Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Nach einer Saison ohne Playoffs: Umbruch oder Kontinuität in Oldenburg?

Von „neuer Software“ und „neuen Updates“ sprach Pedro Calles, Headcoach der EWE Baskets Oldenburg, im Sommer 2023 im Interview vor dem Saisonstart.

Rund neun Monate später könnte man vermuten: Die Software enthielt einen Virus.

Optimistisch war der Club in die Spielzeit 2023/2024 gestartet, doch die negativen Schlagzeilen sorgten von Beginn an für schiefe Töne. Kaum verpflichtet, war beispielsweise der vorgesehene neue Assistenztrainer Thomas Roijakkers schon wieder fort. Über die Hintergründe zur Trennung drang nie etwas nach außen. Der nächste Abgang betraf einen Spieler, für den eine große Rolle angedacht war, der die Erwartungen aber offenkundig nicht erfüllen konnte: Kyle Foster.

Der US-Amerikaner sollte dem Spiel der EWE Baskets mehr Gefahr von der Dreierlinie bescheren, letztlich war sein Gastspiel aber nur ein ausgesprochen kurzes. Die Minuten wurden rasch weniger, die Rolle geriet immer kleiner – schließlich wechselte der Guard nach Serbien. Und die Negativschlagzeilen wurden eher mehr: Nach und nach füllte sich das Krankenlager mit verletzten Spielern, eine beispiellose Serie an Blessuren raubte Calles die personellen Möglichkeiten und dem Club die Perspektive auf eine gute Ausgangslage.

Negative Krönung einer nur zwischendurch und punktuell erfreulichen Spielzeit: das chancenlose Aus gegen wahrlich nicht übermächtige Towers aus Hamburg. Satte drei Jahre nach dem letzten Oldenburger Erfolg in einer Offseason, damals noch mit einem gewissen Rickey Paulding, stehen die EWE Baskets Oldenburg folglich vor relevanten Entscheidungen. Wie groß ist das Vertrauen in den einen oder anderen Protagonisten der abgelaufenen Saison? Wo erkennen die Verantwortlichen die zentralen Baustellen in der Kaderplanung? Und vor allem: Wie realistisch ist die Selbsteinschätzung als Mitglied der Top Fünf der easyCredit BBL tatsächlich?

Len Schoormann gehört zu den positiven Erscheinungen bei den EWE Baskets in der Saison 2023/2024. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Vor dem ausgiebigen Blick auf die Spieler daher ein kurzer Schwenk zum großen Ganzen: Gemessen am vermuteten Etat knapp jenseits der acht Millionen Euro und am ungebremsten Zuschauerzuspruch dürfen die Oldenburger zunächst einmal durchaus mit Recht für sich reklamieren, hinter ALBA BERLIN und dem FC Bayern München mit den Teams aus Ulm, Bonn und Chemnitz um die Verfolgerplätze zu rangeln. Nicht übersehen werden darf dabei, dass auch an anderen Standorten ambitionierte Menschen aktiv sind, um die Lücke zu den Großclubs zu verkleinern. Sportlich gelingt das Einmischen in den Kampf um die vorderen Positionen zudem immer auch mal wieder vermeintlich Kleineren, die laufende Saison ist dafür ein exzellentes Beispiel. Grüße gehen raus nach Vechta und Würzburg.

Um 2024/2025 wieder einen entschlossenen Angriff auf die Playoffplätze zu ermöglichen, müssen Headcoach Pedro Calles, Geschäftsführer Hermann Schüller und der sportliche Leiter Srdjan Klaric in diesen Wochen eine passende Mischung finden. Eine Mischung aus bewährten Kräften und neuen Impulsen – und frischen Ideen abseits der reinen Kaderlehre, denn auch taktisch sind erneut Updates und neue Softwarekomponenten erforderlich. Diesmal aus Oldenburger Sicht gern ohne Virus.

Könnte an dieser Stelle ein Wunschkonzert angestimmt werden, dann wären aus meiner Perspektive für die Mannschaft der kommenden Saison uneingeschränkt zu nennen: Len Schoormann, Alen Pjanic, Norris Agbakoko und Artur Konontsuk. Alle vier stehen für das, was auch Fans dann goutieren, wenn es sportlich einmal nicht ganz rund läuft: Einsatz und Leidenschaft.

Schoormann hat bei den EWE Baskets sämtliche Zweifel an seiner Entwicklung resolut fortgefegt. Auf den dynamischen Guard war immer Verlass, sein Potenzial scheint gleichzeitig noch nicht ausgeschöpft. Pjanic wiederum meldete sich nach seiner außerordentlich langen Verletzungspause selbstbewusst zurück, schmiss sich wie von ihm gewohnt furchtlos in jedes Getümmel und avanciert an der Seite von Kapitän Max DiLeo mehr und mehr zum emotionalen Leader. Positiv ist auch die kontinuierliche Verbesserung von Center Agbakoko, der im Saisonfinale von einer Verletzung ausgebremst wurde. Und der Este Artur Konontsuk mag nicht zu den spektakulären Vertretern seiner Zunft gehören, doch gerade seine grundsolide Verlässlichkeit macht ihn zu einem Spieler, den jeder Trainer wohl gern in seinem Team weiß.

Im Prinzip zählt auch Point Guard Geno Crandall zu den Kandidaten, die im zukünftigen Oldenburger Team eine große Rolle spielen sollten. Sorge bereitet einerseits eine gewisse, allerdings seltene Eigensinnigkeit, die aber regelmäßig auch aus der plötzlichen Starre der Kollegen resultierte. Andererseits erscheint es nicht zwingend vorstellbar, dass Crandall tatsächlich an Bord bleibt, wenn DeWayne Russell seinen bis 2025 laufenden Kontrakt erfüllt. Russell wiederum plagte sich offenbar über weite Strecken der Saison mit einer nie offiziell bestätigten Verletzung herum. Die entsprechend weniger auffälligen Leistungen im Vergleich zur Vorsaison dürften ein entscheidender Faktor für Russells gebremste Gesamtlaune gewesen sein.

Auch Artur Konontsuk, während der Saison nachverpflichtet, vermochte zu überzeugen. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Viele andere Positionen im Kader werden von den realistischen Alternativen abhängig sein. Zuerst zu nennen sind die Power Forwards. Brekkott Chapman begeisterte einerseits mit Spielwitz und Emotionen, andererseits können die Verantwortlichen seine Verletzungshistorie nicht ausblenden. Deane Williams konnte nicht an seine famose Saison bei den Telekom Baskets Bonn anschließen, nach der Rückkehr aus der Verletzungspause blieb der Engländer zumeist unauffällig. Und der später verpflichtete und vielseitig einsetzbare Chaundee Brown Jr. bestach durch seine Physis, seine offensive Variabilität und die Fähigkeit, unterschiedliche Positionen verteidigen zu können. Ja, über ihn sollten die Verantwortlichen intensiv nachdenken – andererseits wirkt der 25-Jährige wie einer, der möglicherweise nach Höherem strebt. Welche Chancen Oldenburg dabei hat, ist vor dem Hintergrund einer möglichen Saison ohne internationalen Wettbewerb fraglich.

Da über die konkreten Planungen aktuell weitgehend nur spekuliert werden kann, hängt natürlich auch bei Akteuren wie Lukas Wank, Kenny Ogbe, Ebuka Izundu und Charles Manning Jr. alles vom großen Bild ab. Wank war stets zur Stelle, als die Verletzungen seine Spielzeit in enorme Dimensionen schraubten, Ogbe wurde durch Blessuren ausgebremst, Manning absolvierte nur acht Spiele nach einer neuerlichen Verletzung am Fuß. Sein Vertrag läuft bis 2025, allerdings muss das nicht zwingend bedeuten, dass die EWE Baskets mit ihm in die neue Saison gehen. Der 25-Jährige konnte anfangs durchaus für sich werben: Als verlässliche Scoring-Option fiel ihm in den gesunden ersten Saisonwochen eine nachweisbar große Verantwortung zu.

Und Center Izundu? Seine Möglichkeiten sind augenscheinlich limitiert, innerhalb seiner Rolle aber agierte der 2,11-Mann oft gleichermaßen spektakulär wie effizient. Auch sein Vertrag, was immer das in Zeiten von vielfältigen Optionen bedeuten mag, hat eine Laufzeit bis ins Jahr 2025. Last but not least geht der Blick auf den Kapitän: Max DiLeo verkörpert das, was sich Pedro Calles wünscht: bedingungslosen Einsatz und Identifikation mit dem Team. Nur: Wie fit ist der 31-Jährige, der in den Spielen immer über das Limit hinausgeht und zuletzt mit einer Blessur ausfiel?

Fazit: Es wird Veränderungen geben, das Ausmaß allerdings ist derzeit noch nicht seriös zu prognostizieren. Ein kompletter Reset ist allerdings wohl eher nicht zu erwarten.


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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga, als Kolumnist für das Delmenhorster Kreisblatt oder in diesem Blog. Was ich sonst noch so mache: hier entlang.