Srdjan Klaric ist seit 2015 der Sportliche Leiter bei den EWE Baskets Oldenburg. Zuvor war er unter anderem auch schon als Assistenztrainer beim niedersächsischen Basketball-Bundesligisten tätig und gewann 2009 an der Seite von Predrag Krunic die Deutsche Meisterschaft.
An einem hochsommerlichen Tag sitzt Klaric in seinem Büro auf dem Club-Gelände an der Maastrichter Straße, in der Halle nebenan trainieren die Profis unter Regie von Trainer Pedro Calles – intensiv und lautstark wie gewohnt. Klaric, der gerade in den letzten Vorbereitungen für das Trainingslager steckt, nimmt sich viel Zeit für das Gespräch. Es geht um die Lehren aus der Vorsaison, die Betriebsamkeit in diesem Sommer und die Erwartungen an die Zukunft. Und natürlich um die bevorstehende WM; bei der in Klemen Prepelic (Slowenien) und Vladimir Mihailovic (Montenegro) übrigens auch zwei ehemalige Oldenburger auflaufen.
Srdjan, war es ein typischer Sommer für dich? Oder lief etwas besser oder schlechter als zuvor? Und vor allem: Hast du Zeit für eine echte Pause gefunden?
Im Grunde genommen würde ich von einem typischen Sommer sprechen. Von der Struktur her läuft es eigentlich immer gleich ab: Im Sommer passen wir den Kader an, und das bestimmt dann auch meine Abläufe. Ich war im Urlaub, und in den ersten zehn Tagen gab es dort sehr viele Anrufe, da das Team noch nicht zusammen war – und in den letzten zehn Tagen des Urlaubs stand das Telefon dann wieder nicht still, da das Team hier ankam. (lacht) Dazwischen hatte ich ein bisschen Ruhe, aber die habe ich teilweise gleich wieder mit Basketball gefüllt: Da war ich bei der U18-Europameisterschaft, wo Deutschland Dritter geworden ist. Das war nur drei Stunden von Belgrad entfernt, und ich habe dort mit meinen Kindern sehr viele Spiele angeschaut. Du siehst: ein ganz normaler Basketballsommer.
Ihr habt auch Spieler verpflichtet, die die Bundesliga noch nicht kennen. Geht man bei diesen Transfers immer auch bewusst ein wenig ins Risiko? Wenngleich das ja nun grundsätzlich auch nichts Außergewöhnliches ist.
Diese Frage stellt sich eigentlich gar nicht. Denn die BBL-Erfahrung ist ein Parameter, der erst ganz am Ende und nur ganz möglicherweise ausschlaggebend sein könnte. Diesen Filter setzt man nicht an den Beginn der Überlegungen, sondern, wenn überhaupt, ganz ans Ende. Theoretisch könnte man sagen: Falls man mal zwei Spieler haben sollte – und selbst das ist überaus selten –, die sich praktisch absolut gleichen, dann könnte auf einer Goldwaage dieser Faktor das eine, entscheidende Gramm ausmachen. Aber ganz ehrlich: An den Punkt bin ich in meinen Jahren als Sportleiter noch nicht gekommen. Die anderen Filter sind wichtiger. Wenn dann am Ende unseres Prozesses ein Spieler wie Deane Williams verpflichtet werden kann, der die Liga zusätzlich schon kennt, ist das aber natürlich prima. Das hat allerdings, wie alles im Leben, Vor- und Nachteile. Spieler, die die Liga kennen, sind auch den Gegnern bekannt. Und dann gibt es Jungs wie unseren neuen Center Ebuka Izundu, den kaum einer kennt und der dadurch unberechenbarer ist. Das kann zum Vorteil werden. Natürlich gibt es auch Ausnahmeakteure wie Rickey Paulding, den alle vermeintlich in- und auswendig kannten – und am Ende hat er, obwohl man ahnen konnte, was er als nächstes macht, doch gegen alle gepunktet. So einer ist einmalig. (lacht)
Wenn ein Spieler konkret für euch interessant wird: Mit wie vielen Personen sprichst du vor dem Abschluss eines Vertrages? Ihr wollt schließlich Akteure verpflichten, die nicht nur den Korb treffen, sondern auch menschlich passen.
Das ist sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gilt: je mehr Informationen, desto besser. Dann entsteht ein klareres Bild, als wenn ich nur mit zwei Leuten spreche. Jeder sieht und versteht ja einiges auch unterschiedlich. Spieler sind darüber hinaus sehr spezielle Typen, und man weiß nicht immer, was für den einen oder anderen in der Saison davor möglicherweise problematisch war. Hatte er Stress mit Teamkollegen? Gab es private Probleme? Das sind auch alles Sachen, die ich herauszufinden versuche. Es gab auch vor dieser Saison Spieler, über die ich mit bis zu 20 Leuten gesprochen habe. Das hilft mir sehr. Ich habe zum Beispiel mit Serbiens U18-Nationaltrainer gesprochen, der auf dem Weg auch gleich ein paar Infos über die Deutschen mit Blick auf die EM haben wollte. Habe ich ihm aber nicht gegeben, das ist hier schließlich meine zweite Heimat. (lacht) Man kann aber auch nicht in jedem Fall wissen, ob die Infos authentisch sind, schließlich schützen sich manche auch untereinander. Bei anderen Spielern ist es aber auch so, dass ich nur einen oder zwei Sätze über sie einsammeln kann. Wir haben grundsätzlich die gute Situation, dass auch unser Trainer Pedro Calles sehr viele Kontakte hat, die wir nutzen können.
Wie löst ihr etwaige Konflikte bei der Spielersuche? Es gibt doch mutmaßlich Akteure, die der Trainer mag, der Sportleiter aber nicht – beziehungsweise umgekehrt. Und dann gibt es ja auch noch den Geschäftsführer Hermann Schüller.
Es kann nicht zu einem Konflikt kommen, denn weder ich noch Hermann wollen einen speziellen Spieler unbedingt haben. Pedro ist der Einzige, der einen klaren Wunsch aussprechen kann, welcher Akteur verpflichtet werden soll. Das ist der normale Weg, ein anderer wäre aus meiner Sicht auch merkwürdig.
Ist das nicht sehr basketballtypisch? Hier spielt der Trainer mit Blick auf den Kader die entscheidende Rolle; ein klarer Unterschied zum Fußball.
Ich würde es eher ein Fußball-Phänomen nennen. Auch in anderen Sportarten spielt, zumindest nach meinem Empfinden, der Trainer bei der Zusammenstellung der Mannschaft die entscheidende Rolle. Es gibt zwar auch im Basketball Clubs, die das anders handhaben – ich bin mir aber nicht sicher, ob das wirklich gut ist. Unabhängig davon: Pedro muss am Ende eines Entscheidungsprozesses das Bauchgefühl haben, dass dieser oder jener Spieler der richtige für sein Team ist. Wenn wir zusammensitzen, dann bringe ich mich natürlich ein und präsentiere Spieler, die ich als für uns passend empfinde. Aber das war es dann auch. Wenn ich merke, dass sich aus Sicht des Trainers keine Affinität zu einem Akteur entwickelt, verfolge ich das auch nicht weiter. Hermann Schüller ist auch niemand, der sich hier aktiv für einen Spieler stark macht, den er unbedingt verpflichten will. Das hat er noch nie gemacht. Aber natürlich stellen er oder ich auch mal eine Frage, warum es der eine werden soll und der andere nicht.
Mit Blick auf die Erkenntnisse der vergangenen Saison: Worauf lag für dich in diesem Sommer der Fokus bei der Suche nach neuen Spielern? Nach dem Aus gegen Ludwigsburg war mal von fehlender Athletik, mal von zu viel Ausrechenbarkeit die Rede.
Athletik hat uns gefehlt, keine Frage. Und die Ausrechenbarkeit war am Ende auch ein Resultat des Umstands, dass wir in DeWayne Russell praktisch nur noch einen im Team hatten, der wirklich etwas für alle kreieren konnte. Das war auch ein Ergebnis von Verletzungen. Wir hatten auch schon Probleme am Anfang der Saison, das zeigen ja nicht zuletzt die personellen Veränderungen. Da mussten wir früh justieren, in Rihards Lomazs haben wir eine sehr gute Lösung gefunden. Der war top und genau das, was wir gebraucht haben. Und dann hat er sich verletzt. Für die neue Saison haben wir aus meiner Sicht beispielsweise bei den Guards in Charles Manning einen Spieler gefunden, der diese Probleme verringern kann. Wir haben mehr Athletik im Team und zudem bessere Shooter. Denn mit Blick auf die Spielphilosophie hat uns auch das gefehlt. Zu guter Letzt haben wir zwei große Leute verpflichtet, die sehr gut zur Spielweise von DeWayne passen werden.
Ich bin noch immer davon überzeugt, dass die Mannschaft mit einem gesunden Alen Pjanic und einem gesunden Rihards Lomazs in den Playoffs eine bessere Rolle gespielt hätte. Alen als einer, der couragiert vorangeht, und Rihards als einer, der Würfe kreiert und seine Wurfprobleme im Lauf der Saison in den Griff bekommen hätte.
Volle Zustimmung! Und was den Wurf von Rihards angeht: Warum hat er die Dreier nicht getroffen? Er war es von seinen vorherigen Stationen nicht gewohnt, die Defense auf voller Länge des Feldes von Baseline zu Baseline zu laufen. Und dann ist der Puls bei 220 und nicht bei 130. (lacht) Daran hätte er sich im Laufe der Zeit ganz sicher gewöhnt.
Ihr beginnt nicht erst nach dem letzten Spieltag mit der Zusammenstellung des nächsten Kaders. Wie früh stand für dich gedanklich fest, dass einzelne Spieler kein Faktor für die neue Saison sind?
Wenn ich zurückblicke, dann hat es uns insgesamt schon nicht gutgetan, nicht ins Trainingslager zu reisen. Ich würde das gar nicht als Fehler verstehen, ab und an entwickeln sich Dinge einfach auf eine bestimmte Weise, und wir hatten im letzten Jahr nicht genug Zeit, um alles perfekt hinzubekommen. Wenn wir im Trainingslager gewesen wären, dann hätten wir bestimmte Dinge frühzeitig erkannt und entsprechend noch besser reagieren können. Und auch die Testspiele konnten das nicht ganz kompensieren. Unter anderem beim Fan Day gegen Bonn haben wir ein paar Dinge gesehen, die wir aber in den Griff zu bekommen geglaubt haben. Andererseits: Es gibt natürlich auch Spieler, bei denen wir uns spät entschieden haben, erst im April oder Mai.
Wobei dazu ja auch immer zwei Seiten gehören.
Ganz genau. Es gibt Spieler, bei denen man einsehen muss, dass es sportlich nicht mehr passt. Es gibt aber auch die Fälle, in denen wir zwar ein Angebot unterbreiten, der andere aber nach einer Veränderung Ausschau hält.
Die Spieler sind erst seit Kurzem in Oldenburg zusammen. Welchen Eindruck hast du von der Gruppe bislang – auf dem Feld, aber auch (und vielleicht vor allem) daneben?
Ich erkenne ein größeres Potenzial, was die Offensive angeht – und wir sind athletischer. Das, was wir an Defiziten nach der vergangenen Saison erkannt haben, konnten wir gut lösen. Wichtig ist natürlich auch, dass Alen Pjanic im Verlauf der Saison zurückkommt. Und menschlich ist das eine gut zusammengestellte Truppe mit richtig guten Typen. Das ist sehr wichtig, denn man lebt mit den Jungs über Monate tagtäglich zusammen. Wir verbringen sehr viel Zeit miteinander. Mir kommt die Gruppe bislang überaus lebendig vor.
Ihr verabschiedet euch Anfang der kommenden Woche ins Trainingslager. Was versprichst du dir davon? Und wie vermeidet ihr ein Gefühl des Lagerkollers?
Wir gestalten das Trainingslager sehr abwechslungsreich. Das ist nicht der klassische Ablauf, den wir selbst in der Vergangenheit auch ab und an durchgezogen haben. Wir waren damals beispielsweise mal in Rogla, und da gab es drumherum im Grunde: nichts. Zunächst einmal sind wir in Belgrad für zwei Tage und spielen das erste Spiel. Dann geht es weiter nach Zlatibor, wo wir perfekte Bedingungen vorfinden und Möglichkeiten haben, auch mal rauszukommen. Dort folgt das nächste Spiel, und zum Abschluss geht es noch einmal zurück nach Belgrad, wo wir auf das Ex-Team von Charles und Ebuka treffen. Das ist gut für die Teamentwicklung; wir nehmen auch die verletzten Spieler und die Youngster aus dem Kader mit.
Stichwort Verletzungen: Es wird momentan über angeschlagene Spieler spekuliert, beispielsweise über Kenny Ogbe, der mit Gehhilfen unterwegs sein soll. Was kannst du dazu sagen? Gibt es Anlass zur Sorge?
Jede Verletzung macht uns immer Sorgen, und unser medizinisches Team hat tatsächlich von Beginn an gut zu tun. (lacht) Zunächst einmal läuft bei Alen alles planmäßig, das beweisen alle Kontrollen. Er liegt auf Kurs. Ich hoffe und wünsche mir für ihn, dass es noch dieses Jahr mit der Rückkehr klappt. Dann gibt es im Training immer mal wieder die eine oder andere Verletzung, aber solche Dinge passieren nun einmal. Es ist nichts Gravierendes dabei, aber natürlich nervt jeder Ausfall. Kenny ist umgeknickt, aber die Untersuchungen zeigen, dass es nichts Schlimmes ist. Solche Dinge benötigen aber dennoch immer einen Moment, um wieder in Ordnung zu kommen.
Siehst du ein Risiko in der deutschen Rotation? Alen Pjanic ist noch eine Weile raus, andere – wie Kenny Ogbe oder Norris Agbakoko – zeigten sich in der Vergangenheit als durchaus verletzungsanfällig.
Vorweg: Wir spielen einen Basketball mit hoher Intensität: defensiv mit hohem Druck, offensiv mit hohem Tempo. Das zieht sich natürlich auch durch das Training, und die Gefahr von Verletzungen gehört dabei leider dazu. Das ist etwas anderes, wenn man sich langsam zurückzieht und den Gegner auf Höhe der Mittellinie aufnimmt. Bei Defense von Baseline zu Baseline gilt: Jeder Meter mehr erhöht die Gefahr. Du hast Norris angesprochen. Es stimmt, dass er immer mal wieder verletzt war, aber ich hoffe, dass er aus diesen Dingen heraus ist. Wenn er über einen langen Zeitraum verletzungsfrei bleibt, wird ihm das helfen, den nächsten großen Schritt zu machen – und sich zu unserem ersten Center zu entwickeln. Und die Entscheidung, Alen trotz der Verletzung zu halten, ist aus meiner Sicht die einzig richtige gewesen. Das spricht am Ende eben auch für unsere Philosophie und den familiären Charakter, den die Spieler sehr schätzen. Letztlich sind uns aber auch finanziell die Hände gebunden, um noch einen weiteren deutschen Spieler für die feste Rotation zu verpflichten – und spätestens bei Alens Rückkehr würden wir dann wieder in Probleme kommen, wer dann welche Rolle übernimmt. Lass es mich so formulieren: Das Risiko, das wir eingegangen sind, hat Alen Pjanic verdient. Er wird uns das durch Leistungen danken.
Es ist bekanntlich teuer, deutsche Spieler zu verpflichten. Wie stellt ihr sicher, dass ihr für die Zukunft BBL-Akteure ausbildet?
Die Wurzeln habe ich vor acht Jahren gelegt. Im Profibereich ist es so: Dort kannst du ein schlechtes Jahr gleich im nächsten Jahr umdrehen, das haben wir gerade gezeigt. Wobei ich sagen muss: Ein schlechtes Team hatten wir auch 2021/2022 nicht, aber wir sind in eine absolute Negativspirale geraten. Das ist Hamburg in der vergangenen Saison in ähnlicher Form passiert. Verletzungen, unglückliche Niederlagen, Pech – es kommt dann wirklich alles zusammen. Im Jugendbereich allerdings ist das nicht möglich, da kannst du nach der Saison nicht sagen: So, nun wird alles direkt wieder besser. Wir haben die Dinge 2015 radikal verändert, von den Trainern bis zur Selektion von Spielern. Uns sind dabei natürlich auch Jungs abgesprungen, die wir entwickeln wollten. Die Jahrgänge, die jetzt nachrücken, zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind. Dazu muss ich aber auch sagen: Es sind nicht die Ergebnisse alles entscheidend, sondern die Entwicklung. Und dazu gehört ein zweites Team mit jungen deutschen Spielern und nur punktuellen Ergänzungen von außen, die BBL-Potenzial aufweisen. Das Fundament bilden Jungs aus der Region, sei es aus Oldenburg, dem Ammerland oder Ostfriesland. Und das soll die Zukunft sein: Diese Jungs sollen das Team tragen. Pedro vertraut jungen Spielern, wir müssen sie darauf vorbereiten. Ich sehe in dieser Hinsicht einige interessante Spieler.
Wie wichtig wäre in diesem Zusammenhang die ProB?
Die ProB gehört zu den Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Die Entscheidung, dort nicht mehr anzutreten, war eine Folge der Covid-Pandemie. Es ist nicht so, dass wir das einfach nicht mehr wollten. Wenn wir erkennen, dass wir ein Team zusammenhaben, das aus jungen Spielern aus unserem Nachwuchs besteht und dort mithalten kann, dann werden wir schauen, wie wir das realisieren können. Bis dahin müssen wir noch einiges an Arbeit leisten.
Braucht es perspektivisch einen Verantwortlichen, der das Nachwuchsprogramm leitet beziehungsweise koordiniert?
Es gibt doch gar nicht so viel zu leiten. Ich habe das früher als schwieriger empfunden, als man alles noch separat mit dem Jugendkoordinator abstimmen musste. Ich muss hier auch gar nichts koordinieren. Wir setzen uns jeden Montag zusammen und sprechen mit den Nachwuchstrainern alles in Ruhe durch. Und dort bringe ich auch das mit ein, was ich im Gespräch mit Pedro berede. Wir entscheiden alles zusammen: Wer soll mit ins Trainingslager? Wer bekommt einen Fördervertrag? Wer spielt wo und wer trainiert im BBL-Team mit? Ein zusätzlicher Koordinator würde neben mir sitzen und zuschauen, was wir machen. (lacht) Das Geld investieren wir lieber in die unmittelbare Förderung der Nachwuchsspieler. Wir fahren mit diesem Kurs sehr gut.
Du sitzt bei den Spielen stets am Rande des Geschehens. Wie ergeht es dir dabei? Juckt es in den Fingern, aktiv in die Entscheidungen einzugreifen?
Im Leben ist Erfahrung ein wichtiger Faktor. Ich habe zum Beispiel im Verein in Westerstede gearbeitet und Sponsoren gesucht. Dann war ich als NBBL-Trainer aktiv, als Co-Trainer und Athletiktrainer bei den Profis, und ich kenne Basketball nicht zuletzt als Spieler. Das alles zusammen sorgt dafür, dass ich gut verstehe, wie sich alle in ihrer Haut fühlen: der Trainer, die Spieler, die Geschäftsführung. Das kann ich alles besser einschätzen. Aber aktiv eingreifen? Ich wäre ja verrückt. Ich schaue schon gerne beim Training zu und stelle auch mal Fragen. Mir reicht es, regelmäßig meine Söhne zu trainieren, da bin ich durchgeschwitzt genug. (lacht)
Gibt es denn Momente im Spiel, in denen du etwas entdeckst und das dann – möglicherweise in der Auszeit über die Co-Trainer – zur Sprache bringst?
Das ist schon ein paarmal passiert. Aber: Da muss man schon genau wissen, wie man das dosiert. Ich habe Bryce Taylor in der letzten Saison auch schon einmal was zugerufen, aber grundsätzlich halte ich mich da lieber zurück; die Coaches wissen genau, was sie tun. Ich bin aber beispielsweise in der Halbzeit in der Trainerkabine und äußere bei Bedarf meine Meinung, wenn die Trainer sich besprochen haben.
Wenn ihr spontan auf eine Verletzung während der Saison reagieren müsst: Wie viele Spieler hast du auf den einzelnen Positionen ungefähr im Blick, die dann infrage kommen? Gänzlich unvorbereitet dürftest du nie sein.
Schau dir die Verletzung von Rihards Lomazs in der vergangenen Saison an. Das sah nach einer kleinen Blessur aus, ganz harmlos auf den ersten Blick. Sein Gesichtsausdruck aber hat mir aber alles gesagt! Ich wusste, dass er schon einen Kreuzbandriss hinter sich hatte. Und so blass und erschrocken, wie er aussah: Da war mir klar, dass es etwas sehr Ernstes ist. Er hatte wohl ein Geräusch vernommen, und als ich ihn in den Katakomben sprach, sagte er, dass garantiert etwas gerissen sei. Und als ich ihm dort ins Gesicht blickte, da fragte ich mich: Wen soll ich jetzt holen? Es gibt keinen! Es war Anfang des Jahres. Es tat mit für Rihards wahnsinnig leid, aber man beginnt sofort, die Alternativen zu checken. Es gibt die Liste aus dem letzten Jahr, und ich weiß dann sofort, wer wo untergekommen ist – oder eben auch nicht. Ich reise jetzt in die Türkei, da spielen 24 Mannschaften um die Qualifikation für die Champions League. Dort kann ich mehr als 250 Spieler an einem Ort sichten – fantastisch! Und das ist unser Level dort. Danach habe ich dann wieder eine neue Liste.
Du bist nach dem Abgang von Rickey Paulding inzwischen der Dienstälteste im Team. Empfindest du immer noch die gleiche Motivation?
Ich habe mich nie mit Rickey verglichen. (lacht) Aber wenn ich mal zurückschaue: Ich bin schon seit 1993 in Sachen Basketball hier unterwegs, eigentlich ist das unfassbar. Zu Rickey muss ich aber auch noch was sagen: Ich habe ihn in diesem ersten Jahr, in dem er nicht mehr für uns spielt, schon eine Weile sehr vermisst. Das war am Anfang ein Gefühl, als wenn in der Halle ein Korb fehlt. Klar, der Fokus richtet sich im Verlauf der Zeit in eine andere Richtung, und es gab ja auch insgesamt viele Veränderungen. Immer, wenn er jetzt nach Oldenburg kommt, ist es, als sei man wieder frisch verliebt. Zu deiner Frage: Ich identifiziere mich voll und ganz mit dem Club, und ich habe das Gefühl, es wird in jedem Jahr sogar noch ein bisschen mehr. Und daran kann auch Kritik nichts ändern, denn ich selbst bin überaus selbstkritisch – manchmal mehr, als es gesund ist. Ich verliere die Lust an allem keinesfalls.
Was erwartest du von der Mannschaft in der neuen Saison?
Generell ist es mir wichtig, dass es mir Spaß macht, mit dem Team unterwegs zu sein. Das hat viel mit Bauchgefühl zu tun, und das macht bislang einen sehr guten Eindruck. Ich möchte Energie und Spirit spüren. Zweitens wollen wir konkurrenzfähig sein; egal, gegen wen wir antreten. Wir wollen mit jedem mitspielen können. Und außerdem wollen wir körperlich und athletisch besser auftreten, da waren uns Mannschaften wie Bonn, Ulm und Ludwigsburg voraus.
Ende September startet die Bundesliga. Kann sich etwas wie im Vorjahr wiederholen, als Bonn und Ulm im Finale standen, oder übernehmen nun wieder die üblichen Verdächtigen das Ruder?
Das ist sehr schwer zu sagen, denn bei jedem Club gilt: Wie funktioniert es jeweils als Ganzes? Die Liga ist wahrlich nicht schlecht. Schau dir alleine Bayern an, wo Pablo Laso wegen des Gesamtpakets gekommen ist: neue Halle, ein gutes Team, konkurrenzfähig in der Euroleague. ALBA hat einen Rückschlag erlitten mit dem Aus in der ersten Runde, die werden bestimmt Gas geben. Es ist kein Geheimnis, was für einen guten Job der neue Bonner Trainer in Göttingen gemacht hat. Ulm tritt als Meister an; wir wissen noch aus eigener Erfahrung, was das bedeutet, wenn man überall plötzlich als solcher vorgestellt wird. Und auch Clubs wie Chemnitz oder Rostock entwickeln sich stetig weiter.
Zu guter Letzt: Wer holt Gold bei der an diesem Freitag startenden Weltmeisterschaft?
Ich hoffe Deutschland. Wirklich! (lacht) Ich beteilige mich nicht an Glücksspielen, und bei Tipps bin ich auch nicht so gut. Aber: Das, was ich gesehen habe, ist doch dies: Spanien hat Probleme auf der Point-Guard-Position, Serbien spielt ohne Jokic und Micic. Frankreich, Australien, USA und Deutschland: Das sind die vier Teams, die für mich um den Titel spielen. Beim Verfolgen der WM haben wir zuhause ein Privileg: Wir haben mit Deutschland und Serbien zwei Teams, denen wir die Daumen drücken können. Sportlich gesehen vermisse ich Maxi Kleber im Kader, aber auch so ist das Team wohl das Beste, was wir bisher jemals hatten. Dirk Nowitzki hat oft 80 Prozent der Klasse der DBB-Auswahl ausgemacht, das ist jetzt ganz anders verteilt.
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