Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Auf dem Papier

Fakt ist: Die Sommerpause im Basketball dauert aus Fan-Sicht viel zu lange. In diesem Jahr gab es glücklicherweise die Europameisterschaft, die uns sehr viele tolle Spiele beschert hat und die Wartezeit mehr als nur versüßen konnte.

Fakt ist aber auch: In dieser Woche geht es wieder los! Mit dem Saisoneröffnungsspiel am Mittwoch zwischen Titelverteidiger ALBA BERLIN und den Veolia Towers Hamburg (die heißen jetzt tatsächlich so) startet die neue Spielzeit in der easyCredit Basketball Bundesliga.

Auch in Oldenburg freuen sich die Fans, dass die Pause vorbei ist. Oder sollte man besser sagen: Sie würden sich gerne freuen? Denn die beiden letzten Testspiele gegen die Telekom Baskets Bonn, eines davon vor über 5.000 Zuschauern in der heimischen Arena, gingen – gelinde gesagt – in die Hose.

Vor dem ersten Pflichtspiel, das am kommenden Sonntag, 2. Oktober (18 Uhr), bei den HAKRO Merlins Crailsheim steigt, soll die Konzentration einmal dem runderneuerten Kader gelten, der zumindest auf dem Papier nach Meinung einiger Experten dazu angetan ist, die merkwürdige Vorsaison vergessen zu machen.

Guards:

Beim Blick auf die „kleinen“ Positionen fällt unmittelbar auf, dass die EWE Baskets Oldenburg hier in der Tat eher klein aufgestellt sind. Ein Wiedersehen gibt es mit Bennet Hundt (1,80 Meter), der 2021/2022 nicht an das anschließen konnte, was er andernorts schon mal auf das Parkett gezaubert hat. In einem Team, das die erste Saisonhälfte teilweise grotesk in den Sand gesetzt hatte, sah sich auch der Nationalspieler mit dem Problem konfrontiert, seinen Rhythmus zu finden. 15:31 Minuten stand er im Schnitt auf dem Feld, 5,1 Punkte bei 34,9 Prozent Dreierquote lauteten seine ausbaufähigen Werte. Zuvor in Bamberg war seine Rolle eine größere, seine Ausbeuten gestalteten sich nicht zuletzt deshalb besser. Von ihm muss mehr kommen.

Neu im Team ist DeWayne Russell, der Basketball-Fans in Deutschland nicht unbekannt ist. Von 2018 bis 2020 war der inzwischen 28-Jährige für die HAKRO Merlins Crailsheim erfolgreich und überzeugte dort als Punktesammler und verlässlicher Vorlagengeber. Auch er misst „nur“ 1,80 Meter.

Vier Zentimeter größer ist Max DiLeo, der seinem Trainer Pedro Calles nach Oldenburg gefolgt ist und wie zuvor in Vechta und Hamburg der verlängerte Arm des Manns an der Seitenlinie sein soll. Der neue Kapitän kann offensiv an guten Tagen explodieren, liefert aber vor allem in der Defensive stets Einsatz bis zur Schmerzgrenze (und darüber hinaus). Er wird dazwischen hauen müssen, wenn das Energielevel absinkt.

Vierter im Bunde der Guards ist ein hochinteressanter Akteur, der bereits die prestigeträchtige College-Meisterschaft in den USA gewonnen hat: MaCio Teague. Der 25-Jährige bringt etwas mehr Länge mit (1,93 Meter), wird aber mutmaßlich noch ein wenig Zeit benötigen, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Schafft er das, hat er das Zeug zu einem der Stars der Liga. Schafft er das nicht, haben die Baskets möglicherweise ein Problem.

Sowohl auf der Guard-, als auch auf der Flügelposition sind zwei Spieler zuhause, die einen höchst unterschiedlichen Grad an Bundesliga-Erfahrung mit sich bringen. Da ist einerseits der Deutsche Nationalspieler Kenny Ogbe, der von Bamberg nach Oldenburg wechselte und bei den EWE Baskets wohl auch seine Freude am Dreier wiedergewinnen möchte. 2020/2021 versenkte er überaus solide 40,2 Prozent der Versuche aus der Distanz; im System von Pedro Calles spielt der Dreier eine durchaus präsente Rolle. Andererseits gibt es dann noch Trey Drechsel, für den die Verantwortlichen aus Oldenburg sogar eine Ablösesumme an Partizan Belgrad überwiesen. Er könnte eine ganz wichtige Position im Kader bekleiden, kämpfte in der Vorbereitung aber mit hartnäckigen Verletzungssorgen.

Forwards

Gleich zwei bekannte Gesichter gibt es bei den Flügelspielern: Alen Pjanic und TJ Holyfield. Pjanic verdiente sich bei den Fans mit seinem enormen Einsatz großen Respekt und überzeugte zwischendurch auch als verlässlicher Scorer. Seine Entwicklung scheint noch nicht am Ende angekommen zu sein. Bei TJ Holyfield, der 2021 aus Finnland nach Oldenburg gekommen war, entwickelte sich die vergangene Saison fast parallel zu der des kompletten Clubs. Anfangs kam er mit dem Bundesliga-Niveau nicht zurecht, unter Trainer Ingo Freyer stabilisierte er sich aber und mutierte phasenweise zur Scoring-Maschine. Den Oldenburgern würde eine solide, aber stets verlässliche Saisonleistung vermutlich schon genügen.

Alen Pjanic gehörte schon in der Vorsaison zum Kader der EWE Baskets. Bild: Ulf Duda / fotoduda.de

Neu an Bord ist Tanner Leissner, der ebenfalls Bundesliga-Erfahrung im Gepäck hat. Leissner spielte 2019/2022 in Ludwigsburg und kennt alleine deshalb das Gefühl, für einen Trainer aufzulaufen, der die Defensivarbeit aller Akteure zu schätzen weiß.

Center

Und noch ein Neuzugang, der die Liga kennt (sogar noch besser als Leissner): Owen Klassen. Der Kanadier war schon für Hagen, Würzburg, Ludwigsburg und zuletzt Braunschweig aktiv. Auffällig: In seiner Profikarriere war der erfahrene Center nirgendwo länger als für ein Jahr unter Vertrag. Ob sich das in Oldenburg ändert? Einer, der schon zuvor bei den Norddeutschen unter Vertrag stand, ist Norris Agbakoko. Der Spät-Einsteiger bringt mit 2,17 Meter einiges mit, um unter den Körben Eindruck zu schinden; man muss ihn nur machen lassen, möchte man zaghaft ausrufen, denn seine durchschnittlich 6:52 Minuten Spielzeit in einer für ihn aber auch mit Verletzungspausen verbundenen Saison lassen nicht genug Spielraum zur Entwicklung.

Ist das nun ein Kader, der mehr erreichen kann als der aus der Saison 2021/2022? Auf dem Papier in jedem Fall, auf dem Parkett müssen die Spieler den Beweis noch antreten. Die Testspiele gegen ein deutlich besser eingespieltes Bonn waren vermutlich nicht mehr als ein Hinweis darauf, dass noch viel Arbeit bevorsteht; Preseason ist halt das eine, der Spielbetrieb das andere.

Spannend wird in jedem Fall zu sehen sein, …

… ob die eher kleinen Guards Probleme bekommen,

… ob die großen Positionen angenehm flexibel oder unangenehm zu undefiniert besetzt sind,

… ob ein möglicherweise holperiger Saisonstart zu ansteckender Unruhe anstiften wird.

Festzuhalten bleibt: Zum Glück geht es wieder los!