Im Sommer 2021 verpflichtete Basketball-Bundesligist EWE Baskets Oldenburg Flügelspieler Alen Pjanic. Der gebürtige Gießener spielte für Lich in der Zweiten Liga ProB, 2016 kam er erstmals im Bundesligakader der GIESSEN 46ers zum Einsatz. Im Interview spricht er über seine Zeit in Hessen, seinen Wechsel nach Oldenburg und seine persönlichen Ziele.
Alen, 2016/2017 hast du erstmals in der Bundesliga gespielt. Wie hat sich die Liga seitdem entwickelt?
Was man in meinen Augen auf jeden Fall merkt: Die Liga ist viel jünger geworden. Das liegt auch daran, dass es ein schnelleres Spiel geworden ist. Früher wusstest du, es gibt Teams wie Bamberg, Bayern und auch Oldenburg, die mit echten Brechern kommen, langsam spielen und ihre Plays durchziehen. Mittlerweile dominieren Fast-Breaks, Running, schnelle Abschlüsse – es wird kaum mehr bis zum Ende der Shot-Clock gespielt. Physisch war es schon immer, vielleicht wurde das etwas rausgenommen durch die Art, wie gepfiffen wurde. Damit sollten die Spieler geschützt werden. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt, aber ein bisschen Härte gehört dazu. Basketball ist ein Kontaktsport. Wichtig ist, dass eine Linie durchgezogen wird und diese sich nicht von Spiel zu Spiel ändert.
Du hattest 2020/2021 die wohl beste Saison deiner Karriere, allerdings endete sie auch mit dem Abstieg. Wie war deine Gefühlslage, als feststand, dass die 46ers in die Zweite Bundesliga ProA müssen?
Vorab: Zufrieden bin ich eigentlich nie. Und der Abstieg war bitter. Ich komme aus Gießen, bin dort geboren. Ich habe lange Zeit nicht damit gerechnet, dass wir absteigen, aber je näher das Saisonende rückte, desto deutlicher wurde es dann doch. Es war das Bitterste, was ich bislang erlebt habe. Du weißt: Du hast es als Mannschaft und als Spieler selbst nicht geschafft, zu gewinnen und dich zu verbessern. Meine Stats mögen gut gewesen sein, aber als Team hat man halt in gewissem Sinne versagt. Umso schöner, dass ich nach einer solchen Saison in Oldenburg gelandet bin. Das sprach unter dem Strich natürlich für mich.
Wie genau verfolgst du die Saison in Liga zwei, insbesondere die der 46ers?
Ehrlich gesagt nehme ich das gar nicht so sehr wahr. Als ich beispielsweise noch selbst in der ProB gespielt habe, war ich natürlich informiert, was in meiner Liga passiert, aber die ProA stand nie so im Fokus. Vielleicht mal, wenn es in den Playoffs um Alles oder Nichts geht. Ich wollte immer in die Bundesliga, da habe ich mir Spiele angeschaut. Außerdem habe ich nicht den ganz großen Freundeskreis in der ProA. Ich schaue dann nach wie vor doch lieber andere Bundesligaspiele.
Es würde dich aber gewiss nicht ärgern, wenn die 46ers den Weg zurück in die BBL finden.
Überhaupt nicht! Gießen gehört in meinen Augen in die Bundesliga. Aber da muss viel passieren, damit es ein Standort ist, der auch längerfristig in der BBL bleiben kann. So wie sich der Club in den letzten Jahren präsentiert hat, hatte er in der Ersten Liga zuletzt leider nichts mehr verloren.
Deine persönlichen Bestleistungen stammen alle aus Gießener Zeiten. Bist du mit deiner Rolle in Oldenburg zufrieden? Wie sehen deine eigenen Ziele vor diesem Hintergrund aus?
Meine persönlichen Ziele sind immer darauf ausgerichtet, mich zu verbessern. Es war nie mein Ziel, hierher zu kommen und bestimmte Stats aufzulegen. Ich möchte mich taktisch verbessern, aber auch als Mensch. Ich bin ja von zuhause weg und konnte mich fern der Heimat komplett auf Basketball konzentrieren. Ich warte auf meine Einsatzzeiten und bin dabei immer bereit, wenn ich reinkomme. Dann gebe ich alles – ich glaube, das sieht man auch. Das Vertrauen muss vom Trainer kommen, über längere Zeit auf dem Parkett zu bleiben.
Du hast bei deinem Wechsel gesagt, dass du deine Komfortzone in Gießen verlassen möchtest. Hast du diesen Schritt bereut oder war es genau die richtige Entscheidung?
Es war genau der richtige Schritt. Klar, es war ein wenig holperig, aber als Ingo dann als Trainer kam, war es für mich einfacher mit seinem Spielstil. Ich kannte ihn ja aus Gießen. Mit ihm zu arbeiten und auch den Spielern erklären zu können, wie es mit ihm läuft, war gut. Ich hatte etwas zu sagen, bekam eine neue Rolle, war viel präsenter. Das System war anders. Wenn ich die Pille bei Ingo bekomme, dann kann ich sie auf den Korb schmeißen – er wird es mir nicht verübeln. Davor war es etwas anders.
Was hast du denn konkret gedacht, als die Baskets in höchster Not Ingo Freyer nach Oldenburg geholt haben? Du kanntest ihn ja bestens aus Gießener Zeiten, er war von 2017 bis 2020 dein Trainer.
(lacht) Ich habe tatsächlich einen Tag vorher noch darüber mit einem anderen Spieler gesprochen. Mir war klar: Er wäre einer, der uns helfen könnte. Daran geglaubt habe ich aber nicht, dass er kommen kann – und schon gar nicht so schnell. Als ich ihn in der Halle gesehen habe, wusste ich: Okay, er ist mit einem ganz anderen Mindset hier als in Gießen. Er war nicht unbedingt strenger, aber er hatte eine andere Präsenz. Er wusste: Ich habe ein klares Ziel, ich werde meinen Plan exakt so durchsetzen. Spaß durfte sein, aber erst nach einem Sieg. Hier im Training herrschte hundertprozentiger Fokus. Und eben das konnte er den Spielern gut vermitteln. In diesem Moment war nicht mit ihm zu scherzen, man musste ihn voll und ganz wahr- und ernstnehmen.
Was ja am Ende auch geklappt hat. Die EWE Baskets sind derweil eigentlich bekannt für ihre Beständigkeit auf der Trainerposition. Du hast seit Sommer 2021 schon viel erlebt: Mladen Drijencic, Alen Abaz, Ingo Freyer und Pedro Calles – ist das besonders herausfordernd oder einfach Teil des Jobs?
Zunächst einmal ist es genau das, was du sagst: Teil des Jobs. Jeder Trainer hat seine eigenen Regeln und seine eigenen spielerischen Vorstellungen. Am Ende ist es Basketball. Eigentlich ist es einfach, nur die Trainer verkomplizieren es manchmal (lacht). Bei Pedro und bei Ingo ist es super: Du bekommst grünes Licht, sobald du in einer besseren Position bist als der Gegner. Das kann den Wurf betreffen oder den Drive: Du musst nicht im System bleiben, wenn du der Meinung bist, dass du eine bessere Position hast als der Gegner. Die Entscheidung an sich zählt am Ende. Lieber eine schnellere, möglicherweise im Rückblick nicht richtige Entscheidung, als gar keine. Hauptsache, du triffst eine! Das läuft jetzt unter Pedro super. Ich habe da überhaupt keine Probleme mit.
Ist Pedro Calles eine Mischung aus dem sehr strukturierten Mladen Drijencic und einem Ingo Freyer, der sagt: Hier ist der Ball, viel Spaß?
Es ist nicht regellos bei Pedro. Es gibt Regeln, jeder baut auf dem auf, was wir im Training einstudieren. Was wir dort machen, machen wir auch auf dem Feld im Spiel. Klar gibt es Sachen, die man improvisiert. Er möchte uns mehr an die Hand geben, worauf wir aufbauen können. Bei Ingo ist es in der Tat oft eher: mach einfach. Er hat uns die Wahl gelassen. Wir sollten kreieren. Das war auch mal Chaos, aber am Ende wussten wir immer, was gerade passiert. Das hat für uns funktioniert, obwohl wir wussten, dass bei den anderen Teams kein Chaos herrscht.
Ihr habt sieben Pflichtspiele bis zur Länderspielpause absolviert, fünf wurden gewonnen. Wie zufrieden bist du grundsätzlich mit dem Saisonstart? Unter den Fans gab es vor der Saison ja doch eine gewisse Nervosität.
Das war ja jetzt zunächst einmal nur das erste Kapitel. Das nächste beginnt nach der Länderspielpause, wenn alle zurückkommen, und dann ja auch ein neuer Spieler mit an Bord ist. Nach unserer Vorbereitung waren alle eher skeptisch. Wir haben die richtige Antwort mit dem Spiel in Crailsheim gefunden. Da hatte gleich in der ersten Halbzeit jeder das Gefühl, genau zu wissen, was zu tun ist. Und die Bilanz? Nun, am Ende sind es fünf Siege – keiner wird nach der Saison fragen, wie die zustande gekommen sind. Wenn ich das Spiel in Heidelberg sehe, das wir nach Verlängerung verloren haben, muss ich sagen: Das war eine Niederlage, die dazu angetan war, aus ihr zu lernen. Wir waren nicht die haushohen Favoriten, aber wir werden als Oldenburg natürlich schnell so angesehen. In Heidelberg haben wir es nicht geschafft, gegen ein Team zu gewinnen, das mit Max Ugrai als Fünfer gespielt hat, der nicht einmal ein richtiger Fünfer ist. Daraus haben wir viel gelernt, haben viel im Training gearbeitet. Zuletzt in Frankfurt gab es dann ein paar Brüche und Phasen, in denen wir zu lasch gespielt haben. Also: zufrieden ja, aber im Hinterkopf haben wir auch, dass noch 27 BBL-Spiele vor uns liegen. Diese Mannschaft ist so aufgestellt, dass sie an guten Tagen gegen jeden gewinnen kann.
Du kannst als Small Forward auf der Drei und als Power Forward auf der Vier spielen. Wo fühlst du dich wohler?
Persönlich fühle ich mich wohler auf der Drei. Da habe ich mit meinen 2,02 Meter einen Größenvorteil. Mit Louis Olinde gehöre ich zu den größten Spielern auf dieser Position. Da weiß ich meine Vorteile auszunutzen. Und: Ich spiele auf der Drei etwas schneller als auf der Vier. Wenn man die Vier spielt, dann präsentiert man sich auch ein bisschen so. Da kann ich mich auch noch verbessern: Als Vierer mehr wie ein Dreier denken und auftreten. Aber: Ich spiele das, was der Coach von mir verlangt.
Auf der Vier kommen dir in der Verteidigung ja auch durchaus ganz schöne Kaliber entgegen.
(lacht) Zum Glück wurde ich bisher noch nicht aufgepostet. Aber wenn unsere Verteidigung so steht, wie sie stehen soll, dann wäre selbst das abgedeckt. Daher: keinen Kopf machen, einfach spielen. Egal, wer kommt.
Defensiv läuft vieles bei euch schon sichtbar gut, offensiv ist ab und an der Wurm drin. Was sind aus deiner Sicht die Dinge, die gut funktionieren, und die, die am ehesten ausbaufähig sind?
Wo es am besten läuft? Jeder Spieler kämpft für die Mannschaft! Wir haben keinen im Team, der etwaiges Ego-Gezocke abzieht und auf seine Stats schaut. Das macht uns auch in der Defense aus. Das wird ja auch von jedem gefordert, nicht zuletzt vom Trainer, da wir aus der Defense heraus unsere Offense entwickeln. Was noch nicht so läuft, ist die Dreierquote. Eigentlich sind wir eine Mannschaft, die schnelle Abschlüsse und auch viele Dreier sucht. Wir bekommen auch noch nicht so viele offene Würfe aus der Distanz. Da liegt am meisten Potenzial: Wie finden wir den besten Wurf? Im Moment gibt es viele Körbe, die aus dem Eins-gegen-Eins entstehen oder unter Schwierigkeiten herausgespielt wurden.
Einer, der genau weiß, wie das mit dem Dreier läuft, ist Rihards Lomazs, der den Kader aufstockt. Wie nimmst du es als Spieler auf, wenn im laufenden Spielbetrieb ein Akteur dazukommt? Auch das: Teil des Jobs?
Ganz einfach: Man muss den Spieler einbinden, er gehört jetzt dazu. Er ist ein Spieler von uns! Vor zwei Saisons war er noch mein Gegner, nun ist es ein Mitspieler. Wir müssen ihn so schnell wie möglich einbinden, und wir brauchen ihn. Er hat seine Klasse längst bewiesen. Und du hast recht: Es gehört dazu, dass Spieler kommen und gehen. Wir selbst haben ja ohnehin keinen Einfluss darauf.
„Es gibt noch genug Chancen, mich für die Nationalmannschaft zu empfehlen. Ich dränge da nicht drauf. Wenn es so kommt, dann weiß ich es zu schätzen.“
Alen Pjanic über seine Ambitionen, das deutsche Trikot überzustreifen
Du hast, wenn ich das richtig sehe, nie für eine deutsche Auswahlmannschaft gespielt. Hast du Ambitionen, dich dafür nochmal ins Gespräch zu bringen?
(lacht) Ich war nur in der Hessen-Auswahl, mit 16 Jahren. Aber zu deiner Frage: Ich weiß, was ich geben kann. Ich brauche nur einmal die Chance, mich dort zu beweisen. Man muss einmal dabei gewesen sein. Momentan basiert es darauf, wer sich in der Liga am besten präsentiert, das ist in Ordnung. Aber natürlich spielt es auch eine Rolle, dass man schon in der Jugend mal dabei war. Die Zeiten aber sind vorbei: Ich bin nicht mehr in der Jugend, ich bin 25. Allerdings: Es gibt noch genug Chancen, mich für die Nationalmannschaft zu empfehlen. Ich dränge da nicht drauf. Wenn es so kommt, dann weiß ich es zu schätzen.
Du hast in deiner Karriere neunmal gegen Göttingen gespielt und neunmal gewonnen. Was erwartest du entsprechend vom Spiel am 20. November? Oder sollten wir angesichts der Nationalmannschaftspause mit rostigen Knochen rechnen?
Wir hatten kein Pflichtspiel, und auch ein ursprünglich mal geplantes Testspiel ist leider nicht zustande gekommen. Was ich mir gegen Göttingen erhoffe, ist, dass wir unseren besten Basketball spielen. Wir hatten zwei Wochen Zeit, um uns ausschließlich auf uns zu fokussieren. So konnten wir den Grundstein legen für die kommenden Spiele bis zur nächsten Pause. Die beste Defense, die beste Offense – den Ball laufen lassen, in der Verteidigung hustlen. Wir müssen das aufgreifen, was der Trainer möchte.