Im Mai 2022 präsentierten die EWE Baskets Oldenburg in Pedro Calles ihren neuen Trainer. Der Spanier, zuvor bei den Towers aus Hamburg aktiv, unterschrieb beim Basketball-Bundesligisten für drei Jahre. Seine Aufgabe in der ersten Saison an der Hunte war keine einfache: Die Niedersachsen hatten in der vorangegangen Spielzeit beinahe eine kapitale Bruchlandung hingelegt, dabei drei Headcoaches beschäftigt und sich zudem noch von Club-Legende Rickey Paulding verabschiedet.
Calles meisterte die Herausforderung mit einer in weiten Teilen neu zusammengestellten Mannschaft ordentlich: Der Einzug ins Pokalfinale und ein vierter Platz nach der Hauptrunde waren ein Erfolg, das Erstrunden-Aus gegen Ludwigsburg (0:3) dämpfte die Stimmung nur kurzzeitig.
Jetzt, im August 2023, nehmen Calles und das Team die Arbeit wieder auf und bereiten sich auf die Saison 2023/2024 vor. Im Club-Center an der Maastrichter Straße stand mir der 39-Jährige, der am 24. August seinen runden Geburtstag feiert, Rede und Antwort.
Wie war der Sommer? Gab es die Chance, mal wirklich abzuschalten und nicht über Basketball nachzudenken?
Es war ein sehr produktiver Sommer! Ich glaube, ich habe eine sehr gute Mischung der Bereiche, die mir wichtig sind, hinbekommen. Das ist einerseits das Entspannen. Andererseits geht es um das Lernen, das Verbessern, das Verfeinern der Lehrmethoden. Und natürlich, als Eckpfeiler in meinem Leben, meine Familie. Die Balance in diesen drei Bereichen hat sehr gut gepasst.
Das letzte Spiel war im Mai, was sich aktuell als ewig weit entfernt anfühlt. Wir haben uns vor einigen Wochen über die Spielzeit unterhalten. Hat sich die Einschätzung der vergangenen Saison mit etwas mehr zeitlicher Distanz verändert?
Zunächst einmal: Die vergangene Saison ist nun tatsächlich Vergangenheit. Wir haben sie analysiert und Entscheidungen getroffen, um Schritte in die richtige Richtung zu unternehmen. Ich verstehe einen Trainer und ein Basketballteam wie einen Computer: Man muss immer mal wieder ein Upgrade planen und neue Software downloaden oder ein Update durchführen. Die letzte Saison waren wir die EWE Baskets Oldenburg, diese Saison sind wir die EWE Baskets Oldenburg 2.0. Mit neuer Software und neuen Updates.
Die EWE Baskets Oldenburg sind zurück im internationalen Wettbewerb. Was erwarten Sie von der Champions League? Und wagen Sie schon eine Einschätzung der feststehenden Gegner Oostende und Karsiyaka?
Ich bin sehr glücklich, in Oldenburg nun auch international spielen zu können. Die Champions League hat sich in den letzten fünf, sechs Jahren enorm entwickelt. Für uns ist es aus zwei Gründen wertvoll. Zum einen aus sportlicher Perspektive, denn wir alle sind Wettkämpfer und wollen uns mit den Besten messen. Und zum anderen ist es auch für den Club an sich wichtig, um immer besser zu werden und die verschiedenen Anforderungen, die eine Teilnahme an zwei parallelen Wettbewerben mit sich bringt, zu meistern. Wir fordern uns selbst heraus. Und die Gegner? Nun, nach einem Jahr ist unsere Philosophie ja durchaus bekannt: Wir kümmern uns nur um uns selbst. Der erste Spieltag in der Champions League ist außerdem erst Mitte Oktober – daher bin ich noch nicht allzu weit in unsere Gegner hineingetaucht. Momentan befasse ich mich ausschließlich mit meiner Mannschaft. In zwei Monaten kann auf diese Frage sicherlich besser antworten. (lacht)
Ihrer Mannschaft dürfte in Izmir ein herzliches Willkommen gewiss sein, denn die Fans von Pinar Karsiyaka erinnern sich immer noch gerne an das Final-Four-Wochenende 2013 …
Das wurde mir berichtet, ich bin selbst nicht so aktiv im Bereich Social Media. Das ist eine gute Sache, aber während der 40 Spielminuten wird das keine Rolle mehr spielen. (lacht)
Nach der vergangenen Saison gab es zahlreiche Spieler, die keinen neuen Vertrag erhielten. Wie einfach – oder auch: wie schwierig – ist es, solche Entscheidungen zu treffen?
Diese Entscheidungen, vor allem nach einer solch guten Saison wie der vergangenen, sind niemals einfach. Aber wir wollen alle immer das Bestmögliche erreichen, und ab und an findet man nicht zueinander oder fasst den Plan, hier und da in eine andere Richtung zu gehen. Es sind ja immer zwei Seiten beteiligt. Ich habe großen Respekt vor den Spielern und ihren Leistungen und nehme viele gute Erinnerungen an das mit, was wir zusammen erreicht haben.
Der Spielermarkt im Basketball ist enorm groß. Es ist unmöglich, seine Augen überall zu haben. Wie gehen Sie und Sportleiter Srdjan Klaric bei der Suche nach neuen Akteuren vor?
Der europäische Markt ist inzwischen ein sehr schwieriger, aus unterschiedlichen Gründen. Zu nennen ist beispielsweise die G-League in den USA, wo es bei den Vertragsbedingungen Anpassungen gegeben hat, die für heimische Spieler attraktiver geworden sind. Auch die Colleges sind noch attraktiver geworden, hinzukommt ein Markt wie in Asien, der vor einigen Jahren noch nicht diese Anziehungskraft besessen hat. Ein weiteres Beispiel ist Australien mit einer inzwischen sehr starken Liga. Wichtig ist: Wir kümmern uns nicht erst im Sommer um neue Spieler, das ist ein Zwölf-Monats-Job. Und immer dann, wenn wir einen neuen Akteur benötigen, weil es an einer bestimmten Stelle eine Veränderung gibt, suchen wir jene, die unseren Bedürfnissen am besten entsprechen. Und an diesem Prozess sind viele beteiligt, um die beste Entscheidung treffen zu können.
Worauf war der Fokus in diesem Jahr ausgerichtet? Mehr Wurfqualität? Mehr Athletik?
Zuallererst suchen wir stets Spieler, die zu unserer Kultur passen. Wir wollen dabei keinen Teil unserer Identität opfern. Beim Blick auf die Neuen wollten wir einen klaren Blick auf die Stärke jedes Einzelnen haben. Schauen wir uns Kyle Foster an: Er hat bei seinen vergangenen Stationen sehr gut geworfen, und wir erhoffen uns von ihm eine Fortsetzung dieser Qualität. Aber auch die Athletik war ein Faktor, dafür spricht beispielsweise die Verpflichtung von Ebuka Izundu.
Es ist schwer, über ein Team zu sprechen, das noch gar nicht zusammengekommen ist. Aber: Was für einen Basketball dürfen die Fans von den EWE Baskets 2023/2024 erwarten? Eine komplette Neuausrichtung dürfte eher unwahrscheinlich sein …
Sobald wir alle hier haben und mit dem Training starten, werden wir damit beginnen, bestimmte Aspekte anzupassen. Wir als Trainer haben natürlich eine klare Identität und Philosophie, aber gleichzeitig müssen wir uns die Offenheit bewahren, diese ebenfalls an die Bedürfnisse anzupassen – ohne sie ganz aufzugeben.
Es wird einige Youngster geben, die regelmäßig im Training dabei sind. Welche Rolle können sie am Ende tatsächlich spielen? Bei einem gesunden Profikader bleibt nicht mehr allzu viel Platz für Spielzeit.
Ich verstehe die Frage, aber ich möchte dazu etwas klarstellen. Wenn das Team gesund ist, aber nicht so arbeitet, wie es sollte, und gleichzeitig arbeiten die Youngster auf bestmögliche Weise: Dann muss ich auf dieser Basis entscheiden. Wir haben keine Spielzeiten in den Verträgen festgelegt. Jeder muss sich seine Rolle erarbeiten und diese verteidigen. Die jungen Spieler sollen gefördert werden: Um individuell stärker zu werden, um den deutschen Basketball voranzubringen und um unsere Chancen in der Champions League zu verbessern, wo die Rolle der einheimischen Spieler eine wichtige ist. Ich konzentriere mich daher nicht nur auf das erste Team, sondern auf das gesamte Nachwuchsprogramm.
In Carrington Wiggins wurde ein zusätzlicher Spieler mit ausländischem Pass verpflichtet. Er soll vornehmlich in der Regionalliga zum Einsatz kommen, aber auch im Profikader mittrainieren.
Letzte Saison hatten wir Probleme mit Verletzungen, nicht nur in den Spielen. Man kann für ein einzelnes Spiel immer eine Lösung finden, aber im Training fehlen irgendwann die Möglichkeiten. Da wir nur in einem Wettbewerb aktiv waren, mussten wir von Montag bis Freitag trotzdem immer alles am Laufen halten. Es lag nicht daran, dass die Spieler nicht wollten, sondern daran, dass immer wieder jemand ausfiel. Und nun, mit einem weiteren Akteur, wollen wir diese Situation verbessern. Carrington kommt von einem Division-2-College, es ist seine erste Station außerhalb der USA, er muss sich an eine ganz neue Kultur gewöhnen: Natürlich ist das auch immer mit dem einen oder anderen Fragezeichen versehen, aber er freut sich auf die Herausforderung.
Alen Pjanic hat sich in der vergangenen Saison schwer am Arm verletzt. Wann rechnen Sie mit seiner Rückkehr auf das Parkett?
Vorweg möchte ich dem Club mit Blick auf Alen ein ganz großes Kompliment aussprechen. Wir konnten seinen Vertrag verlängern, nachdem er sich verletzt hatte. Seine Verletzung war natürlich sehr unglücklich, und es ist ein sehr langer Prozess, in dem er sich befindet. Wir Trainer hoffen, ihn noch vor Ende dieses Jahres zurück auf das Feld zu bekommen. Ob das im Dezember sein wird? Oder im November? Das können wir nicht voraussagen. Wir benötigen Geduld und haben sie, denn auf einer Skala von eins bis zehn war er in der Bedeutung für das Team eine sehr große Nummer.
Sie sprechen grundsätzlich nicht gerne über andere Teams, aber in diesem Fall dürfte es etwas leichter fallen: RASTA Vechta ist zurück in der Bundesliga. Was trauen Sie Ihrem ehemaligen Club zu?
Ich bin sehr glücklich über die Rückkehr von Vechta in die BBL. Ich hatte dort eine großartige Zeit und habe immer noch viele tolle Erinnerungen. Der Aufstieg ist auch für die ganze Basketball-Community hier in unserer Region eine prima Geschichte, damit haben wir wieder ein Niedersachsenderby. Vechta gehört in die Bundesliga, auch wenn sie jetzt kurzzeitig in der ProA spielen mussten. Die Organisation ist sehr gut aufgestellt. Ich hoffe und erwarte, dass sich RASTA in der BBL etabliert.
Die Weltmeisterschaft rückt näher. Was erwarten Sie vom Turnier? Und welche Rolle können Spanien und Deutschland spielen?
Ich freue mich auf die WM. Die besten Spieler sind dabei, auch aus der NBA und der Euroleague. Ich erwarte aufregende Spiele. Und Spanien als auch Deutschland rechne ich gute Chancen aus. Nicht nur aufgrund der Spieler, sondern auch aufgrund der Trainer Gordon Herbert und Sergio Scariolo, vor denen ich großen Respekt habe. Die beiden Teams können sehr weit vorne landen.
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