Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Den Fehlstart mit Nachdruck verhindert: Gründe für den Oldenburger Erfolg gegen Bayern

Als Pedro Calles seine Spieler am späten Montagabend zur Auszeit bat, schwebten einige große Fragen durch die EWE Arena. Würde der FC Bayern München am Ende doch noch seiner Favoritenstellung gerecht werden? Liefen die EWE Baskets Oldenburg Gefahr, einen furiosen Abend im letzten Moment mit einem sportlich tragischen Ende zu versehen? Und wer sollte nun Verantwortung übernehmen? Die Angriffszeit: fast abgelaufen. Der Spielstand: 72:67 aus Sicht der Niedersachsen. Verbleibende Zeit im Spiel: 41 Sekunden. Eine kleine Ewigkeit in diesem Sport.

Es musste also schnell gehen – und es ging schnell. Kyle Foster nahm Maß von der Dreierlinie, von wo er zuvor bei zehn Versuchen nur zwei hatte versenken können. Ausgerechnet Foster, mögen viele unter den 6.200 Zuschauern in der natürlich ausverkauften Arena gedacht haben; der US-Amerikaner aber versenkte das Spielgerät mit ablaufender Uhr im Korb und setzte einen vorzeitigen Schlussstrich unter einen außerordentlich intensiven Abend. Die allerletzten Bemühungen des Meisterschaftsanwärters in der easyCredit Basketball Bundesliga versandeten, die Hausherren siegten 77:67.

Die Oldenburger hatten sich durchaus mit einem kleinen Päckchen Druck beladen vor dem Gastspiel der Bayern, deren Nationalspieler Andi Obst und Isaac Bonga übrigens mit stehenden Ovationen in Oldenburg begrüßt worden waren. Am Freitag gastierten die EWE Baskets bei den Basketball Löwen Braunschweig und lieferten dort eine über weite Strecken ordentliche, aber zuweilen auch fahrige Vorstellung. Die Vorteile, die sich das Calles-Team erkämpfte, schubste es aufgrund einiger Fehler und schlechter Würfe wieder um, die couragierten Braunschweiger griffen beherzt zu und lieferten einige Argumente, die ihrer Einordnung als Abstiegskandidat kraftvoll widersprachen.

Das 86:91 aus Oldenburger Sicht war gewiss vermeidbar, allerdings sind derlei unvollkommene Auftritte ja grundsätzlich zu erwarten von einem Kader, der im Sommer ordentlich durcheinander geworfen wurde und aufgrund von Verletzungen in der Vorbereitung noch nicht ausreichend kontinuierlich zusammenarbeiten konnte. Mit dem Spiel gegen die Bayern vor Augen, mussten sich die EWE Baskets also tatsächlich mit der Möglichkeit eines kleinen Fehlstarts befassen. Die Aussichten wurden nicht besser, als sich am Spieltag auch noch Kapitän Max DiLeo aufgrund einer Blessur zu den ebenfalls verletzten Akteuren Alen Pjanic und Kenny Ogbe setzen musste. Wie also auftreten gegen eine Münchener Mannschaft, die in praktisch jeder Saisonprognose an die erste Stelle gesetzt wurde?

Charles Manning Jr. avancierte am Montag gegen Bayern zum Matchwinner. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Nun: Es kam dann alles ein wenig anders als erwartet.

Wenngleich auch dem FC Bayern zu Beginn einer langen Saison mit der enormen Euroleague-Doppelbelastung eine Phase der Justierung zugestanden werden muss, ist der Sieg der Oldenburger von großem Wert und keinesfalls kleinzureden. Nicht nur verbuchten die Norddeutschen zwei Pluspunkte, die eher nicht zur vermeintlichen Pflicht-Kategorie zählen – viel mehr beendeten sie auch einen Negativlauf, der mit vier Testspielniederlagen und der Schlappe in Braunschweig gerade dabei war, Fahrt aufzunehmen. Ja, es waren Tests – aber: Das Gefühl, Spiele nicht mehr gewinnen zu können, lähmt allzu oft erst den Geist und dann die Beine. Die Erkenntnis, den Lohn der Arbeit auch wirklich einstreichen zu können, dürfte den kleinen mentalen Knoten gelöst haben.

Und auch der grundsätzliche Blick auf den Kader macht nach den ersten Spielen durchaus Mut für den weiteren Saisonverlauf. Dafür sehe ich (mindestens) drei Gründe.

  1. Am Spielfeldrand saßen in Alen Pjanic, Kenny Ogbe und Max DiLeo drei Spieler, die jeder für sich eine Partie auch mal entscheiden können oder aber mindestens in jeder Begegnung ihre Rolle seriös erfüllen. Wenn sie zurückkehren – Pjanic gewiss deutlich später als seine Kollegen –, verfügen die Oldenburger (gesunde Mitspieler vorausgesetzt) über einen sehr tiefen Kader.

  2. Das Duo aus DeWayne Russell, der gegen München deutlich runder lief als noch in Braunschweig, und Neuzugang Charles Manning Jr. dürfte eine Menge Freude bereiten. Die Oldenburger verfügen jetzt über mehr offensive und kreative Optionen und müssen nicht unruhig werden, wenn es bei Russell mal zwickt oder er eine Pause einlegen muss. Davon profitierten sie gegen den FC Bayern enorm.

  3. Die Athletik, die beispielsweise Power Forward Deane Williams und Center Ebuka Izundu mitbringen, ist ein belebendes Element im Oldenburger Spiel und macht es Coach Calles einfacher, seine Spielphilosophie umzusetzen.
Len Schoormann zeigten gegen Bayern eine höchst couragierte Vorstellung. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Erwähnt werden müssen aber auch andere, die ihren Wert bereits teilweise angedeutet und teilweise auch schon aufs Parkett gebracht haben. Kyle Foster kann aus jeder Lage werfen und trifft, wie in Braunschweig, notfalls auch unter größter Bedrängnis. Dass das nicht immer so klappt, war gegen Bayern zu sehen; den ganz wichtigen Wurf am Ende nahm er dennoch mit ungebremstem Selbstvertrauen. Oder Len Schoormann: Der Guard, dem bei seiner vorherigen Station in Hamburg nachgesagt wurde, gelegentlich unsichtbar zu werden, ging in der Defensive bis an die Schmerzgrenze und warf sich offensiv mit Freude immer wieder ins Zentrum erwartbarer Schmerzen.

Ist es nach zwei Spieltagen noch zu früh für eine richtige Einschätzung der Oldenburger Qualitäten? Ganz sicher. Aber: Die Idee, die den Baskets-Verantwortlichen bei der Zusammenstellung der Mannschaft durch den Kopf gegeistert ist, lässt sich bereits erkennen. Die Fragezeichen, die einige formuliert haben, nachdem die EWE Baskets in den Prognosen oft sehr hoch einsortiert worden waren, sind nach dem Auftritt gegen München auf jeden Fall kleiner geworden.

Es sei schließlich noch ein Blick auf den Rest der Liga gestattet. Während Braunschweig und Vechta mit jeweils zwei Siegen aus zwei Spielen außerordentlich positive Zeichen gesetzt haben und Ulm als Titelverteidiger mit zwei Erfolgen direkt wieder in der Spitzengruppe steckt, scheint der einstige Serienmeister aus Bamberg die pessimistischen Einordnungen vor dem ersten Tipoff zu bestätigen. Zwei Niederlagen mit insgesamt 52 Punkten Differenz: Der Abwärtstrend in Franken scheint sich noch einmal zu beschleunigen. Aber, seien wir ehrlich: Es wird noch einige Spieltage mehr dauern, bis sich das Tabellenbild so darstellt, dass sich Stärken und Schwächen tatsächlich ablesen lassen.


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