Einmal kurz Luft holen, jetzt kommt was Längeres. Die Basketballer des FC Bayern München befinden sich aktuell in einer Serie an Spielen, die ihnen Auftritte in Kaunas, in Mannheim (gegen Heidelberg), in Belgrad, in Rostock, gegen Athen, gegen Berlin, gegen Baskonia, in Istanbul und in Ludwigsburg beschert. Das sind neun Begegnungen in der Euroleague und in der easyCredit Basketball Bundesliga in einem Zeitraum von 24 Tagen. Zu den sportlichen Betätigungen kommt das ermüdende Reisen. Regeneration? Training? Vorbereitung? Nun ja.
Hat sich der Club diesem Stress freiwillig ausgesetzt? Gewiss. Wer aus den schmackhaftesten Töpfen des europäischen Basketballs naschen möchte, weiß vorher, auf was er sich einlässt. Nur: Ist diese Terminhatz noch gesund? Gewiss nicht.
Natürlich werden die Spieler bei der rasanten Rundreise über den Kontinent mit außergewöhnlichen Erlebnissen belohnt; ein Auftritt wie der am Donnerstag in Belgrad vor über 15.000 fanatischen Fans inklusive herzlicher Begrüßung der ehemaligen Partizan-Protagonisten Andrea Trinchieri, Vladimir Lucic und Ognjen Jaramaz entschädigt durchaus für einige Strapazen. Doch der Preis, den die Münchner und ALBA BERLIN, zweiter deutscher Teilnehmer an der Euroleague, bezahlen, ist hoch.
Seit Wochen gehört es vor Spielen der Clubs zur unliebsamen Gewohnheit, zunächst einmal einen Blick auf die Stühle abseits des aktiven Kaders zu werfen. Wer fällt weiterhin aus? Wer gesellt sich zu den ohnehin schon angeschlagenen Spielern noch hinzu? Und selbst bei denen, die offiziell auf dem Spielberichtsbogen landen, stellt sich bei dem einen oder anderen die Frage, wie fit er tatsächlich ist.
Die Unmenge an Spielen – zu den 34 Partien in der Bundesliga kommen mindestens noch einmal 34 in der Euroleague – führt unter anderem dazu, dass im nationalen Wettbewerb die Qualität leidet. Für die Konkurrenz sind die Heimspiele gegen den FCB und gegen ALBA noch immer Highlights im deutlich luftigeren Terminkalender. Nur kommen die beiden Titelaspiranten – das sind sie trotz der grotesken Doppel- und Dreifachbelastung nach wie vor – gelegentlich wie taumelnde Riesen daher, die sich mehr schlecht als recht dank ihrer individuellen Klasse über die Ziellinie retten.
Gelegentlich reduzieren die Verantwortlichen den Kader bei einem Ligaspiel dann so konsequent, dass sich der geneigte Fan verwundert die Augen reibt. Beispiel: Am 2. April 2022 überrollten die EWE Baskets Oldenburg den FC Bayern mit 106:75 und sammelten wertvolle Bonuspunkte im Kampf um den Klassenerhalt ein. Nur: Mit dem FC Bayern in regulärer Aufstellung hatte das alles wenig zu tun, denn durch die Abwesenheit von neun ausländischen Stammspielern sowie Headcoach Trinchieri und eine Starting Five bestehend aus Joshua Obiesie, Andi Obst, Nihad Djedovic, Jason George und Gavin Schilling legten die Münchner lautstark den Finger in die Wunde. Weniger als 24 Stunden zuvor waren die Bayern in der Euroleague gefordert.
Und so geht es in dieser Saison für die in der Euroleague wohl mit Blick auf die Playoffs eher chancenlosen Münchner und Berliner darum, mit den vielen Ausfällen weiterhin umzugehen, die Einsatzzeiten klug zu verteilen und sich dann für die Playoffs in der easyCredit BBL in Position zu bringen. Dass sie auf diesem Weg dann auch noch das eine oder andere Spiel überraschend verlieren werden, ist wohl unvermeidbar. Wobei: Überraschend kommen solche Niederlagen dann mit Blick auf den Kalender eigentlich wirklich nicht mehr. Was wiederum den Wert von vermeintlichen Außenseiter-Coups deutlich schmälert.
Der Eindruck einer gewissen Unübersichtlichkeit angesichts der vollgestopften Terminpläne wird zusätzlich dadurch erhöht, dass es ja abseits der Euroleague noch drei weitere internationale Wettbewerbe gibt: Den Eurocup, die Fiba Champions League und den Fiba Europe Cup. Und auch dort geht die Tendenz zuweilen eher in Richtung Extra-Schichten; der Eurocup beispielsweise wird inzwischen auch in einem Liga-ähnlichen Wettstreit organisiert. So kommen die deutschen Teilnehmer Hamburg und Ulm auf mindestens 18 internationale Spiele. Wie gut sie das bislang vertragen, lässt sich auch aus der nationalen Tabelle ablesen: Von den Playoffplätzen sind beide aktuell ein gutes Stück entfernt. Und, mal ehrlich: Das alles findet in den Hallen passablen Zuspruch, aber medial läuft die Sache doch weit unter dem Radar.
Und dann wollen ja auch noch die Nationalmannschaften zu ihrem Recht kommen, die in den Zeitfenstern während der Saison allerdings auf die Akteure aus der NBA und Euroleague verzichten müssen. Das sorgt für Kader, die aus lauter Kompromissen und Notlösungen bestehen und gewiss nicht dafür sorgen, dass die Geschicke der Auswahl in die Schaufenster der Fernsehsender drängen.
Was also tun?
Streichen wir den nationalen Pokal aus dem Kalender und schaffen so Platz für eine gewisse Entzerrung des Spielplans? Der MagentaSport BBL Pokal beispielsweise besetzt im Achtel- und Viertelfinale jeweils ein Wochenende für sich, hinzu kommt das TOP FOUR, das 2023 in Oldenburg stattfinden wird. Mit der aus dem Fußball vorgelebten Romantik eines echten Pokalwettbewerbs hat das alles ohnehin nur wenig zu tun, da unterklassige Teams nicht Teil des Ganzen sind (und das aus Gründen der gewaltigen Qualitätsunterschiede auch wohl besser nicht werden).
Reduzieren wir die Bundesliga? Das würde berechtigte Krawallstimmung an den weniger finanzkräftigen Standorten auslösen, deren Existenz aktuell an 17 Heimspielen in der BBL hängt. Zumal eine Verkleinerung auf nationaler Ebene zugunsten der internationalen Erfordernisse einen überaus unangenehmen Beigeschmack hätte.
Ein Teufelskreis. Weder wird die NBA auf die Belange der Fiba Rücksicht nehmen, noch wird die Euroleague bereitwillig einen Schritt zurückgehen. Und das bedeutet für die Zukunft, in der die Basketball-Fans nicht mehr alleine mit einem Abo von MagentaSport auskommen werden, sondern auch noch einen Zugang zum neuen Anbieter DYN benötigen: Augen zu und durch. Der Experte auf den Rängen wird einen „Überraschungs“-Sieg gegen Bayern einzuordnen wissen, der Gelegenheits-Besucher wird selig nach Hause gehen.
Und eines sei betont: Es gibt auch Phasen mit zu wenig Basketball. Bestes Beispiel: Oldenburg. In dieser Saison fehlen die internationalen Spiele! Die Pause zwischen den Liga-Begegnungen ist oft viel zu lang, es entstehen viel zu wenige Geschichten rund um das Team, über die man vortrefflich streiten und diskutieren kann. Es müssen ja nicht gleich 34 zusätzliche Begegnungen sein, aber so eine feine Gruppenphase in der Champions League mit zunächst einmal drei zusätzlichen Auftritten in der heimischen Arena? Her damit!
Bild: Ulf Duda/fotoduda.de