Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

The year in music

Eine Mischung aus großem Spaß und kleiner Qual ist am Ende eines jeden Jahres die Zusammenstellung meiner musikalischen Top Ten. Aus einer wie gewohnt nahezu unüberschaubaren Menge an Veröffentlichungen genau die herauszufiltern, die mich aus diversen Gründen noch etwas mehr begeistert haben als andere: macht Spaß, ist aber gar nicht so einfach.

2022 gestaltete sich in meinen Ohren als musikalisch nicht zwingend herausragendes, aber letztlich doch solides Jahr. Dabei kamen mir im Rahmen meiner Mitarbeit bei „Plattentests.de“ einige abstruse Dinge in den Gehörgang, erfreulicherweise aber auch viele Alben, die bleibenden Eindruck hinterließen; zudem solche, die ich vermutlich sonst nie entdeckt hätte.

Hier also meine Favoriten des zwar noch laufenden, musikalisch aber angesichts der bevorstehenden Flut an Best-Of-, Live- und Sonst-was-Raritäten-Alben als abgeschlossen geltenden Jahres. Versteht es als Auflistung, nicht als Ranking. Und vielleicht findet ihr ja noch das eine oder andere bis dato ungehörte Schmuckstück. Bitte sehr:

Fjørt, „Nichts“: Ich habe diese Band vor einigen Jahren entdeckt und nahezu kein schlechtes Lied von ihr gehört. Ein herrliches Geschrei, unterlegt von dicken Gitarrenwänden; gastieren im Januar im Bremer Schlachthof, danach sind die Ohren mal wieder ordentlich durchgepustet.

Makaya McCraven, „In These Times“: Eine erquickliche Verschmelzung von Jazz und diesem und jenem, bei jedem Hören kommen mir Dinge entgegen, die ich zuvor so noch nicht wahrgenommen hatte. Lobhudelei meinerseits: hier entlang.

Cave In, „Heavy Pendulum“ (Foto oben: Jay Zucco): Waren kurz abgetaucht, meldeten sich jetzt mit einem wahren Mahlstrom härterer Klänge famos zurück. Auch hier etwas aus meiner Tastatur: „Das Erbe fortsetzen“.

Arcade Fire, „WE“: Die Souveränität, mit der sie Album für Album große Klasse abliefern, ist für mich anhaltend beeindruckend. Musik, die einen Kopfhörer und die Freiheit von jedweder Ablenkung verdient (und erfordert).

The Smile, „A Light For Attracting Attention“: Ein Muss in diese Liste. Einige Songs würden auch unter dem Label Radiohead zum bislang Besten gehören, was Thom Yorke so hervorgebracht hat. Eine inspirierende Kollaboration mit anderen Musikern, darunter Tom Skinner (Sons Of Kemet).

City Of Caterpillar, „Mystic Sisters“: Ein wahnwitziger Wirbel und ein ganz großes Comeback. Mehr? Mehr gibt es hier.

Die Nerven, „Die Nerven“: Für mich momentan eine der spannendsten und kreativsten Bands aus deutschen Landen, die eines gerade nicht tut: nerven.

Betterov, „Olympia“: Newcomer des Jahres für mich, tritt im Februar 2023 im Bremer Lagerhaus auf. Texte mit Tiefe, Songs mit Klasse. Potential für größere Bühnen in üppiger Fülle vorhanden (auch, wenn man solche Künstler gerne weiterhin im kleineren Rahmen verfolgen würde).

Russian Circles, „Gnosis“: Ich mag ja diese ganzen Post-Dingsbums-Geschichten inzwischen sehr gerne; diese Variante ist eine der Besten in diesem Jahr. No Gesang necessary. Und auch hier: eine Besprechung.

Moderat, „More D4ta“: Erfreulicherweise erwiesen sich die Befürchtungen, dass sie keine Musik mehr zusammen machen werden, als Fehlurteil. Elektronische Musik, wie sie sein sollte.


Viele Alben erscheinen ja traditionell in einer erweiterten Edition mit zusätzlichen Inhalten, daher zum Schluss etwas Extra-Content: eine Liste der Alben, die den Sprung in die Top Ten zwar verpasst, aber ebenfalls zahlreiche Hördurchgänge verdient haben:

Poly-Math, „Zenith“ (Review)
Ayam, „Disillusion“
Marble Sounds, „Marble Sounds“
Lambchop, „The Bible“ (Review)
The Mars Volta, „The Mars Volta“
Blind Guardian, „The God Machine“ (Review)
Love A, „Meisenstaat“
Motorpsycho, „Ancient Astronauts“ (Review)
Adjy, „The Idyll Opus I-IV“
Porcupine Tree, „Closer/Continuation“
Kreator, „Hate Über Alles“
Angel Olsen, „Big Time“
Husten, „Aus allen Nähten“
Meshuggah, „Immutable“ (Review)
Black Country, New Road, „Ants From Up There“


Und 2023? Da geht alles wieder von vorne los. Denn wie sagte schon Casper? „Alles endet (aber nie die Musik).“ Eben.