Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Frohes Fest oder unschöne Bescherung: Keine einfachen Antworten bei den EWE Baskets

Es sind inzwischen einige schwer zu bewertende Jahre, die in der jüngeren Vergangenheit hinter den EWE Baskets Oldenburg liegen. Schon das Ausscheiden in den Playoffs 2021, als die Niedersachsen als Hauptrundendritter gegen Ulm vorzeitig in den Urlaub geschickt wurden, ließ die kritischen Stimmen lauter werden, in der Folgesaison rauschte der Club dann zwischenzeitlich bis ganz ans Tabellenende ab. Erst ein Trainerwechsel hin zu Ingo Freyer sicherte den Klassenerhalt. 2022/2023 übernahm der Spanier Pedro Calles das Ruder, führte die Oldenburger mit 22:12 Siegen auf Rang vier – und schied im Viertelfinale klar mit 0:3 aus. Ein Dämpfer beim Neuanfang.

Die aktuelle Saison sollte die grundsätzlich positive Entwicklung fortführen, der Kader wurde justiert, mehr Variabilität und weniger Ausrechenbarkeit sollten sich zu einer Mischung formen, die in den Playoffs eine größere Überlebenschance besitzen soll. Der Start mit 5:1 Erfolgen nährte die Hoffnungen, dass dieses Vorhaben glücken könnte.

Dann gesellte sich Brekkott Chapman mit einer Blessur zum Langzeitausfall Alen Pjanic an die Seitenlinie, kurz danach verabschiedete sich Deane Williams ins Krankenlager, schließlich trennte sich der Club von Kyle Foster – und die Baskets mussten zu allem Überfluss auch noch die schmerzhaften Ausfälle von Kapitän Max DiLeo und Charles Manning Jr. verkraften. Die schönsten Pläne und Ideen wurden von der Realität humorlos zerlegt.

Es deutet sich an: Auch 2023/2024 könnte zu einer schwer zu bewertenden Angelegenheit werden.

Da ist zunächst einmal der Blick auf die nackten Zahlen vor dem Weihnachtsfest. Im BBL Pokal schieden die EWE Baskets im Achtelfinale chancenlos beim Titelverteidiger FC Bayern München aus, in der Champions League fielen die Niedersachsen am finalen Gruppenspieltag noch auf den letzten Platz zurück. Und in der easyCredit Basketball Bundesliga kassierten die Schützlinge von Trainer Pedro Calles zuletzt fünf Niederlagen am Stück, mit 5:6 Siegen rangieren sie auf dem zehnten Platz. Der wäre nach angepasstem Modus gerade eben so ausreichend, um in den Play-In-Spielen noch den Sprung in die Saisonverlängerung zu schaffen.

Dieser Blick auf die Resultate ist allerdings momentan mit diversen Fußnoten zu versehen. Die erste und wichtigste betrifft das Personal: Fünf Ausfälle und ein vorzeitig abgewanderter Spieler wären für jeden Club eine immense Herausforderung. Damit stehen die Oldenburger nicht nur in den Spielen vor dem Problem, überhaupt noch ausreichend Spieler aufbieten zu können; ein reguläres Training mit zielführenden Fünf-gegen-Fünf-Einheiten inklusive Wechseloptionen ist praktisch nicht mehr möglich.

Das können auch die beiden Nachverpflichtungen nicht vollständig kompensieren. In Geno Crandall holten die Verantwortlichen einen bundesligaerfahrenen Akteur in die Guard-Rotation, zuletzt kam vom Champions-League-Konkurrenten SIG Strasbourg noch Chaundee Brown Jr. hinzu. Letztgenannter wird ein paar Wochen benötigen, um im Spielsystem von Pedro Calles anzukommen und seine Rolle zu finden. Immerhin: Seine Flexibilität auf den Forward-Positionen wird mit großer Wahrscheinlichkeit helfen, um andere zu entlasten. Und Crandall hinterließ zuletzt oft einen starken Eindruck.

Headcoach Pedro Calles wird noch eine ganze Weile mit deutlich reduziertem Personal auskommen müssen. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Was ebenfalls positiv zu vermerken ist: Beim Heimsieg gegen Pinar Karsiyaka, aber auch bei der knappen Niederlage gegen ALBA und im letzten Gruppenspiel bei SIG Strasbourg gaben die verbliebenen Profis alles, was ihnen zur Verfügung stand. Mit leidenschaftlichem Einsatz, aber auch vielen guten Aktionen in der Offensive etablierten die EWE Baskets eine Spielweise, die von den Fans angesichts der schwierigen Ausgangslage honoriert wird. Ohnehin die Fans: Jedes Spiel in der easyCredit BBL war ausverkauft, keine Selbstverständlichkeit mit Blick auf die Resultate. Selbst im internationalen Wettbewerb, früher in Sachen Resonanz ein großes Sorgenkind, kamen die Zuschauerinnen und Zuschauer in dieser Saison in Scharen.

Ein Problem bleibt: Mit Applaus füllt sich kein Punktekonto.

Dreimal müssen die Oldenburger bis zum Ende des Kalenderjahres noch auswärts antreten: Am 23. Dezember beim SYNTAINICS MBC, am 27. Dezember bei den MHP RIESEN Ludwigsburg und am 29. Dezember bei den Würzburg Baskets. Drei Aufgaben, die es in sich haben. Gelingt die rasche Integration von Brown Jr., kann Headcoach Calles zumindest auf eine Achter-Rotation setzen, die gegebenenfalls um Fritz Hemschemeier erweiterbar ist. Der 25-jährige Guard gehört nun fest zum Profiteam und darf nicht mehr in der Regionalliga-Mannschaft der Baskets Juniors/TSG Westerstede eingesetzt werden. Mit Blick auf seine defensiven Qualitäten und die personelle Lage sollte er übrigens generell mehr Vertrauen einfordern dürfen. Bei allem Respekt: Die anderen Youngster erwecken (noch) nicht den Anschein, unmittelbar auf BBL-Niveau helfen zu können.

Im Prinzip könnten die Fans ihre Hoffnungen auf eine starke zweite Saisonhälfte darauf gründen, dass die Verletzten ja irgendwann wieder zurückkehren. Nur: Wann genau wird das der Fall sein? Manning wurde just operiert und fällt nach Club-Angaben Monate aus, DiLeo kommt in den USA unters Messer und kann voraussichtlich wochenlang nicht mitwirken. Bei Chapman und Williams war zuletzt von einer Rückkehr Richtung Februar, schlimmstenfalls März die Rede, und über Alen Pjanic, der seit März nicht mehr gespielt hat, sprach zuletzt Club-Chef Hermann Schüller in der NWZ und deutete an, dass er Ende Januar wieder einsatzfähig sein könnte.

Bis dahin wird jede Partie zu einem Kraftakt und zu einer großen Herausforderung für das Trainerteam, das die Belastung klug steuern und einen Weg finden muss, die Intensität hochzuhalten, ohne weitere Blessuren zu riskieren (ganz auszuschließend sind solche in einer Sportart wie Basketball aber auch bei bester Planung nicht …).

Wohin diese Saison nun also steuert? Seriös zu prognostizieren ist das momentan nicht (ich wage es wider besseres Wissen dennoch: Nach der Hinrunde stehen die Oldenburger mit 7:10 Siegen da). Es bleibt vorerst nur, die Daumen zu drücken, dass kein weiterer Spieler ausfällt und die verbliebenen Akteure den tabellarischen Schaden so gut es geht kleinhalten, bis der eine oder andere Rückkehrer wieder mitwirken kann. Gegen ein starkes Saisonfinale mit vollständigem Kader hätte aus Sicht der Fans gewiss niemand etwas einzuwenden. Eine schwierige Mission dürfte die Saison bis zuletzt bleiben.


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