Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Reicht es zu mehr?

Erfolgreiche Mannschaften bringen sich irgendwann in die Position eines kaum mehr bezwingbaren Selbstvertrauens. In jeder Handlung strahlen sie in Richtung des nächsten Gegners das Bewusstsein aus: „Kommt doch, ihr habt ohnehin keine Chance.“ Ob die EWE Baskets Oldenburg aktuell schon in genau dieser Verfassung sind, kann zu einem noch immer vergleichsweise frühen Zeitpunkt der Saison wohl noch nicht abschließend beurteilt werden.

Dass sie aber auf dem Weg dahin sind: Dafür gibt es einige Indizien.

Beispielhaft mag die Partie bei den Basketball Löwen Braunschweig gelten (Boxscore, Video). Eine Woche nach dem ersten Niedersachsenduell gegen die BG Göttingen war klar, dass die Oldenburger als Favorit nach Braunschweig reisen würden. Und als die Partie nach anfänglich hoher Führung zwischenzeitlich in Richtung der Gastgeber kippte, wurde bei der intensiven Betrachtung des Spiels doch offensichtlich: Hier konnte es an diesem Abend nur einen Sieger geben.

Genau so kam es dann auch.

Die Oldenburger rangieren zu Recht in der Spitzengruppe der easyCredit Basketball Bundesliga. Eine ganze Reihe an Erklärungen für die überaus ordentlichen sieben Siege aus neun Pflichtspielen (inklusive der Qualifikation für das Pokalviertelfinale) fällt dabei ins Auge. Zu nennen ist unter anderem …,

… dass Trainer Pedro Calles einen Plan hat. Den hat er nicht nur mit Blick auf das Ganze, sondern auch innerhalb eines Spiels. Mit klaren Anweisungen, kleinen Justierungen und präzisen Ansprachen gelingt es ihm offenbar, Fehler rasch zu korrigieren und frische Impulse zu setzen, wenn diese notwendig sind. Rückschläge wirken auf dem Weg wie eingeplant und dienen letztlich der Verbesserung. Bestes Beispiel: Seit der im Grunde unnötigen Niederlage in Heidelberg sind die EWE Baskets ungeschlagen.

… dass Emotionen im Team stecken. Wie Kapitän Max DiLeo seine Verteidigungsaktionen mit deutlich größerer Motivations- und Jubelgeste untermalt als seine offensiven Erträge, spricht für seine tadellose Arbeitseinstellung. Sein defensiver Einsatz wirkt ansteckend auf die Nebenleute. Max DiLeo macht fortwährend Max-Di-Leo-Sachen – eine Eigenschaft, die mit Blick auf das Teamgefüge gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Anderes Beispiel: Als TJ Holyfield nach aufreibenden Duellen mit Göttingens Harper Kamp seinem Gegenüber überaus lautstark und mit wilder Miene – man muss es so sagen – jubelnd ins Ohr schrie, war auch das Ausdruck des Teamgedankens: Es hatte gerade ein anderer Spieler als er selbst spektakuläre Punkte erzielt. Und es vermittelte: Ihr habt hier keine Chance.

Max DiLeo macht Max-DiLeo-Sachen: Der Kapitän geht mit vollem Einsatz voran. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

… dass viele Spieler ihre Rollen sehr gut ausfüllen. Das reicht vom Point Guard DeWayne Russell, der ausgiebig punktet und gleichzeitig den Ball verteilt, über Flügelspieler Trey Drechsel, der sich zu einem der Top-Akteure dieser Liga entwickelt, bis hin zu den Big Men, die verlässlich ihren Dienst tun.

Rangieren die Oldenburger berechtigterweise unter den Top Fünf des Augenblicks? Ganz sicher! Kann es zu mehr reichen? Nun.

In einer Liga, in der mit Blick auf den Etat absolut kein Weg am FC Bayern München und ALBA BERLIN vorbeiführt, geht es inzwischen – um ehrlich zu sein – doch eher um den Titel „Best of the Rest“. Und da balgen sich die EWE Baskets in dieser Spielzeit mutmaßlich mit den Telekom Baskets Bonn und den MHP RIESEN Ludwigsburg um eben diese Position.

Wenn sie auf diesem Qualitätslevel dauerhaft mithalten wollen, dann müssen einige Dinge kontinuierlich in den Griff bekommen werden. Das betrifft unter anderem die Tatsache, dass …

… Pedro Calles es schaffen muss, die Situation mit sieben ausländischen Spielern passend zu moderieren. Ein MaCio Teague wird wohl eher keine bessere Laune bekommen, wenn er dauerhaft seinen Kollegen bei der Arbeit zuschauen muss.

Bennet Hundt die Kritiker verstummen lässt, die offenbar regelmäßig das Zittern bekommen, wenn der Guard den Ball nach vorne trägt. Ein Blick auf die nüchternen Zahlen offenbart durchaus starke Ansätze, dass man ihm weiterhin vertrauen sollte: Mit 43,8 Prozent ist er der sicherste Dreierschütze im Team.

Bennet Hundt wird nicht unkritisch gesehen, weist aber nach sechs Liga-Spielen Oldenburgs beste Dreierquote auf. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

… Fouls clever verteilt werden müssen. Gerade die Big Men neigen dazu, ebensolche zu begehen, wenn niemand sie gebrauchen kann. In Braunschweig hätte die Foulbelastung im schlechtesten Fall sehr teuer werden können.

… Emotionen genutzt, aber nicht überspannt werden. Neuzugang Rihards Lomazs etwa besticht bis dato zwar mit großer spielerischer Umsicht, scheint aber auch ein Spieler zu sein, der in aufreibenden Duellen auch mal die Geduld verlieren könnte.

Den EWE Baskets Oldenburg stehen jetzt zwei Spiele am Stück ins Haus, in denen das Selbstvertrauen, nur schwer besiegbar zu sein, von großer Relevanz sein dürfte. Im Pokal gegen die MLP Academics Heidelberg am 4. Dezember geht es daheim um die Qualifikation für das Top Four im MagentaSport BBL Pokal. Übrigens: Was spricht eigentlich dagegen, nach 2015 zum zweiten Mal Ausrichter dieses Turnierwochenendes zu sein? Dem Anspruch, zu den Top-Adressen der Liga zu gehören, würde das überaus gut tun.

Spiel Nummer zwei dürfte dann zwei Tage später an Nikolaus ein Realitätscheck erster Güte werden: Dann gastieren die Oldenburger beim FC Bayern München. „Kommt doch, ihr habt ohnehin keine Chance?“ Diese eingangs formulierte Einstellung mag oft helfen, im Audi Dome allerdings sind die Rollen dann doch ein wenig anders verteilt. Nur: Das gilt praktisch für jeden Liga-Gast dort …