Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

„Ich würde gerne mal wieder eine Mannschaft coachen“ – Ein Gespräch mit Patrick Femerling

Patrick Femerling, am 4. März 1975 in Hamburg geboren, bestritt 221 Spiele für die deutsche Basketball-Nationalmannschaft – mehr als jeder andere zuvor und danach. 2011 beendete er seine Karriere nach einer abschließenden Saison bei ALBA BERLIN. Inzwischen ist der 2,17 Meter große Femerling Mitglied im Team von Dyn, dem neuen TV-Partner der easyCredit Basketball Bundesliga. Vor dem Spiel der EWE Baskets gegen den FC Bayern München, bei dem Femerling an der Seite von Kommentator Arne Malsch als Experte im Einsatz war, habe ich mich mit ihm über die Nationalmannschaft, seine Erwartungen an die Bundesliga-Saison und seinen Wunsch nach einer Rückkehr als Trainer unterhalten. Übrigens: Seine Prognose, dass es die Münchener an diesem Abend in Oldenburg schwer haben werden, bestätigte sich im Anschluss beim 76:66 der EWE Baskets.

Patrick, du bist deutscher Rekordnationalspieler, also müssen wir nicht zuletzt deshalb natürlich zunächst über die WM sprechen. Wann war für dich der Moment erreicht, an dem du ernsthaft daran geglaubt hast, dass hier eine besondere Erfolgsgeschichte entsteht?

Wenn man den Sommer vor diesem betrachtet, der mit der Bronzemedaille bei der EM endete, muss man rückblickend ja sagen: Schon das war ein sehr gutes Turnier. Und man muss hier hinzufügen: Es ist vielleicht sogar noch schwerer, eine EM zu spielen, da die Dichte an sehr guten Teams da noch ein bisschen höher ist. In diesem Jahr hat mir die Vorbereitung sehr gut gefallen, wobei es da natürlich auch diesen Tumult – oder besser: die Diskussionen – um Maxi Kleber und Dennis Schröder gab. Das fand ich persönlich etwas schade und auch unnötig, und so etwas birgt immer ein gewisses Risiko. Innerhalb der Mannschaft war das aber offenbar nie ein Thema und sie hat sehr gut funktioniert. Es gab dann von Spiel zu Spiel eine Steigerung in der Vorbereitung. Da stellt sich natürlich immer die Frage, wie man das dann erfolgreich zu Ende bringt. Beim Spiel gegen Australien haben sie sich beispielsweise auch ohne Franz Wagner sehr gut präsentiert. Man muss natürlich noch herausstellen: Die Mannschaft war doppelt und dreifach gut besetzt; so gut wie wahrscheinlich noch keine deutsche Nationalmannschaft zuvor. Ab da dachte ich: Da ist schon eine gewisse Stabilität. Gerade auch, weil man gesehen hat, wie die Mannschaft auf Hindernisse reagiert.

Du selbst kennst erfolgreiche Phasen im Trikot der Nationalmannschaft. 2002 hast du mit Deutschland die Bronzemedaille bei der WM in Indianapolis gewonnen. Wie fühlt es sich an, wenn man während eines Turniers ahnt, dass man etwas Großes erreichen kann? Zumal in einer Sportart, in der solche Erfolge für ein deutsches Team alles andere als selbstverständlich sind.

In dem Moment selbst macht man sich das gar nicht bewusst. Du lebst nur in eben diesem Moment. Erst in der Vorbereitung, dann in jedem einzelnen Spiel. Das Wichtige ist ja gerade, dass du den Fokus beibehältst. Wenn du da anfängst, einerseits auf andere zu hören und dir andererseits möglicherweise Gedanken über deine eigene Großartigkeit als Team zu machen, dann ist das in dem Moment eher kontraproduktiv und wird zu einem größeren Problem. Der Fokus gilt dir selbst, deiner Mannschaft – und damit dem, was zu tun ist. Anders kann man ein solches Turnier nicht bestreiten. Im Nachhinein ist das natürlich anders: Das ist schlicht Weltklasse. Für uns alle! Wir sind alle Fans, und die Mannschaft hat das bei der WM einfach brillant gemacht. Die Spieler haben sich auch danach toll präsentiert, absolut ehrlich und sehr emotional. Es hat richtig Spaß gemacht, den Jungs beim Feiern zuzuschauen und zu erleben, wie sie das alles zu Recht genossen haben. Ich hoffe, dass dieser Eindruck noch weitergetragen werden kann, das hat ja mehrere Facetten.

Und genau damit beschäftigt sich meine nächste Frage. Viele hoffen auf einen Basketball-Boom, doch erfahrungsgemäß geht so etwas eher schrittweise vonstatten. Was muss aus deiner Sicht passieren, damit der deutsche Basketball von einem solchen Erfolg wie bei der WM 2023 langfristig und damit nachhaltig profitiert?

Es muss natürlich medial aufgegriffen werden, das muss über die ganze Saison genutzt werden – ohne inflationär zu werden. Und dann wird es darum gehen, mit jenen die nächsten Schritte zu gehen, die sich im Umfeld bewegen. Beispielsweise mit einem Louis Olinde, den Malte Delows oder den Nelson Weidemanns – und all den anderen, die auch im Nachwuchs nachrücken. Es gibt da ja auch die U18, die bei der EM die Bronzemedaille gewonnen hat. Man muss den Fokus wieder weiter streuen, von oben ausgehend weiter nach unten und in die Breite. Es gibt dort sehr viel Potential, und es zeigt sich eben auch: Jugendarbeit funktioniert. Schau dir Johann Grünloh an, das ist eine tolle Geschichte eines jungen Spielers, der nun auch in der Bundesliga angekommen ist und dort eingesetzt wird. Auf der anderen Seite gibt es das Organisatorische, da müssen Akteure wie die Liga und der Verband Hand in Hand gehen und auch mit Blick auf die Politik die Möglichkeiten erweitern. Da geht es um mehr Trainer, mehr Hallenverfügbarkeiten; und das muss man nicht immer auf die Bundesebene führen, sondern muss in den Kommunen vorangebracht werden. Der Hype ist da und er ist riesengroß! Ich glaube, ich wurde noch nie so oft auf Basketball angesprochen wie in der Zeit nach dem WM-Titel. Und ich habe nicht einmal was dafür getan. (lacht)

Patrick Femerling war beim Spiel der EWE Baskets gegen den FC Bayern als Dyn-Experte im Einsatz. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Die Anschlussfrage nach denen, die in Zukunft nachrücken, hast du praktisch vorweggenommen. Tatsächlich ist es ja so: Wenn von denen, die aktuell für Deutschland spielen, einer ausfällt, dann stehen Alternativen praktisch Schlange. Was für eine exzellente Ausgangslage.

Ich habe das an anderer Stelle ja auch schon ein paarmal gesagt, und ich will da auch gar nicht nerven: Wir haben leider zwei oder drei Generationen an jungen Spielern verloren, da es in der BBL früher die Regel gab, dass du schlicht keinen deutschen Spieler mehr brauchtest. Da haben Kids reihenweise aufgehört, Basketball zu spielen. Die haben sich damals gefragt: Warum soll ich sieben Mal in der Woche in die Halle rennen, um dann zwei Tage nur im Bus zu sitzen und nie eingesetzt zu werden? Man hat den Leuten das dann wieder schmackhaft gemacht, und die Jugendarbeit in Deutschland ist inzwischen auf einem sehr guten Weg. Wir brauchen das flächendeckender, auch von den kleineren Vereinen, die ich als „Grassroots“-Vereine bezeichnen möchte. Jene, die anderen die Spieler praktisch zuliefern. Und das betrifft auch die Basketballerinnen: Auch die deutschen Frauen sind hoffentlich nächstes Jahr bei den Olympischen Spielen in Paris dabei, da bewegt sich ebenfalls einiges. Aber auch dort muss noch mehr passieren. Vielleicht muss man auch andere, neue Wege beschreiten, um das weiter zu fördern. So kommen wir auf einen stetig wachsenden Pool an Talent.

Ich erinnere mich an die Zeit, als die damaligen Regeln angepasst wurden. Der Trainer der Baskets stand am nächsten Tag bei uns und sagte: Ich brauche Listen von allen NCAA-Spielern, die jetzt in den Profibereich wollen. Da war rasch klar, was nun passieren würde in den Kadern der Clubs …

Das ging tatsächlich fast allen Mannschaften so. ALBA hat das damals noch ganz gut hinbekommen, es war natürlich auch ein finanzieller Faktor. Ich erinnere mich an ein Spiel mit Berlin, als mir beim Aufwärmen an der Mittellinie ein gegnerischer Spieler begegnete. Und ich dachte nur: Was macht der Junge hier? Der war 15 oder 16, kurz danach sah ich den nächsten. Im Grunde war das dann eine Art Pflichterfüllung gemäß der Regeln, aber ganz sicher keine zielgerichtete Nachwuchsförderung. Ich bitte das alles nicht falsch zu verstehen, denn: Die Mischung, wie wir sie heute haben, also das Halb und Halb aus Spielern mit deutschem und solchen mit ausländischem Pass, halte ich für perfekt. So kann man Talente fördern und eine echte Basketballkultur bilden.

Patrick Femerling trug das Trikot der deutschen Nationalmannschaft 221-mal. Foto: DBB/Camera4

Du selbst hast am College gespielt, auch heute zieht es viele Youngster für einige Jahre dorthin. Hältst du diesen Weg für die Ausbildung von Spielern für den vorbehaltlos richtigen?

Vorbehaltlos sicherlich nicht, aber auf der anderen Seite würde ich auch nicht vorbehaltlos sagen, dass dieser oder jener Verein der richtige ist für ein Talent. Eine Kontinuität in der Ausbildung ist gut. Wenn das ein Traum ist, der dann auch noch klappt wie beispielsweise bei den beiden Wagner-Jungs, die über Michigan den Weg in die NBA geschafft haben, ist das natürlich super. Oder wenn dir dein Studium wichtig ist und dir die deutsche Basketballförderung nicht so zusagt, dann ist das College sicher eine Möglichkeit. Und auch dort haben sich die Zeiten geändert. Als ich damals als Freshman dorthin kam, dann wusste ich: Du spielst sehr wenig, du musst die Taschen zum Training tragen und dich um die Wäsche kümmern …

… und man wurde oft in eine Rolle gedrängt. Mir sagte ein Spieler mal, dass er am College keine Dreier werfen durfte. Das war schlicht verboten …

Genau: Stell einen Block, roll ab und hol den Rebound. Und dann lauf zurück. Da muss man dann lernen, damit umzugehen und für sich zu entscheiden, wie sehr man sich selbst tatsächlich in dieser Rolle limitiert. Wenn man dann in dieser Rolle wächst, kommen andere irgendwann nicht mehr darum herum, einen auch etwas anders einzusetzen. Aber: Das ist natürlich schwer, denn es gehört eine gewisse Reife dazu oder auch eine Portion Trotz. Manchmal wird einem aber auch gar kein Raum dafür gegeben. Also: Vorbehaltlos stimme ich nicht zu, wenn es ums College geht, denn man kann auch in Deutschland sehr gut ausgebildet werden. Es kommt auch auf die Person an. Wenn man sich dafür entscheidet, dann ist es wichtig, über einen längeren Zeitraum dortzubleiben und das durchzuziehen. Auch und gerade in schwierigeren Phasen. Das gehört zur Charakterbildung und zum Erwachsenwerden dazu.

Du hast so vor zwei, drei Jahren dein letztes Spiel bestritten …

(lacht) Ich wünschte es! Meine Knie sagen was anderes.

Tatsächlich war es 2011. Was hat sich aus deiner Sicht in den letzten zwölf Jahren am meisten in der BBL verändert?

Insbesondere die Organisation ist in allen Bereichen professionalisiert worden. Sicherlich gibt es unterschiedliche Vereine mit ihren jeweiligen Bedingungen, aber es geht überall vorwärts. Vieles läuft auch noch über das Ehrenamt, ohne das man auch gar nicht auskommt, aber an den Schlüsselpositionen benötigt man schlicht Profis. Für die Medienarbeit benötige ich als Club einen Medienprofi, und wenn ich den finanziellen Spielraum erweitern möchte, sind auch da Fachleute entscheidend. Genauso braucht man aber auch Leute, die zuarbeiten und das mit viel Herzblut tun. Alle Clubs sind professioneller geworden. Hinzu kommt, dass bei den Vereinen das Bewusstsein dafür größer geworden ist, junge Spieler auch auf das Feld zu stellen. An dieser Stelle nenne ich auch immer Coach Aito, der eine wichtige Rolle gespielt hat. Der hat sich nicht im Entferntesten dafür interessiert, ob ein Spieler 16 oder 18 ist. Wenn einer talentiert war, dann hieß es: Der kommt mit. Bestes Beispiel dafür ist Franz Wagner. Oder Jonas Mattiseck, der mit 18 in den Kader gerückt ist und viele Minuten in der Euroleague bekommen hat. Und was haben alle gesehen? Es war stets eine intakte Mannschaft und es hat funktioniert! Aito hatte nicht generell die talentiertesten Jungs um sich, sondern er hat sie bewusst weiterentwickelt und mitgenommen. Das funktioniert immer besser, aber ich persönlich bin mit dem Stand der Dinge in der Liga diesbezüglich noch nicht ganz glücklich. Es sind mehr Minuten da für die Jungs. Die positive Entwicklung gilt übrigens auch für den Damenbereich, auch da macht ALBA es vor. Die spielen immer in einer vollen Halle, haben ein cooles Umfeld mit einer großen Nahbarkeit. Und damit sind wir wieder bei der Professionalität: Im Damen-Basketball gibt es, trotz aller Fortschritte, in Deutschland noch einiges zu tun.

Vor dem Tipoff prognostizierte Femerling ein hartes Stück Arbeit für die Bayern – am Ende verloren sie tatsächlich gegen Oldenburg. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Kommen wir zur aktuellen Saison. Ist hier in Oldenburg beim ersten Heimspiel der EWE Baskets gegen den FC Bayern München bereits der alles überragende Favorit in dieser Saison zu sehen?

Du meinst Oldenburg? (lacht)

Schön wäre es natürlich! Eher traue ich dann aber doch, wie eigentlich alle, Bayern den Titel zu. Und wen siehst du aus der aktuellen Perspektive noch in der Position, um die vorderen Plätze mitzuspielen?

Nominell hat Bayern den stärksten Kader. Das, was dort an Qualität auf allen Positionen vorhanden ist – plus jene Spieler, die aktuell noch gar nicht dabei sind –, gibt sehr viel her. Aber auch das benötigt noch Zeit, das hat man schon beim ersten Spiel gegen den SYNTAINICS MBC gesehen. Rhythmus, Normalität und Routine müssen sich erst noch entwickeln. Die Bayern werden in jede Halle kommen und gejagt sein. Ich sage aber auch, dass Oldenburg eine gute Mannschaft hat, die breiter besetzt ist. Da fehlt ja auch noch Alen Pjanic, der ein wichtiger Faktor sein kann. Oder Kenny Ogbe, der jetzt aussetzt und letzte Saison sehr gut gespielt hat. Dann sehe ich auch Ulm in einer guten Position. Sie sind Deutscher Meister und machen erneut einen guten Eindruck. Sie haben Selbstvertrauen und in Anton Gavel einen wirklich guten Coach. ALBA benötigt noch ein bisschen Zeit, in der Bundesliga werden sie eine gute Rolle spielen können, während es international wohl etwas schwieriger wird. Die Teams in der Euroleague haben unglaublich aufgerüstet, dort gibt es ja kaum eine Mannschaft, die nicht noch Extra-Geld in die Hand genommen hat. Da kamen immer und immer wieder hochkarätige Leute hinzu, das nahm ja kaum ein Ende. ALBA hat eine talentierte, junge Mannschaft und wird sich weiterentwickeln, trotz aller schmerzhaften Abgänge, zu denen auch Maodo Lo zählt. Nun bekommen junge Spieler die Möglichkeit, Schritte zu gehen, die vielleicht andernorts gar nicht denkbar wären. Außerdem bin ich gespannt auf das, was Chemnitz macht, wenn alle gesund sind. Nicht vergessen will ich Braunschweig. Die sind sehr gut gestartet, spielen trotz des eher kleineren Etats eine gute Rolle – und der Trainer hat unter diesen Bedingungen schon in der vergangenen Saison sehr gut gearbeitet. Es scheint gelungen zu sein, die Abgänge von Robin Amaize und David Krämer zu kompensieren. Braunschweig kann eine sehr spannende Geschichte werden!

Bei den Oldenburgern spielt ein 2,17-Meter-Mann, Norris Agbakoko, bei Bayern steht ein echter Star in Serge Ibaka im Kader, auch wenn er zu Beginn einer Woche, in der für München auch die Euroleague startet, geschont wird. Schaust du als Center bei Spielern auf dieser Position noch einmal ganz besonders genau hin?

Norris habe ich vor gut fünf Jahren das erste Mal gesehen, da war ich zu Besuch im Jugendtraining in Oldenburg. Da ging es für ihn im Grunde ja gerade erst los. Er war da noch sehr roh, aber man hat gesehen: Er ist sehr groß, er kann sich gut bewegen, er kann laufen – das braucht dann nur immer ein wenig Zeit. Bei einem solchen Spieler freut es mich dann sehr, dass Oldenburg gewartet hat und er sich immer weiterentwickeln und einen Schritt nach dem nächsten machen konnte. Und dass er selbst auch die Geduld hatte und nicht gesagt hat: Ich muss jetzt schnell woanders hin und acht Vereine in sechs Monaten durchprobieren. Jetzt hat er hier eine feste Rolle und ist produktiv für das Team. Mit der Größe und seiner Athletik kann er das Spiel verändern. Serge Ibaka ist dann noch einmal ein ganz anderes Thema, der hat schon viel verändert. (lacht) Es ist stark, dass er sich für die Bundesliga entschieden hat. Für den FC Bayern, der eine echte Marke ist, und für Pablo Laso als Trainer, den er ja bereits kennt. Aber auch der benötigt sicher noch ein paar Wochen oder Monate, bis er sich an den Spielstil hier gewöhnt. In der NBA wurde er eher als Spezialist eingesetzt, so wie viele dort, wenn du nicht gerade Superstar bist oder wie James Harden 30 Schüsse pro Spiel nimmst. Dort spielen Stats eine ganz große Rolle, oft noch vor dem Erfolg; das hat sich aber ein wenig gewandelt. Für mich steht Teamerfolg über allem – auch vor individuellen Punktebestmarken.

Clubs wie München und Berlin bestreiten parallel zur Liga mindestens 34 weitere Spiele in der Euroleague; das sind faktisch zwei komplette Saisons. Ist diese Belastung dauerhaft gut für den Basketball? Verwässert diese Menge eventuell sogar den nationalen Wettbewerb? Ich erinnere mich an ein Spiel gegen Bayern, zu dem der Gegner aufgrund der unglaublichen Termindichte die zweite und gar dritte Garde schickte.

Sprich: Es spielten also Spieler, die sonst nicht gespielt haben. Aber eigentlich müsste ja die Idee verfolgt werden, diese Spieler auch in einem sehr großen Kader so zu entwickeln, dass sie jederzeit in der Lage sind, dort erfolgreich und wie selbstverständlich aufzutreten. Das Talent ist ja vorhanden! Und bei einem Spiel wie dem von dir angesprochenen fehlte ihnen dann schlicht die Routine, da sie es nicht gewohnt waren, in diesem Umfang eingesetzt zu werden. Nimm Ivan Kharchenkov: Wenn du den über die kommenden Wochen regelmäßig in der BBL einsetzt, dann heißt es demnächst nicht mehr: Wer ist das denn? Den kennt man dann. Aber natürlich ist das auch nicht leicht, denn man will immer gewinnen und muss immer wieder entscheiden, wie und wo man in welchem Bereich Abstriche macht. Da ist man als Trainer in einer schwierigen Position. Du hast es ja gesagt: Es sind zwei komplette Saisons, und in der Bundesliga ist jedes einzelne Spiel hart. Das ist keine Liga, in der man sich hinstellen und sagen kann: Die da wischen wir mal eben weg, und gegen die da könnte es etwas enger werden. Du kommst in jede Halle und bist immer der Gejagte. Bei allen, die gegen Bayern oder ALBA spielen, gilt: Wenn du die besiegst, hast du ein Euroleague-Team geschlagen. Und das ist etwas wert, für jeden Gegner. Und wenn du dann zwei Saisons spielst, in denen jedes Spiel hart ist – und so ergeht es einem nun einmal in der Euroleague –, dann kostet das eine Menge Körner.

Am Rande der Bande ließ es sich vor der Partie entspannt plaudern. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Du hast unter anderem für ALBA BERLIN und für den DBB im Nachwuchsbereich als Coach gearbeitet. Wie sehen deine Ambitionen aus, auch zukünftig wieder als Trainer im Basketball tätig zu sein? Vielleicht sogar hier auf BBL-Niveau?

Hier in Oldenburg? Ist das ein Angebot? (lacht)

Ja, vielleicht auch in Oldenburg, aber die Frage ist aktuell eher grundsätzlich gemeint.

Ich habe zehn Jahre als Trainer gearbeitet, und es war wirklich eine super Zeit. Ich habe es genossen, aber das Ganze zuletzt etwas auf Eis gelegt, auch aus familiären Gründen. Daher bin ich für den Moment sehr glücklich, dass ich hier bei Dyn in Sachen Basketball weiterhin involviert bin. So kann ich mich damit weiter beschäftigen, was ich natürlich sowieso getan hätte. So kann ich praktisch nochmal mein Hobby zum Beruf machen. Aber klar: Ich würde gerne mal wieder eine Mannschaft coachen. Und eine im Profibereich? Das ist natürlich ein Traum. Da gibt es nicht so viele Möglichkeiten, und es ist auch eine große Herausforderung. Das würde ich mir schon gerne irgendwann zutrauen wollen.

Stichwort Herausforderung: Ich habe es bei Mladen Drijencic erlebt, was mehrere Jahre als Profitrainer bedeuten. Als ich mit ihm ein paar Wochen nach seinem Aus in Oldenburg sprach, merkte man, wie langsam wieder eine größere Entspannung einsetzte und die normale Gesichtsfarbe zurückkehrte. Als Profitrainer steht man ja praktisch unter ununterbrochenem Dauerfeuer ohne echte Auszeit. Eine Art Hamsterrad …

Du bist immer involviert. Im Jugendbereich ist es ja so: Du weißt, es sind Kids, die auch meinen, was zu wissen. Und im Profibereich? Im Grunde ist es ja ein Kinderspiel: Du wirfst mit deinen Kumpels einen Ball in den Korb. Im Grunde dasselbe, nur für Erwachsene. Klar, die werden bezahlt; klar, das sind Profis. Aber eben im Kern auch: Kids mit einer Meinung. Die haben ein bisschen mehr gesehen und erlebt, logisch. Aus Spielersicht ist alles leicht. Und dann kommt die Sicht auf die Trainer: Da sieht man schnell, was das für eine Maloche ist. Du schaust dir ein Video nach dem nächsten an, schmiedest Pläne, wirfst alles wieder über den Haufen. Man macht sich permanent Gedanken: über jeden einzelnen Spieler, über das nächste Spiel und so weiter und so fort. Tausend Dinge, die dich nicht in Ruhe lassen.

Und dann kommen all die unvorhersehbaren Dinge dazu. Man kann ja noch so schöne Pläne haben …

Ganz genau! Es gibt ja auch noch die Presse, die Fans, andere Leute, lauter andere Meinungen. Aber: Ich glaube, es ist ein erstrebenswerter Job, der unglaublich Spaß machen kann. Das muss man aber wollen. Dazu gehören auch Situationen, die nicht so schön sind, keine Frage. Du willst ja nie deinen Job verlieren, aber als Profitrainer darf das kein Kriterium sein. Was ist die normale Zeit, die du als Trainer hast? Drei Monate bis, nehmen wir als Beispiel Zeljko Obradovic, acht Jahre. Aber das ist Zeljko Obradovic! (lacht) Also, man hat drei Monate bis maximal fünf Jahre im Normalfall. In dem Zeitraum kannst du dich bewegen. Und wenn man dann grundsätzlich Angst hat, auch mal gefeuert zu werden, dann ist das der falsche Job.

Zu guter Letzt: Du gehörst jetzt zum Team von Dyn. Wie sind deine ersten Eindrücke?

Sehr gut! Es macht großen Spaß und ich kann mich frei entfalten. Ich habe nach meinen ersten Einsätzen am Mikrofon noch keinen Maulkorb bekommen, das kann aber ja noch kommen. (lacht) Das Produkt ist gut, und gerade jetzt nach dem großen WM-Hype ist die Stimmung eh toll, die Hallen sind voll und das Interesse am Basketball ist riesig. Passt alles!


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