Zwischen dem Wollen und dem Können liegen ab und an Welten. Gelegentlich passt beides aber auch einfach perfekt zusammen. In Vechta findet sich dafür in sportlicher Hinsicht ein wunderbares Beispiel. Wollen die Basketballer von RASTA in die easyCredit Basketball Bundesliga aufsteigen? Aber ja! Nur: Können sie das auch? Um das herauszufinden, habe ich mich vor Ort mal umgeschaut – und mit einem darüber gesprochen, der sich mit der Situation wohl am besten auskennt: dem geschäftsführenden Gesellschafter Stefan Niemeyer.
Für Oldenburger ist es bis nach Vechta nur etwas mehr als ein Katzensprung. Rauf auf die A29, rüber zur A1, kurz über Land – eine gute Dreiviertelstunde dauert es, bis die Distanz zum einstigen BBL-Rivalen absolviert ist. Von früheren Derby-Anreisen ist der Weg zum RASTA Dome vielen noch bestens bekannt; die Fans der EWE Baskets dürften ohnehin zu denen gehören, die den Südoldenburgern die Rückkehr ins Basketball-Oberhaus am meisten wünschen. Kurze Anfahrt, stimmungsvolle Atmosphäre: gerne mehr davon.
An diesem Mittwochabend hängen dunkle Wolken über dem Gelände, auf dem sich nicht nur die Heimspielstätte, sondern auch die Geschäftsstelle von RASTA Vechta befindet. Die Drohkulisse hat aber ausschließlich etwas mit dem miserablen Wetter zu tun, denn der Club selbst befindet sich in einer sportlichen Hochphase. Zwei Jahre nach dem letzten Abstieg in die ProA rangiert RASTA souverän auf dem ersten Tabellenplatz und wird diesen wohl auch nicht mehr an den Verfolger, die Walter Tigers Tübingen, verlieren.
„Wir sind super zufrieden“, sagt entsprechend Stefan Niemeyer beim Gespräch im erstligareifen VIP-Raum. „Wir haben mit den zehn festen Profis in dieser Saison viel Glück und ein sehr homogenes Team beisammen. Wenn der eine mal ausfällt, hilft der nächste.“ Auch, als nach der Länderspielpause das Nordduell in Bremerhaven verlorenging, breitete sich beim Chef keine Unruhe aus: „Es hat ja selten Teams gegeben, die von 34 Spielen 34 gewonnen haben. Und es gibt immer mal eine Partie, in der es nicht läuft und in der man nicht trifft. Wenn man einen solchen Tag erwischt, schlägt einen in dieser Liga jeder andere.“ Allzu viele solcher Tage indes hat RASTA in der laufenden Saison nicht erlebt.
Leverkusen? Historie. Vechta? Zukunft
Eine Legende des deutschen Basketballs ist an diesem Abend zu Gast in Vechta, oder besser: es sind gleich zwei. Der Gegner heißt Bayer Leverkusen, satte 14-mal Deutscher Meister und damit noch immer Rekordhalter in dieser Kategorie. Ein legendärer Club mit legendärem Trainer: Ex-Nationalspieler Hansi Gnad, der 1993 mit Deutschland Europameister wurde, steht an der Seitenlinie. Nur: Während Leverkusen als Vorletzter im Klassement ungebremst der dritten Liga (und damit der Bedeutungslosigkeit) entgegentaumelt, arbeitet RASTA daran, die Zukunft der BBL mitzuschreiben.
Und während im RASTA Dome das Training des eigenen ProB-Teams zu Ende geht und das ProA-Heimspiel gegen Leverkusen vorbereitet wird, lehnt sich Stefan Niemeyer zurück und sagt über die eigenen Ambitionen: „Jeder weiß: Wir wollen hoch. Das ist unser angestrebtes Ziel. Wir haben allen gesagt: Es muss nicht dieses Jahr sein, aber wir wollen und müssen irgendwann wieder aufsteigen.“ Die laufende Saison zeigt: „Irgendwann“ kann schon in wenigen Wochen sein. Beweis für die Qualität? RASTA hat noch kein Heimspiel verloren.
Die Rückkehr in den Kreis der 18 Erstligisten würde den Club auf eine Ebene heben, die er schon kennt. Zweimal war man nur für jeweils eine Saison dabei (2013/2014 und 2016/2017), von 2018 bis 2021 währte die BBL-Zugehörigkeit dann immerhin drei Jahre. Dabei konnte RASTA durchaus auf sich aufmerksam machen: Mehr als 1000 Fans reisten beispielsweise zu einem Auswärtsspiel mit nach Berlin. Von 2018 bis 2020 sorgte der Club aber auch sportlich in der BBL für positive Schlagzeilen. Unter der Regie des heutigen Oldenburger Trainers Pedro Calles avancierte Vechta zum Favoritenschreck und wurde 2019 Vierter nach der Hauptrunde. Damit nicht genug: Im Viertelfinale wurde Bamberg ausgeschaltet. 2020 stand RASTA im Moment der pandemiebedingten Saisonunterbrechung auf dem sechsten Rang, beim Abschlussturnier markierte Platz neun das Endergebnis. Calles wechselte nach Hamburg, in der Folgesaison ging es sportlich abwärts – der Abstieg in die ProA war die Folge.
Im April 2023 stehen die Zeichen indes auf Angriff. Der Lizenzantrag? „Längst erledigt“, sagt Niemeyer. Die größten Hürden? „Keine!“ Der Clubchef lacht. „Wir haben eine sehr gute strukturelle und wirtschaftliche Entwicklung, unabhängig von der Ligazugehörigkeit.“ Und Corona? „Kannst du einen Haken dranmachen.“
Pläne für eine neue Halle
Der Blick fällt durch die großen Fenster in die Halle. Noch herrscht dort in diesem Augenblick Ruhe, Klatschpappen werden ausgelegt, die Verkaufstresen vorbereitet. Auch heute Abend wird der Dome fast ausverkauft sein. „Wenn ich 2032 BBL spielen will, und das will RASTA, gehört dazu eine Halle“, sagt Niemeyer. Angesichts der verschärften Lizenzbedingungen, die vor Kurzem beschlossen wurden, heißt das: eine neue Halle. „Der RASTA Dome ist dann erledigt. Auch von den Strukturen abseits der Kapazität, beispielsweise beim VIP-Bereich.“ Eine neue Halle also? Pläne gebe es längst, entstehen solle sie am gleichen Standort. „Der jetzige Dome wäre dann Trainingshalle und ProB-Spielstätte.“
Stichwort Lizenzbedingungen: Niemeyer übt hier deutliche Kritik an der BBL. Die ambitionierten Ziele an sich halte er nicht für verkehrt. Nur: „Die Entscheidung kommt zu einem unmöglichen Zeitpunkt. Da hätte man noch warten müssen. Was ich kritisiere: Potenzielle Kandidaten wurden nicht informiert. Wir haben das aus den Medien erfahren; so geht es nicht. Ich bin aus allen Wolken gefallen.“ Der Clubchef habe zuweilen den Eindruck, nicht ganz ernst genommen zu werden. Man werde zeigen, dass dies eine Fehleinschätzung sei.
Niemeyer sagt: „Wir haben vor nichts Angst, auch nicht vor 2032.“ Es klingt wie eine Kampfansage.
Oldenburg als etablierter Erstligist, Vechta als möglicher Rückkehrer in die BBL, dazu zwei Clubs aus Bremerhaven und Quakenbrück, die mittel- bis langfristige Pläne für ein Comeback in der Beletage formulieren: Wann wird das möglicherweise sogar zu viel für die Region? Stefan Niemeyer ist auch in dieser Hinsicht ganz entspannt. „Die Region spricht noch mehr über Basketball. Ich habe eben noch zu jemandem gesagt: Ich könnte mir nichts mehr wünschen, als in der ersten Runde gegen Bremerhaven und in der zweiten gegen Artland zu spielen. Das wäre ein Fest für die Region!“
Fokus auf den Nachwuchs
Im Blick hat er dabei auch die Kinder und Jugendlichen, die mit dem Basketball in Kontakt kommen. „Wir haben über all die Jahre nicht nur gesehen: Was macht der Profibereich? Der gesamte Unterbau ist genauso wichtig, das muss ich betonen. Da wird viel investiert, auch in hauptamtliche Jugendtrainer; und all das machen wir sehr bewusst. Die Sponsoren honorieren das. Sie fragen natürlich auch: Wann kommt einer aus dem Jugendbereich ins Team?“ Er sehe aktuell zwei bis drei Akteure, bei denen es passen könne.
Niemeyer schaut später an diesem Abend gemeinsam mit den über 3000 Zuschauern zu, wie seine Mannschaft ihrer Favoritenrolle souverän gerecht wird. Das Ergebnis mag zur Halbzeit noch vergleichsweise knapp sein (50:40), doch mit mehr Intensität und mehr Kreativität werden die bemitleidenswerten Leverkusener vor unlösbare Aufgaben gestellt. Bayers Trainer Hansi Gnad schreit, gestikuliert, erklärt – seine Schützlinge bleiben chancenlos. Gerade zu Beginn der Partie machen sie defensiv vieles, aber nicht das, was Gnad vorgibt.
Auf der anderen Seite wirbelt Vechta durch die gegnerischen Reihen, trifft hochprozentig und packt auch defensiv oft genug humorlos zu. Kein Zweifel: Die Mannschaft wird die Hauptrunde als Erster abschließen und sich das wichtige Heimrecht sichern. Das sportliche Aufstiegsrecht werden sie, einen gesunden Kader vorausgesetzt, erwerben. Und an den strukturellen Bedingungen, das wird an diesem Abend trotz der dunklen Wolken am Himmel überdeutlich, wird es am Standort Vechta nicht scheitern.
Sie wollen – und sie können.