Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Nur noch fünf Spiele in der Hauptrunde: Vier Oldenburger Schlüsselspieler im Blick

Es ist wahrhaft nicht immer elegant, was die EWE Baskets Oldenburg in dieser Saison auf dem Parkett darbieten. Offensiv hakt und rumpelt es im Zusammenspiel oft genug, zudem gewinnt der geneigte Betrachter gelegentlich den Eindruck, dass sich viele Spieler (zu) häufig auf ihren Denker und Lenker DeWayne Russell verlassen. Getreu dem Motto: Nimm du ihn, du bekommst das hin.

Das Gute ist: Er bekommt das tatsächlich hin, zumindest an den meisten Tagen.

In den vergangenen Wochen haben die Oldenburger allerdings eine Entwicklung durchgemacht, auf die viele gerne verzichtet hätten. Zum anhaltenden Verletzungspech fügten sich noch mehr Ausfälle hinzu, zuletzt erwischte es Alen Pjanic. Der landete in einer umkämpften Partie in Chemnitz hart auf dem Boden und zog sich einen Bruch im Arm zu. Resultat des Unfalls: das Saisonende. Damit ist er nach dem lettischen Nationalspieler Rihards Lomazs schon der zweite Oldenburger, der in der Spielzeit 2022/2023 nicht mehr zum Einsatz kommen wird.

Doch nicht nur Nachrichten aus der medizinischen Abteilung trübten die gute Stimmung ein, auch die Resultate passten nicht mehr. Die EWE Baskets verloren beim Tabellenletzten Bayreuth, wurden von Heidelberg vorgeführt und unterlagen – trotz starker Leistung – auch den Telekom Baskets Bonn. Als dann noch das Niedersachsen-Duell in Göttingen an den Gegner ging, tauchte erstmals das Wort „Krise“ auf. Die Überzeugung von der eigenen Qualität aber blieb lebendig, das betonte auch MVP-Kandidat DeWayne Russell im Interview: „Ich bin davon überzeugt, dass auf lange Sicht diese zwei oder drei Spiele, die wir jetzt durchstehen müssen, der Grund sein werden, warum es eine erfolgreiche Saison wird.“

Problem: Es blieb nicht bei zwei, drei Spielen.

Denn nach den vier Niederlagen am Stück fanden sich die EWE Baskets in einer kniffeligen Situation wieder: Vor den Auswärtsspielen in Chemnitz und Würzburg war der Druck durchaus hoch. In Chemnitz drohte die Angelegenheit endgültig zur Kopfsache zu werden. Das Team lag hinten, im letzten Viertel folgte der fatale Sturz von Pjanic: Die Vorzeichen waren nicht die besten. Die Oldenburger fanden allerdings einen Ausweg – und das auf eine Weise, die sie in dieser Saison schon so oft ausgezeichnet hat. Mit großem Kampf und unbändigem Einsatz sicherten sie sich den Erfolg und beendeten die Negativserie.

Drei Tage später in Würzburg das gleiche Bild: Rückstand, Kampfgeist, Auswärtssieg.

Fünf Spieltage vor dem Ende der regulären Saison zeigt sich, dass die EWE Baskets mit aller Macht versuchen werden, ihren vierten Platz zu verteidigen. Damit würden sie sich nicht nur das Heimrecht im Viertelfinale sichern, sondern auch einem Erstrunden-Duell mit den drei Titelanwärtern Berlin, Bonn und München aus dem Weg gehen. Machen wir uns nichts vor: Gegen dieses Trio dürfte in der laufenden Saison nicht allzu viel auszurichten sein.

Nachdem ich mit meinem letzten Tipp hinsichtlich der verbleibenden Hauptrunden-Begegnungen (mal wieder) eine Niete gezogen hatte, halte ich mich mit weiteren Prognosen für die zu erwartenden Spiele zurück. Sehr wohl aber möchte ich auf die Schlüsselspieler schauen, denen bis zum letzten regulären Spieltag gegen die Bayern und auch darüber hinaus eine ganz wichtige Rolle im Kader zukommen wird:

Hassani Gravett entwickelt sich zu einem wichtigen Partner an der Seite von DeWayne Russell. Bild: Ulf Duda / fotoduda.de

Hassani Gravett durchläuft eine kontinuierliche Entwicklung. Als Nachrücker hat er auf einer absoluten Schlüsselposition im Spielaufbau ohnehin eine komplexe Herausforderung zu meistern, und angesichts der herausragenden Klasse seines Kollegen DeWayne Russell ist es alles andere als selbstverständlich, sich im Team zurechtzufinden. Zuletzt aber hat er sich auf hohem Niveau stabilisiert, und er blühte beim Auswärtssieg in Würzburg geradezu auf. Gravett könnte sich als Lebensversicherung für die Baskets erweisen, wenn Russell mal in Foulprobleme kommen sollte oder eine Pause benötigt.

Kenny Ogbe ist zurück – und das gleich in doppelter Hinsicht. Einerseits hat er seine lange Verletzungspause endlich beendet, andererseits beeindruckte er in den Spielen seit seinem Comeback mit starken Darbietungen. Gerade vor dem Hintergrund des Ausfalls von Alen Pjanic kommt dem vielfachen Nationalspieler eine besondere Rolle zu. Ogbe macht momentan den Eindruck, als könne er diese mit viel Schwung ausfüllen.

Tanner Leissner musste ebenfalls über einen längeren Zeitraum zuschauen, und es ist kein Zufall, dass die Niederlagenserie mit ihm auf dem Parkett endete. Leissner ist der typische Vertreter für eine Art von Spielern, deren größter Einfluss nicht in Zahlen ablesbar ist. Mit seiner Cleverness macht er das Team schlicht besser. Gemeinsam mit seinen Kollegen wird er in den kommenden Wochen alles tun, um einen im Gespräch formulierten Plan umzusetzen: „Ganz klar ist es ein Ziel, mit Oldenburg wieder international zu spielen, entsprechend müssen wir uns platzieren.“ Was das betrifft, liegen die EWE Baskets auf Kurs.

Und dann ist da noch Center Norris Agbakoko. Der bekam bei den beiden wichtigen Siegen in Chemnitz und Würzburg jeweils mehr als 15 Minuten Spielzeit und erzielte in Franken mit seinen zwölf Zählern eine neue persönliche Bestmarke. Klar ist: Diese Ausbeute muss für den erst 23-Jährigen keine Ausnahme sein! Gerade mit Blick auf seinen Center-Kollegen Owen Klassen, der sich oft genug mit zuweilen grotesken Fouls aus dem Spiel nimmt, ist ein selbstbewusster Agbakoko für die Oldenburger von großer Bedeutung.

Ob die Siege den EWE Baskets nun tatsächlich Rückenwind für die verbleibenden fünf Spiele bescheren, wird sich noch erweisen müssen. Der Auswärtstrip hat auf jeden Fall gezeigt, dass die Einstellung des Teams tadellos ist. Und solange die Mannschaft im Rennen um den vierten Platz bleibt, darf über fehlende spielerische Leichtigkeit gönnerhaft hinweggesehen werden. Immerhin befinden sich die Oldenburger mit Blick auf den Kollaps 2021/2022 ja auch erst am Anfang eines neuen Weges.

Die EWE Baskets haben gute Chancen, die reguläre Saison als Vierter zu beenden. Bild: Ulf Duda / fotoduda.de