag, so nachhaltig schlagen Niederlagen bekanntlich auf das Gemüt. Und mit den vielen Ausfällen dürften die bevorstehenden Aufgaben kaum leichter werden als die Partie gegen Chemnitz.
Momentan geraten die ursprünglich vorgesehenen Rollen munter durcheinander, die Spielzeiten rauschen für einige in die Höhe. Die latente Gefahr, dass sich der nächste etwas zuzieht, wird dadurch nicht kleiner. Das Fünf-gegen-Fünf-Training inklusive notwendiger Wechseloptionen: eine Wunschvorstellung. Da kann dann ein Gast wie Abdel Nader vermutlich tatsächlich helfen.
Gegen die NINERS war es aber nicht nur die kritische Personalsituation (auf einen Zehn-Mann-Kader kamen die EWE Baskets nur unter Zuhilfenahme der Nachwuchsakteure Simon Kohlhoff und Lazar Klaric), die zur hohen Niederlage führte. Zu oft wirkte das Offensivspiel statisch, zu oft stellte sich der Eindruck ein, dass sich der eine oder andere hinter Aufbauspieler DeWayne Russell nahezu versteckt. Da defensiv beileibe auch nicht alles passte, war das Unternehmen Überraschungscoup eine Mission Impossible.
Es bleibt eine durchaus reizvolle Vorstellung, die Oldenburger im weiteren Saisonverlauf tatsächlich einmal in voller Mannschaftsstärke erleben zu dürfen. Dass das Team diesen Moment aber weitgehend unbeschadet erreicht, ist momentan alles andere als eine selbstverständliche Entwicklung …