Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Alles oder nichts im Oktober: Oldenburg reist zur Final-Neuauflage nach München

Die Erinnerungen an das TOP FOUR um den BBL Pokal im Februar dieses Jahres sind durchaus süß. Das auch aus neutraler Sicht glänzend organisierte Finalturnier hat mit großen Emotionen, packendem Sport und einem am Ende verdienten Pokalsieger begeistert. Acht Monate später läuft derweil längst der nächste Wettbewerb, an dem in dieser Saison erstmals auch Teams aus der zweitklassigen ProA teilnehmen. Mit überschaubarem Erfolg: Einzig die 46ers aus Gießen stehen im Achtelfinale, in dem jetzt auch die besten acht Mannschaften der Hauptrunde 2022/2023 eingreifen.

Die herausragende Partie dieser Runde ist zweifelsfrei das Aufeinandertreffen der beiden Finalisten aus dem Februar: Pokalsieger FC Bayern München empfängt die EWE Baskets Oldenburg. Obwohl die Niedersachsen am zweiten Spieltag der easyCredit Basketball Bundesliga einen 76:66-Erfolg über die Bayern feiern durften, müssen die Süddeutschen als Favorit angesehen werden (Sonntag, 17 Uhr, live bei Dyn).

Ein Euroleague-Champion an der Seitenlinie

Die Grundlagen für diese Favoritenstellung – die 2023/2024 in ausnahmslos jedem Spiel in nationalen Wettbewerben gelten wird – haben die Verantwortlichen im vergangenen Sommer gelegt. Zunächst beendete der FC Bayern die Ära von Andrea Trinchieri, die strenggenommen eine solche gar nicht wurde. Denn trotz des Pokalsiegs 2023 war die Bilanz für das Münchner Selbstverständnis nicht ausreichend: Zweimal in der Trinchieri-Zeit wurde Berlin Deutscher Meister, einmal ratiopharm ulm. Fast schon logisch, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Italiener abgelehnt wurde.

Bei der Suche nach einem neuen Übungsleiter griffen die Bayern beherzt ins Regal der ganz großen Namen und verpflichteten den Spanier Pablo Laso. Der war unter anderem bereits für das europäische Powerhouse Real Madrid aktiv und krönte sich gleich zweimal in seiner langen Karriere zum Euroleague-Champion. Und mehr geht schließlich nicht im europäischen Club-Basketball.

Pablo Laso ist seit dem Sommer Trainer des FC Bayern München. Bild: Ulf Duda / fotoduda.de

Laso stellte gemeinsam mit Sportdirektor Daniele Baiesi und Geschäftsführer Marko Pesic einen Kader zusammen, der den komplexen Herausforderungen im Tagesgeschäft gerecht werden soll. Denn: Natürlich streben die Bayern sowohl in der Liga als auch im BBL Pokal nach dem Titel, zudem wollen sie in der Euroleague eine ordentliche Rolle spielen. Dabei gilt es, eine enorme Anzahl an Spielen zu absolvieren – wenn die Playoffs beginnen, haben die Münchner bereits mindestens 69 Pflichtspiele in den Knochen.

Kader mit ungeheurer Tiefe

Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass der Kader aktuell über 18 Spieler verfügt. Darunter sind alleine neun Akteure mit ausländischem Pass, die Laso von Spiel zu Spiel die Qual der Wahl überlassen. Zumindest momentan fällt allerdings einer von ihnen aus: Vladimir Lucic laboriert an einer hartnäckigen Blessur. Wie groß sein Einfluss auf das Wohl und Wehe der Bayern noch immer ist, ließ sich übrigens beim TOP FOUR in Oldenburg erleben. Da kehrte er nach einer Verletzung zurück in den Kader und verlieh dem Team unmittelbar eine echte Winner-Mentalität; eine Auszeichnung zum MVP des TOP FOUR wäre im Rückblick keine allzu kühne Wahl gewesen …

Unter den zahlreichen Neuverpflichtungen in der Mannschaft ragt derweil einer buchstäblich heraus. Serge Ibaka, der unter Laso bereits bei Real Madrid aktiv gewesen ist, schloss sich dem FC Bayern in diesem Sommer an und bringt neben herausragender physischer Präsenz und seinen 2,06 Metern auch eine enorme Menge an Erfahrung mit. In seiner Vita sind unter anderem ein NBA-Titel (2019 mit den Toronto Raptors, dem neuen Club von Dennis Schröder), eine Europameisterschaft (2011) und eine WM-Silbermedaille (2012, beide mit Spanien) notiert. Der inzwischen 34-Jährige wurde bereits Teil der munteren Rotation: Bei der Niederlage in Oldenburg war der in Brazzaville (Kongo) geborene Ibaka nicht mit an Bord, nach zwei BBL-Einsätzen stehen durchschnittlich 17:52 Minuten, 10,5 Punkte und 6,0 Rebounds in der Statistik.

Wenngleich die Saison noch sehr jung ist, deuten sich bei den Bayern erste Trends an. Zuerst zu nennen ist (wenig überraschend) die ausgeglichen verteilte Spielzeit, woran sich angesichts der herausragenden Möglichkeiten, die sich Laso bieten, wenig ändern dürfte – es sei denn, die Unmenge an Spielen fordert übermäßigen Tribut in Form von Verletzungen. Dann schält sich heraus, dass die Weltmeister Andi Obst und Isaac Bonga auch im Trikot der Bayern viel Verantwortung übernehmen werden. Obst ist mit durchschnittlich 15 Punkten nach drei Spielen Topscorer der Bayern, eine Dreierquote von 50 Prozent inklusive.

Isaac Bonga wurde im September mit Deutschland Basketball-Weltmeister, nun will er den Bayern in der Liga, in der Euroleague und im Pokal mit seinen Qualitäten den Weg weisen. Bild: Ulf Duda / fotoduda.de

Unter den Neuzugängen machte zum Saisonstart insbesondere Guard Sylvain Francisco auf sich aufmerksam, der mit 11,7 Punkten im Schnitt andeutete, dass er durchaus bereit ist, offensive Last zu schultern. Andere Spieler werden schauen müssen, wie sie sich für mehr Spielzeit aufdrängen – beispielsweise Ivan Kharchenkov, Dino Radoncic oder Danko Brankovic. Letztgenannter, der als eine Art „Langzeitprojekt“ 2022 mit einem Fünf-Jahres-Vertrag ausgestatte wurde, kam in den ersten drei Saisonspielen immer zum Einsatz; auch in der Euroleague beim siegreichen Auftakt im deutschen Duell gegen ALBA BERLIN.

Coach Laso betonte nach dem jüngsten Sieg gegen die Veolia Towers Hamburg: „Ich bin froh, dass die jungen Spieler sich da präsentieren. Sie können gut spielen oder schlecht, aber sie spielen immer mit viel Energie, das ist mir wichtig.“ Kharchenkov und Radoncic werden es gerne hören, denn nichts geht über Vertrauen durch den Trainer!

Oldenburger Traum vom Coup

In Ehrfurcht erstarren müssen die EWE Baskets Oldenburg vor ihrer Reise nach München unterdessen nicht. Denn in mindestens einem Punkt gleichen sich beide Clubs zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison noch: Sie benötigen Zeit. Das zeigte sich bei den Norddeutschen beispielsweise zum Auftakt in Braunschweig sowie in gelegentlichen Phasen beim letztlich allerdings souveränen Sieg in Heidelberg und bei den Süddeutschen in bislang allen Spielen, von denen sie allerdings trotz einiger Wackelmomente nur eines verloren.

Um dem Heimsieg in der Liga nun gleich einen zweiten in der Fremde folgen zu lassen, müssen die Oldenburger wohl ein nahezu perfektes Spiel abliefern. Die bisherigen Erfahrungen aus den ersten drei Spielen lassen zumindest erahnen, dass sie nicht chancenlos sind. Das beginnt auf der Position des Point Guards. DeWayne Russell, wohl auch in dieser Saison MVP-Kandidat der easyCredit BBL, findet nach kleiner Blessur sichtbar zu mehr Stabilität. Ihm zur Seite steht – und das ist der große Unterschied zur Vorsaison – in Charles Manning Jr. eine echte Alternative. Zudem geben beide auch bei parallelem Einsatz eine gute Figur auf dem Parkett ab.

Sylvain Francisco, hier gegen Oldenburgs Center Ebeka Izundu, ist nach drei Spielen in der easyCredit BBL Topscorer der Bayern. Bild: Ulf Duda / fotoduda.de

Hinzu kommen die belebenden Elemente, die Akteure wie Len Schoormann, Lukas Wank und Kyle Foster liefern. Vor allem Schoormann wirkt bisher ganz und gar nicht wie der zuweilen zurückhaltende Akteur aus Hamburger Zeiten. Verlass ist auch auf die Neuzugänge Deane Williams und Brekkott Chapman, die mit Tempo, Einsatz und cleveren Entscheidungen viele Optionen eröffnen. Und die darüber hinaus auf den großen Positionen beherzt zugreifen können, wenn die nominellen Center Ebuka Izundu und Norris Agbakoko in Schwierigkeiten geraten. Nennen wir es ruhig beim Namen: Bei diesen beiden lauert tatsächlich noch mehr Potenzial, das es Schritt für Schritt zu wecken gilt.

Die gute Laune wird aktuell nur durch unbesetzte Stellen getrübt. Während Alen Pjanic noch länger ausfallen wird, hoffen die EWE Baskets bei Max DiLeo auf eine kurzfristige Rückkehr. Ob es für das Pokalspiel reicht, entscheide sich nach Clubangaben in den Trainingstagen bis zum Tipoff. Die Hoffnung auf ein Comeback gilt auch für Kenny Ogbe, der seit dem Fan Day nicht mehr im Aufgebot stand. Ihn hindert eine leichte Knieverletzung am Spielbetrieb, die Rückkehr auf das Parkett komme „deutlich näher“, heißt es aus der Maastrichter Straße.

Und dann ist da ja auch noch die Sache mit dem Assistenztrainer: Nach dem überraschenden Abgang des erst im Sommer verpflichteten Thomas Roijakkers bleibt vorerst offen, ob ein Neuer kommt. Zuletzt assistierten Franjo Borchers aus dem Nachwuchsbereich und Athletiktrainer Alvaro de Pedro bei den Spielen. „Aller Voraussicht nach wird dazu eine Entscheidung in der kommenden Woche fallen“, erklärten die Baskets nun auf Nachfrage.

Alles oder nichts im Oktober: Beide Teams werden es vermutlich begrüßen, sich in einem echten Do-or-die-Spiel messen zu können. Prognose: Die Partie wird auch im Kopf entschieden – und unter den Körben, wo in Sachen Rebounds der Schlüssel zum Weiterkommen liegen könnte. Münchens Trainer Laso weiß natürlich auch, worauf es ankommt: „Wenn du an deinem besten Level spielen willst, musst du 40 Minuten spielen, das können wir noch nicht“, analysierte er nach dem Sieg gegen die Towers. Die Oldenburger sollten sich nicht zuletzt deshalb darum bemühen, volle 40 Minuten durchzuhalten und die Bayern dazu zu zwingen, das Bestmögliche auch tatsächlich abrufen zu müssen …


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