Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Aus der kleinen Kneipe auf die große Bühne

Im ganz kleinen Rahmen ging das TOP FOUR um den Deutschen Basketball-Pokal inoffiziell los, im großen Konfettiregen dann ganz offiziell zu Ende. Dazwischen lagen drei Spiele, die den 6.200 Fans in Oldenburg viel Spannung, eine Menge Emotionen und zahlreiche Eindrücke bescherten – und dem FC Bayern München den ersten Titel der Saison.

Auftakt in der Kneipe

Das Magazin BIG hatte am Freitagabend in die Oldenburger Kneipe „Karin’s“ geladen. In geselliger Runde plauderten Florian von Stackelberg und Robert Heusel mit Mladen Drijencic, Jan Jagla, Philipp Hartwich und im weiteren Verlauf auch Rickey Paulding über Sporttauben, Pokalerinnerungen und die Aussichten für das bevorstehende TOP FOUR (das gibt es hier zum Nachhören). Die gut aufgelegten Moderatoren und Gesprächspartner sorgten bei den Besuchern – Fans aller teilnehmenden Clubs – für beste Laune und damit für eine gelungene Einstimmung auf das sportliche Wochenende.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Das erste Halbfinale in der ausverkauften EWE Arena sorgte dann früh für den Stimmungshöhepunkt des diesjährigen TOP FOUR. Die EWE Baskets Oldenburg trafen auf heimischem Parkett auf die MHP RIESEN Ludwigsburg, und nicht zuletzt dank der zahlenmäßig deutlich überlegenen Anhängerschaft auf den Rängen gingen die Niedersachsen – auch wenn sie das vorher nicht so gerne hören wollten – leicht favorisiert in den Schlagabtausch. „KRALLT SIE EUCH“ forderten die Fans in einer sehenswerten Choreografie.

Die Fans waren schon vor dem Tipoff zum TOP FOUR bereit. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Die Partie entwickelte sich aus dramaturgischer Sicht nahezu ideal. Denn die zwischenzeitlich beängstigend hohe Führung der RIESEN (53:37) machte eine (erneute) Aufholjagd der Oldenburger nötig. Die sind das inzwischen durchaus gewohnt, denn nicht zum ersten Mal musste sich das Team von Trainer Pedro Calles aus einem tiefen Loch wühlen.

Mit jedem Ballgewinn, mit jedem Treffer, mit jeder guten Verteidigungsaktion wurde es in der Arena am späten Samstagnachmittag noch ein bisschen lauter. Der Vorsprung der Ludwigsburger schmolz dahin wie der Biervorrat am Kneipen-Vorabend, und die Erinnerungen wurden wach an den Liga-Vergleich der beiden Kontrahenten. Dort hatte Oldenburg ebenfalls einen enormen Rückstand in einen Sieg umgewandelt. Murmeltiertag in der EWE Arena?

Die Geschichte sollte sich wiederholen: Ludwigsburg verlor die Kontrolle über die Partie, Oldenburg schnappte sich mit dem 92:86 den Einzug ins Finale daheim. Einmal mehr herausragend: Baskets-Aufbauspieler und Kreativzentrum DeWayne Russell, der neben 26 Punkten auch noch acht Assists lieferte. MVP? Dazu später mehr.

Gigantenduell mit neuen Impulsen

Während die Oldenburger Fans den spektakulären Spielverlauf und die Qualifikation für das Endspiel ausgiebig feierten, stiegen die Teams des zweiten Halbfinals in das Warm-up ein. Das förderte zum Teil durchaus überraschende erste Erkenntnisse zutage, denn einige zuvor pausierende Akteure auf beiden Seiten meldeten sich pünktlich zum TOP FOUR zurück. Bei den Berlinern wärmten sich Luke Sikma und Maodo Lo mit auf, die zuvor in der Liga noch pausiert hatten. Und auf Seiten der Münchner war tatsächlich Kapitän Vladimir Lucic wieder am Ball; der Energizer und Leader hatte zuletzt am 25. November in der Euroleague gespielt.

Viele hatten sich vor dem Wochenende gefragt, in welcher Verfassung sich die Bayern wohl präsentieren würden. Vier Tage zuvor waren sie in eigener Halle von den Towers aus Hamburg weggefrühstückt worden; eine Wiederholung einer solchen Vorstellung war allerdings kaum zu erwarten. Und in der Tat stellten die Schützlinge von Trainer Andrea Trinchieri klar, dass sie fest entschlossen waren, sich in Oldenburg in Bestform zu präsentieren.

Bayern setzte gegen ALBA auf eine überaus intensive Defensive und erzielte im Duell der beiden deutschen Euroleague-Teilnehmer hier den entscheidenden Vorteil. Die Berliner fanden nie endgültig in ihren Rhythmus, vor allem Lo und Sikma war anzumerken, dass ihnen einige Prozente bis zur Bestform fehlen. Da bei den Münchnern, bei denen der Erfolgsdruck an beiden Tagen deutlich spürbar war, alle eingesetzten Spieler lieferten, konnte der Sieger am Samstagabend nur FC Bayern heißen. Von der Berliner Leichtigkeit des Seins jedenfalls war zu wenig zu spüren.

Das zweite Halbfinale hielt allerdings auch die einzig wirklich bittere Nachricht des Wochenendes bereit: Augustine Rubit verletzte sich schwer, musste mit Unterstützung durch Teamkollegen vom Feld und landete im Krankenhaus. Bittere Diagnose: Der US-Amerikaner erlitt eine erhebliche Blessur an der Achillessehne, die Saison ist für den 33-Jährigen beendet. Ein langer Reha-Prozess liegt nach bereits erfolgter Operation vor ihm – dem Flügelspieler ist eine Rückkehr auf das Parkett herzlich zu wünschen!

Finale daheim

Über die Favoritenstellung im Finale am Sonntag konnte es kaum lange Diskussionen geben. Auf der einen Seite der tief besetzte FC Bayern, der den verletzten Rubit durch D.J. Seeley ersetzen konnte; auf der anderen Seite die EWE Baskets, bei denen sich nacheinander Rihards Lomazs, Kenny Ogbe und Owen Klassen mit Verletzungen verabschiedet hatten, und die in Shakur Juiston und Hassani Gravett zwei Neuzugänge in ihren Reihen haben, die noch im Teamintegrationsprozess stecken.

Trey Drechsel versuchte alles, doch die Bayern um MVP Nick Weiler-Babb waren zu stark. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Um es kurz zu machen: Die Oldenburger hatten an diesem Sonntag keine Chance.

Um es etwas ausführlicher zu machen: Sie hatten zwischendurch tatsächlich Möglichkeiten, sich in eine bessere Position zu bringen und ließen diese zum Teil fahrlässig ungenutzt. Allerdings wurden die EWE Baskets von ihren Gegnern auch permanent so unter Druck gesetzt, dass Fehler fast zwangsläufig waren. Wie schon gegen Berlin setzten die Münchner auf eine knallharte Defensive und raubten Oldenburg den Spaß an der Arbeit. Hinzu kam: Analog zum Halbfinale, als Jaleen Smith mit 31 Punkten deutlich herausragte und seine Kollegen ausgebremst wurden, genehmigten die Bayern DeWayne Russell (und Trey Drechsel) viele Zähler, nahmen die anderen aber weitgehend aus dem Spiel.

Verdienter Pokalsieger – verdienter MVP?

Konsequenz: Der FCB brachte sich regelmäßig klar in Führung (17:6, 53:36, 79:62), während die EWE Baskets kräftezehrende Aufholjagden starten mussten. Humorlos ließen die Gäste, die sich den Titel mit zwei starken Auftritten absolut verdienten, ihre Opponenten dabei aber letztlich am ausgestreckten Arm verhungern. Und dann war da ja auch noch Vladimir Lucic: Im Semifinale hatte er sich mit sieben Punkten (darunter ein wichtiger Dreier in der Crunchtime) noch zurückgehalten, im Finale trumpfte er mit 18 Punkten auf. Topscorer des Abends aber war ein anderer: DeWayne Russell kam auf 28 Zähler. MVP?

Nun: Der wertvollste Spieler des TOP FOUR, durch die anwesenden Medienvertreter und die sportlichen Leitungen der vier Clubs gewählt, wurde Nick Weiler-Babb. Der Guard, der im vergangenen Jahr mit der deutschen Nationalmannschaft die Bronzemedaille bei der EM gewonnen hatte, erzielte in beiden Spielen jeweils 14 Punkte und war daher gewiss keine schlechte Wahl (und eben die war es ja). Ein verdienter MVP-Titel? Infrage gekommen wären sicherlich auch Kapitän Lucic oder der außerordentlich präsente Freddie Gillespie – und DeWayne Russell, der seine vielen bemerkenswerten Liga-Vorstellungen im Pokal fortsetzte. Allerdings: Der MVP kommt im Regelfall halt von denen, die am Ende als Sieger im Konfettiregen stehen.

Kurze Liga-Pause

Sieger waren am Wochenende übrigens auch ein gebürtiger Oldenburger (Bayerns Flügelspieler Niklas Wimberg) und der Basketball an sich. Tolle Stimmung, ein Gastgeber im Finale, sportlich sehr gute Darbietungen: Das TOP FOUR in Oldenburg, glänzend vorbereitet von den EWE Baskets, entsprach dem Liga-Motto „Welcome to wow“. Nach der Länderspielpause geht es Anfang März weiter – und alle vier Turnierteams dürften nach den Pokaltagen ihre Ziele klar vor Augen haben: Ludwigsburg muss Spiele über die vollen 40 Minuten durchziehen, Bayern hat Appetit auf den nächsten Titel bekommen, ALBA wird die Herausforderung des bayerischen Dauer-Konkurrenten annehmen und Oldenburg wird alles tun, um Rang vier zu verteidigen – der Wert des Heimvorteils ist unüberhörbar.

Pedro Calles und DeWayne Russell wissen, was sie voneinander haben. Anfang März geht es zurück aufs Liga-Parkett. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de