Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Muster (fast) ohne Wert

Der Spielplan der easyCredit Basketball Bundesliga hielt am Dienstag Auftritte der vier Mannschaften bereit, die am Samstag beim TOP FOUR im MagentaSport BBL Pokal im Halbfinale aufeinandertreffen. Die EWE Baskets Oldenburg bezwangen die FRAPORT SKYLINERS mit 87:79, der FC Bayern München ging daheim gegen die Veolia Towers Hamburg mit 70:89 unter, die MHP RIESEN Ludwigsburg feierten bei medi bayreuth eine 108:94-Offensivparty und ALBA BERLIN setzte sich bei den HAKRO Merlins Crailsheim durchaus knapp, aber letztlich doch souverän mit 91:85 durch.

Nun macht es ja immer großen Spaß, aus einer Sache Rückschlüsse auf eine andere zu ziehen – in diesem Fall aber darf getrost festgehalten werden: Die vier Spiele waren im Hinblick auf das Wochenende in der Oldenburger EWE ARENA, wo das TOP FOUR zum zweiten Mal nach 2015 steigt, vier Muster (fast) ohne Wert.

Shakur Juiston (rechts) und die EWE Baskets wollen mit einem Sieg gegen Ludwigsburg das Finale beim TOP FOUR erreichen. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Die Ludwigsburger beispielsweise werden im ersten Halbfinale am Samstagnachmittag mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erneut so offensiv zum Zug kommen wie in Bayreuth. Dort erzielten sie 108 Punkte und brachten sich in Stimmung für das Duell mit dem Gastgeber des TOP FOUR, den EWE Baskets Oldenburg.

Ludwigsburg, das am Dienstag auf Justin Johnson und später im Spiel auch auf Jeff Roberson verzichten musste, war nach dem unglücklichen Ausscheiden aus der Champions League ein wenig aus dem Takt geraten. Der Erfolg in Bayreuth allerdings war der dritte in Serie, und die Mannschaft von Trainer Josh King hat sich längst unter den Teams etabliert, die um den vierten Platz und damit das Heimrecht im Playoff-Viertelfinale rangeln. Und wer weiß: Vielleicht gerät selbst Rang drei noch einmal in die Verlosung, auf dem seit geraumer Zeit der FC Bayern steht, der allerdings unerwartet viele Spiele abgibt.

Die EWE Baskets Oldenburg wiederum konnten sich vor Kurzem in der Liga in Ludwigsburg durchsetzen, aber auch dies: ein Muster ohne Wert. Denn beim Sieg in Baden-Württemberg vergrößerte Center Owen Klassen mit seiner Blessur an der Hand das Oldenburger Lazarett, just wurden in Shakur Juiston und Hassani Gravett noch zwei Spieler nachverpflichtet. Die Erkenntnisse aus dem Spiel vor zwei Wochen dürfen beide Headcoaches also getrost in die Tonne verfrachten.

Zumindest im Ansatz als Erkenntnis aus dem Auftritt gegen Frankfurt am Dienstag, bei dem die Stimmung in der EWE Arena zu abendlicher Stunde verblüffend bescheiden ausfiel, darf festgehalten werden: Die Integration der beiden Neuen schreitet ordentlich voran. Wenn Guard Gravett die Präzision bei seinen Anspielen noch etwas verfeinert und Juiston seine physischen Vorteile auf den großen Positionen noch besser zum Einsatz bringt, dürften die Nachverpflichtungen als wertvolle Ergänzungen verbucht werden. Eine Rückkehr von Klassen, Kenny Ogbe oder Rihards Lomazs bereits zum TOP FOUR erscheint unterdessen als unwahrscheinlich bis ausgeschlossen.

Mein Halbfinaltipp für das Spiel zwischen Oldenburg und Ludwigsburg: Es wird ein hartes Ringen und ein nicht immer ansehnliches Balgen, an dessen Ende die EWE Baskets knapp die Nase vorne haben.

Am Samstagabend kommt es beim TOP FOUR zum Aufeinandertreffen der Euroleague-Teams aus München und Berlin. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Ganz gewiss wird derweil der FC Bayern nicht einmal annähernd in derselben Verfassung in sein Duell mit ALBA BERLIN am Samstagabend gehen. Die Bayern mussten am Dienstag auf Vladimir Lucic, Elias Harris, Cassius Winston und Corey Walden verzichten, außerdem wurde Nationalspieler Isaac Bonga, zuletzt in bestechender Form, geschont. Gegen Berlin werden die Schützlinge von Trainer Andrea Trinchieri, der die Abfuhr gegen die Towers nach außen bissig kommentierte (und intern wohl ganz rasch abhakt, um den Fokus auf den möglichen Titel zu richten), notfalls auch über die Schmerzgrenze hinausgehen.

Die Aussicht auf einen Erfolg gegen den großen nationalen Rivalen und Euroleague-Wegbegleiter und die erste Trophäe der Saison dürfte etwaige Zipperlein in den Hintergrund drängen, zumal der Kader trotz der aktuellen Ausfälle üppig bestückt ist. Ein Wiedersehen für die Oldenburger Fans gibt es mit Niklas Wimberg, der in der tiefen Rotation um jede Minute kämpfen muss.

Münchens Gegner Berlin ackert sich ebenfalls durch eine anstrengende Saison mit enormer Belastung. Beim Erfolg in Crailsheim am Dienstag mussten Marcus Eriksson, Luke Sikma, Tamir Blatt und Maodo Lo passen, trotz der immer wieder zu verzeichnenden Dezimierung des Kaders haben sich die Hauptstädter in der Bundesliga nahezu schadlos gehalten; 18:1 Siege, davon zwölf am Stück, sind der Lohn der Konzentration auf die heimische Liga.

In der Euroleague ist der Playoffzug bei 6:18 Siegen zehn Spieltage vor dem Ende der regulären Saison längst abgefahren. Die Berliner bekommen die Doppelbelastung hinsichtlich der Ausgangslage in der BBL besser in den Griff als die Bayern, denn die mussten sich in der BBL bereits satte sechsmal geschlagen geben. Auch für die Berliner gilt: Eine solide Leistung wie am Dienstag wird am Samstag nicht reichen, aber auch sie werden sich – unter Garantie – anders präsentieren.

Das bisher in dieser Saison Erlebte führt zu meinem Halbfinaltipp: ALBA setzt sich knapp durch und erreicht das Finale am Sonntag.

Prost, Luke! Werden die Berliner nach ihrem Titel 2022 auch in Oldenburg jubeln können? Bild: Ulf Duda/fotoduda.de