Man sollte etwas mehr Zeit mitbringen, wenn man sich mit Srdjan Klaric im Club Center der EWE Baskets Oldenburg unterhält. Der gebürtige Bosnier hat schließlich viel zu erzählen. Das betrifft einerseits Anekdoten aus seiner langen Tätigkeit in unterschiedlichen Positionen für die TSG Westerstede, die EWE Baskets und die immer mal wieder unter anderem Namen firmierenden Junioren-Teams des Oldenburger Bundesligisten. Das betrifft aber andererseits eben auch sein aktuelles Schaffen, denn als „Leiter Sport“, so der offizielle Titel, ist er nicht nur mit dem Profiteam beschäftigt, sondern auch mit dem Nachwuchsbereich.
Kaum ist also nach festem Händedruck und herzlicher Begrüßung die erste Frage formuliert, legt Klaric los – und eine knappe Viertelstunde später ist die zweite Fragestellung noch immer nicht vom Papier in den Raum getragen worden. „Ich muss ein wenig ausholen“, sagt er lachend, und beschreibt, warum die Sache mit den Kooperationen eine ganz spezielle ist. Als Partner aller Vereine aus der Region verstehe sich der Club, als Anlaufstelle der Besten. Die Vereine sollten profitieren von der Leuchtturm-Position der EWE Baskets Oldenburg, die immerhin seit dem Jahr 2000 in der Bundesliga unterwegs sind.
Dass nun beispielsweise der OTB mit einem eigenen Team in der Regionalliga auf die Mannschaft der Baskets Juniors treffe: „nichts Besonderes“, sagt Klaric schulterzuckend. „Ich freue mich auf diese Begegnung, in der auf beiden Seiten die jungen Spieler hoffentlich viele Minuten bekommen.“ Ohnehin gebe es auf diese Weise nun ja noch mehr Chancen für talentierte Basketballer, die nicht den Sprung nach ganz oben schaffen und dennoch auf höherem Level weiter ihrem Sport nachgehen können.
Kooperationen, die in Oldenburg in früheren Jahren vor allem mit dem OTB in offiziellen Verträgen vereinbart waren, müssten nicht immer auch schriftlich fixiert sein. „Vertrag oder nicht: Es geht um eine gute Zusammenarbeit, von der beide Seiten profitieren.“ Und so werden eben nicht nur junge Spieler aus dem Oldenburger Turnerbund in besonderen Trainingseinheiten geschult, sondern auch verheißungsvolle Talente aus dem ganzen Nordwesten.
Zwischendurch steht Klaric auf, zückt sein Smartphone und präsentiert ein Video. „Schau dir diesen Jungen an“, sagt er. Ein Elfjähriger, körperlich viel weiter als Gleichaltrige, versenkt technisch sauber einen Korbleger. Soweit vielleicht nicht ungewöhnlich, doch das Entscheidende sei gar nicht zu sehen. „Der hat in einer Stunde Training mehr gelernt und aufgenommen als andere in zehn. Nach solchen Jungs suchen wir.“ Einen solchen gefunden haben die EWE Baskets zuvor beispielsweise in Norris Agbakoko. Der Center, fast unglaubliche 2,20 Meter groß und erstaunlich beweglich, laborierte zuletzt zwar – einmal mehr – an einer Blessur, sein Talent aber bleibt unbestritten.
„Wenn er gesund ist, hat er kaum Grenzen“, sagt Klaric über den 22-Jährigen. Wenn alles passe, könne er nicht nur ein gestandener BBL-Spieler, sondern ein wichtiges Gesicht des Clubs werden. Hier komme das zusammen, was aus Sicht des sportlichen Leiters das Wesentliche sei: große Investitionen durch die Trainer und unbedingter Wille des Spielers. Das Ausblenden von abseitigen Verlockungen, der Fokus auf Fleiß und Leidensbereitschaft. „Wenn wir die Jungs beispielsweise mit ins Trainingslager der Profis nehmen, können wir genau sehen, wie sie sich verhalten, wie sie arbeiten und wie sie an die Sache herangehen.“ Oder eben auch nicht, was dann ja auch entsprechende Rückschlüsse auf die weiteren Planungen bietet.
Kritisch beäugt wird seit jeher, dass der Bundesliga-Kader der EWE Baskets Oldenburg zu selten Platz für eigene Talente bietet. „Bei jungen Spielern muss alles zusammenpassen, damit sie Bundesliga-Niveau bekommen“, sagt Klaric. „Und dann gibt es leider immer wieder eintausend und mehr Abzweigungen, die stattdessen eingeschlagen werden.“
Dass Akteure wie Niklas Wimberg, der den Umweg über die ProA nahm, oder Dominic Lockhart inzwischen an anderen Standorten veritable Bundesligakarrieren aufbauen, sieht Klaric nicht als Problem, sondern als Nachweis der Qualität des eigenen Programms. „Sie hatten in Oldenburg eine wirklich sehr gute Ausgangslage und sind grundsätzlich auf viel Spielzeit gekommen, weil sie zusätzlich ja auch in der ProB auflaufen konnten. Und tägliches Training gegen Spieler wie Chris Kramer damals bringt solche Jungs auch immer weiter voran.“ So mag es den einen oder anderen Youngster mit Blick auf vermeintlich mehr Spielzeit auch mal zu einem Club in der ProA oder ProB ziehen; die regelmäßige Challenge gegen arrivierte BBL-Profis entgehe ihnen dabei allerdings, mahnt Klaric.
Die Zusammenarbeit mit dem neuen Oldenburger Bundesliga-Trainer Pedro Calles gestalte sich übrigens auch mit Blick auf die Nachwuchsförderung überaus positiv. Klaric gibt zu, dass im Sommer die Prioritäten zunächst einmal auf der Zusammenstellung eines schlagkräftigen Kaders für die Bundesliga lagen, aber inzwischen schaue Calles beispielsweise regelmäßig auch bei den Youngstern nach dem Rechten. „Und er hat in der Vergangenheit schon bewiesen, dass er deutschen Talenten Chancen gibt.“ Man denke nur an die Rolle, die ein Justus Hollatz unter Calles bei den Hamburger Towers übernommen habe. Der reifte an der Elbe zur Führungsperson und läuft nun in Europas stärkster Liga, der spanischen ACB, auf.
Bleibt derweil nur ein Problem: Der Sprung in den Profibereich ist nach wie vor ein großer; die nächst höher spielende Mannschaft ist die der Baskets Juniors in der 1. Regionalliga. „Die ProB wäre ideal“, sagt Klaric, und schließt nicht aus, perspektivisch wieder in diese dritthöchste Spielklasse in Deutschland aufrücken zu wollen. „Aber auch in der Regionalliga werden die jungen Spieler mit der Härte dieses Spiels konfrontiert“, fügt er schmunzelnd hinzu.
In Franjo Borchers und Andre Galler sind momentan noch zwei Trainer im Club beschäftigt, die binnen drei Jahren ausgebildet wurden; ein Modell, das aktuell kein Youngster mehr durchläuft. Die schrittweise Auflösung der Mitte der 2010er Jahre noch vorgelebten Ausrichtung, in der viele junge Trainer die Verantwortung für die Mannschaften in der JBBL, NBBL und ProB an der Seite eines Mentors übertragen bekamen, empfindet Klaric nicht als Fehler, ganz im Gegenteil. Bewusst habe man über die vergangenen Jahre Nachwuchstrainer mit mehr Erfahrung hinzugeholt, inzwischen sind Coaches wie Artur Gacaev, Dimitris Polychroniadis und Dejan Stojanovski aktiv, unterstützt durch jüngere Kräfte wie Borchers oder Galler.
„Durch die Beförderung von Mladen Drijencic zum Bundesliga-Trainer entstand damals eine Lücke, in der eine Menge Erfahrung aus dem Nachwuchsbereich abgezogen wurde.“ Diese Lücke sieht Klaric inzwischen als geschlossen an; ein Veränderungsprozess, der sich über Jahre hingezogen habe. Wenngleich die Entwicklung von Talenten die Sehnsucht nach Erfolgen überlagere, falle der Blick auf die Resultate in der JBBL und NBBL immer positiver aus. Im Vorjahr wurde das JBBL-Top-Four nur knapp verpasst, aktuell stünden beide Teams gut da, betont Klaric.
Bei allen Plänen und Ideen: Der Wunsch des Oldenburger Publikums, Eigengewächse auf dem Parkett zu sehen, wird bestehen bleiben. Und auch, wenn die Situation an einem Standort wie Berlin nicht mit dem in Oldenburg vergleichbar ist: Den Malte Delow oder Jonas Mattisseck Oldenburgs würden die Fans überaus gerne anfeuern wollen. In Norris Agbakoko gibt es aktuell immerhin einen, der vielleicht näher dran ist als kaum einer vor ihm.
Mit dem geplanten Campus am Standort Maastrichter Straße bereiten die EWE Baskets auch mit Blick auf die Herausforderung, BBL-Eigengewächse zumindest wahrscheinlicher werden zu lassen, den nächsten Schritt vor. „Schließlich soll sich dort auch den mehreren Hundert Kindern der Raum bieten, ihrem Sport weiter nachzugehen, die über Projekte wie BASKita oder Grundschulliga mit wöchentlichen Programmen an den Basketball herangeführt werden“, so Klaric.
Der 50-Jährige lehnt sich zurück. Draußen ist es längst dunkel, das Club Center ist verweist. Der sportliche Leiter verabschiedet sich und marschiert Richtung Trainingshalle. Basketball kennt keine Pausen.
Hinweis: Beim Heimspiel der EWE Baskets gegen die MLP Academics Heidelberg im Viertelfinale des MagentaSport BBL Pokals am Sonntag, 4. Dezember, wird das BASKita-Projekt der Oldenburger ausführlich vorgestellt.