Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Ein Sweep, ein 0:12-Trainer und einige Fragezeichen: Alles schlecht in Oldenburg?

Beim Blick auf zwei besondere Gewissheiten im Sport gehört die eine zu den allgemeinen, die andere zu den unter anderem im Basketball speziellen. Gewissheit Nummer eins: Es zählt nur das Ergebnis. Und Nummer zwei: In den Playoffs muss man die besten Leistungen bringen.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund die vergangene Woche der EWE Baskets Oldenburg, dann darf festgehalten werden: Es ging so einiges schief. Binnen sechs Tagen verloren die Niedersachsen dreimal gegen die MHP RIESEN Ludwigsburg. Die gute Ausgangslage als Tabellenvierter nach der Hauptrunde? Verspielt. Die Hoffnung auf einen langen Playoff-Run und ein abermaliges Duell mit den Telekom Baskets Bonn im Halbfinale? Erledigt.

Die zuvor explizit gute Laune rund um die EWE Baskets Oldenburg hat in dieser vermaledeiten Maiwoche auf jeden Fall einen ordentlichen Schlag abbekommen. Nach der allgemein als Erfolg verbuchten Hauptrunde mit 22:12 Siegen im Jahr eins nach dem Abgang von Rickey Paulding, der Verpflichtung des neuen Trainers Pedro Calles und der Neuausrichtung des Kaders waren die Ambitionen groß. Dann kamen die sechs Tage im Mai.

Alles schlecht in Oldenburg? Nun: Nach dem desillusionierenden 0:3 gegen Ludwigsburg stellen sich natürlich Fragen nach den Ursachen. Bei aller berechtigten Enttäuschung gibt es allerdings auch positive Anzeichen für die Zukunft.

Ja, genau so sahen die Playoffspiele zwischen Oldenburg und Ludwigsburg nicht selten aus. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Der Trainer

Nach der phasenweise furchterregenden und später immerhin noch versöhnlich beendeten Saison 2021/2022 präsentierten die Verantwortlichen der EWE Baskets im Mai 2022 ihren neuen Trainer: Pedro Calles. Der Spanier hatte nach zwei Jahren als Headcoach von RASTA Vechta zwei weitere Jahre bei den Towers in Hamburg verbracht und wechselte nun zurück nach Niedersachsen. „Wir wollten einen Trainer, der unsere Strategie in den nächsten Jahren mitprägen kann, der für modernen Basketball steht, seine Teams und Spieler weiterentwickelt“, sagte Baskets-Geschäftsführer Hermann Schüller vor einem Jahr und fügte hinzu: „Dieses Anforderungsprofil erfüllt Calles in jeder Hinsicht.“ Er erhielt einen Drei-Jahres-Vertrag.

Calles etablierte in Oldenburg einen neuen Stil, schickte eine Mannschaft ins Rennen, die vor allem in kämpferischer Hinsicht viele Argumente lieferte, als Fan zu ihr zu stehen. Der Lohn: eine ordentliche reguläre Saison, der vierte Platz und eine Arena-Auslastung von 99 Prozent; Bestwert in der Clubhistorie und angesichts von Zuschauerzahlen andernorts eine sehr starke Marke. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Zuspruch einbricht – ein echtes Pfund für die Zukunft.

Zur Betrachtung gehört aber auch: In den Playoffs sucht der 39-Jährige inzwischen seit einiger Zeit nach einem Erfolgsrezept, denn die Bilanz in der Meisterrunde lautet seit Juni 2019: 0:12*. Mit Vechta schied er 2019 mit 0:3 im Halbfinale aus (die Folgesaison lief aufgrund von Corona-Maßnahmen ohne klassische Playoffs), mit Hamburg war jeweils in der ersten Runde gegen Berlin und Bonn mit 0:3 Schluss. Das 0:3 gegen Ludwigsburg setzte diese unschöne Serie humorlos fort. (* Nachtrag vom 23. Mai: Da ich Pedro Calles nun wirklich nichts Böses will, füge ich an dieser Stelle gerne hinzu: Zuvor hatte er Bamberg mit 3:1 aus den Playoffs befördert. Im Anschluss ab Anfang Juni 2019 folgten dann bis jetzt allerdings jene zwölf Playoffniederlagen in Serie).

Die kommenden Wochen werden sehr spannend, denn der Headcoach hat jetzt die Chance, den Kader noch mehr nach seinen Vorstellungen zu beeinflussen. Auch in der abgelaufenen Saison waren bereits einige Wunschspieler von ihm für Oldenburg aktiv, allerdings auch noch einzelne Akteure, die mit laufenden Verträgen schon vor seiner Verpflichtung gebunden waren.

Der Kader

Der sportliche Leiter Srdjan Klaric, Trainer Calles und Clubchef Schüller sorgten im vergangenen Sommer für ordentlich Betrieb bei der Kaderumwälzung, sieben neue Akteure wurden nach Oldenburg geholt. Klarer Fokus: Guard-Power, flexible Spieler auf den Flügeln, dazu ein routinierter Center. Als bekannte Gesichter blieben einzig Bennet Hundt, Norris Agbakoko, Alen Pjanic und TJ Holyfield an Bord.

Im Verlauf der Saison und spätestens in den Playoffs zeigten sich die Probleme, die auch durch Nachverpflichtungen nicht in den Griff zu bekommen waren. Hinter dem überragenden Aufbauspieler DeWayne Russell konnte sich kein Vertreter etablieren, der den Ball kontinuierlich sicher vortragen und gleichzeitig verlässlich punkten kann. Hundt war nicht glücklich und verließ den Club vorzeitig Richtung Heidelberg, MaCio Teague, zuvor sogar College-Champion, wirkte verunsichert und bekam in Rihards Lomazs und Hassani Gravett nacheinander gleich zwei neue Guards vor die Nase gesetzt, Max DiLeo lebt vor allem von seiner wilden Defensive – und Gravett zeigte mehr Schatten als Licht. Geriet Russell dann wie gegen Ludwigsburg unter enormen Druck, wurde das Gesamtgefüge (zu) wackelig.

Norris Agbakoko gehört zu den großen Gewinnern der Oldenburger Saison. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Grund zur Sorge bereitete derweil auch die Center-Position. Hier war Owen Klassen zunächst längere Zeit auf sich allein gestellt, da der junge Norris Agbakoko mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte. Der wiederum entwickelte sich ab dem Frühjahr dermaßen positiv, dass er zu den absoluten Gewinnern der nun frühzeitig beendeten Saison zählt. Klassen hingegen spielte einerseits oft die Rolle, die er in der Tat am besten bekleiden kann: als ein solider Center, der für zehn Punkte und fünf Rebounds gut ist.

Aber: Bei seiner ersten Playoff-Teilnahme während seiner langjährigen BBL-Karriere hat er nicht ausreichend Werbung für sich betrieben, zumal die Foulproblematik einfach nicht von der Hand zu weisen ist. Nicht unwahrscheinlich, dass seine vorzeitige Disqualifikation nach zwei unsportlichen Fouls im dritten Spiel sein letzter Eintrag in die Oldenburger Statistik war.

Der Blick auf den zukünftigen Kader ist aktuell noch nebelig; das Fundament mit Spielern wie DeWayne Russell oder Alen Pjanic (dem weiterhin ein reibungsloser Genesungsprozess zu wünschen ist) ist jedenfalls gelegt. Die kommenden Wochen werden Aufschluss darüber geben, wie umfassend der Veränderungsprozess nach einer Saison ausfallen wird, die wohl als Übergangsspielzeit bilanziert werden darf.

Die Verletzungen

Eine nicht ganz unwesentliche Rolle bei der Betrachtung des jähen Saisonendes muss der Blick auf die Verletzungen spielen. Schon während der Saison fielen immer wieder Akteure kurz- bis mittelfristig aus, zwei Blessuren hatten allerdings entscheidenden Anteil an den eingeschränkten Möglichkeiten.

Zum einen ist der lettische Nationalspieler Rihards Lomazs zu nennen. Er war bei seinen Auftritten im Oldenburger Trikot zwar noch auf der Suche nach seinem gewöhnlich herausragenden Distanzwurf, hätte aber im Verlauf der Saison eine große Bedeutung gewinnen können. Denn den EWE Baskets fehlte über die komplette Spielzeit nicht nur eine bessere Quote von der Dreierlinie, sondern auch ab und an die Fähigkeit zusätzlicher Spieler, sich selbst einen Wurf zu kreieren. Lomazs hätte ein solcher sein können; ein Kreuzbandriss beendete seine Saison vorzeitig.

Zum anderen wog der Ausfall von Alen Pjanic schwer. Der 26-Jährige avancierte in Oldenburg zu einem neuen Publikumsliebling. Er ist flexibel einsetzbar, kann aus der Distanz treffen und besticht durch nimmermüden Einsatz samt vieler Emotionen. Einer, der alle mitreißt: Sein Wert wäre in der umkämpften und wahrlich nicht immer schön anzuschauenden Serie gegen Ludwigsburg überaus wertvoll gewesen. Da er beim Auswärtsspiel in Chemnitz allerdings hart zu Boden ging, zerbrach nicht nur ein Knochen, sondern in der Rückschau auch ein großes Stück der Oldenburger Ambitionen.

Am Rande der Bande: Sportleiter Srdjan Klaric, Clubboss Hermann Schüller, die verletzten Rihards Lomazs und Alen Pjanic sowie Shakur Juiston (von links). Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Der Fluch der guten Ergebnisse

Hatten sich die Oldenburger möglicherweise irgendwo im Unterbewusstsein auch ein bisschen zu sicher gefühlt, als der Viertelfinalgegner feststand? Immerhin hatten die EWE Baskets den Tabellenfünften aus Ludwigsburg in der Saison schon dreimal geschlagen: In der BBL-Hinrunde und im Pokalhalbfinale jeweils nach hohem Rückstand, in der BBL-Rückrunde dann noch einmal ganz souverän. Was dreimal funktioniert, geht einfach weiter? Keinesfalls, wie sich zeigen sollte. Denn Ludwigsburg, das kurz vor den Playoffs den Vertrag mit Trainer Josh King verlängerte und so aufflammende Diskussionen über seine Zukunft rigoros beendete, erwies sich als (zu) hohe Hürde.

Die MHP RIESEN waren von der ersten bis zur letzten Sekunde präsent, engten die Kreise von DeWayne Russell, zuvor als besten Offensivspieler der Saison ausgezeichnet, leidenschaftlich ein (vor allem Kapitän Yorman Polas Bartolo leistete hier einen fantastischen Job) und setzten sich dreimal durch. Die vorangegangenen Niederlagen gegen Oldenburg erwiesen sich im Rückblick als beste Motivation. Die Ludwigsburger konnten daher am Ende dieser Woche im Mai hinter zwei Gewissheiten strahlend einen Haken machen: Es zählt nur das Ergebnis – und in den Playoffs muss man seinen besten Basketball zeigen. Mission accomplished.


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