Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Nach Würzburg ist vor Heidelberg: Oldenburgs Sorgen wachsen

Nach einer vorangegangenen Saison im grauen Mittelmaß der Basketball Bundesliga hatte Pedro Calles im Sommer 2022 die Verantwortung bei den EWE Baskets Oldenburg übernommen. Die Niedersachsen waren 2021/2022 zwischenzeitlich bis auf den letzten Platz abgerutscht, erst die Verpflichtung von Ingo Freyer als Mann an der Seitenlinie hatte die Wende eingeläutet und schließlich den Klassenerhalt gebracht. Freyer durfte nicht bleiben, stattdessen griffen die EWE Baskets bei „einem der besten Trainer der easyCredit BBL“ zu, wie es in der damaligen Pressemitteilung erwartungsvoll hieß.

Calles führte Oldenburg 2022/2023 zumindest tabellarisch zurück in die Spitzengruppe, als Vierter nach der Hauptrunde allerdings verabschiedeten sich die EWE Baskets in der ersten Playoffrunde mit einem ernüchternden 0:3 gegen Ludwigsburg in den Sommer. 22 Siege waren in den 34 Spielen der regulären Spielzeit gelungen, im Pokal wurde vor heimischer Kulisse das Finale erreicht, europäisch war man nicht vertreten.

Und jetzt, im März 2024? Da stehen die Oldenburger wieder dort, wo sie im Mai 2022 am Saisonende strandeten: im grauen Mittelmaß.

Ja, die Bilanzmisere (10:13 Siege, Rang elf) hat ihre Ursachen auch in der fatalen Serie an Verletzungen, von denen der Kader monatelang heimgesucht worden war. Muskeln, Bänder und Knochen rissen und brachen, und damit kam der inzwischen fast vergessene Schwung aus dem Saisonstart zum Erliegen. An die anfänglichen 5:1 Erfolge schlossen sich acht Niederlagen in neun Spielen an.

Inzwischen sind die meisten Akteure nicht nur in den Trainingsbetrieb, sondern auch auf das Pflichtspielparkett zurückgekehrt. Die beiden Partien mit gut gefüllter Bank brachten derweil zunächst noch keine Besserung: In Berlin stand das Team ebenso auf verlorenem Posten wie zuletzt gegen Würzburg.

Der Auftritt gegen die Franken war aus mehreren Gründen bemerkenswert. Im Gedächtnis bleiben unter anderem ein in der zweiten Halbzeit angesichts der Unterlegenheit fast lethargisches Publikum, vorzeitig abwandernde Zuschauer und die Erkenntnis, wie groß der Abstand zu einem Team wie den Würzburg Baskets aktuell ist. Von einem von mir vor der Partie erwarteten Pflichtsieg waren die EWE Baskets so weit entfernt wie Crailsheim von der deutschen Meisterschaft.

In der Defensive fehlte das notwendige Feuer; bezeichnend der Umstand, dass Alen Pjanic, der bis zu seinem Comeback in Berlin fast ein Jahr lang kein Spiel bestritten hatte, noch den größten Ehrgeiz an den Tag legte, einen Erfolg zu erzwingen. Zu statisch die Offensive, in der im Spielaufbau das zweifelsohne vorhandene Kreativitätspotenzial nicht zur Geltung kam. Den Gästen gelangen zwei Buzzer-Beater, und man hatte in diesen Momenten schon während der defensiv nur bewundernd beobachteten Entstehung den Eindruck, dass die Oldenburger in Schockstarre dachten: „Ach nö, nicht schon wieder!“

Pedro Calles war nicht einverstanden mit dem, was seine Spieler gegen Würzburg boten. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Wer momentan bei den Gesprächen unter den Fans genau hinhört, erkennt rasch: Das Vertrauen in Calles ist nicht gewachsen, ganz im Gegenteil. Dass die Erwartungshaltung durchaus groß ist, hat sich der Club auch selbst zuzuschreiben: Die Präsentation des Spaniers als „einer der besten Trainer“ in dieser Liga hat Hoffnungen geweckt, dass er die Oldenburger dorthin zurückbringt, wo der Club in den Jahren zuvor immer mal wieder war. Denn gänzlich unbekannt ist den EWE Baskets die luftige Höhe ja nicht: Meisterschaft, Pokalsieg, Finalteilnahmen gehören zur Historie. Momentan aber gerät selbst die Etablierung in der Gruppe unmittelbar hinter den beiden Größen Bayern und Alba in Gefahr. Andere drohen zu enteilen.

Und was machen eigentlich die Pläne und Strategien, die bei der Verpflichtung von Calles bewusst erwähnt worden waren? Wo bleiben die Neuigkeiten zum neuen Campus? Wie steht es um die „starke Durchmischung der Nachwuchs-Teams mit dem Profi-Betrieb“? Es wirkt, als sei nicht nur die laufende Saison, sondern die Gesamtentwicklung ins Stocken geraten.

Noch besteht die Möglichkeit, dass eine schwer greifbare Saison ein ordentliches oder sogar gutes Ende nimmt. Dafür müssen sich die EWE Baskets aber zwingend für die Play-Ins qualifizieren. Diese Neuerung im Modus der Liga könnte sich für die Oldenburger zu einem wahren Geschenk entwickeln. Um aber überhaupt an diesen K.-o.-Spielen teilnehmen zu dürfen, muss sich die Mannschaft deutlich steigern – in allen Bereichen.

Mit einem starken Endspurt könnte dann via Play-Ins der Sprung in die Playoffs gelingen. Mit einem Kader, der in Sachen Tiefe vor kaum einem Konkurrenten in Deckung gehen muss. Das Zusammenfügen der vielen Einzelteile ist nun die Hauptaufgabe für Pedro Calles, der sich das alles auch ganz anders vorgestellt haben dürfte. In Auszeiten musste er gegen Würzburg immer wieder an Grundsätzliches appellieren; kein gutes Zeichen im fortgeschrittenen Saisonstadium. In diesen Tagen kreisen die Spieler nun wieder um sich selbst, denn erst am 23. März geht es in der Liga weiter. Dann gastieren die MLP Academics Heidelberg in der EWE Arena. Die sind Tabellen-17. – womit wir wieder beim Stichwort Pflichtsieg sind. Die Heidelberger kommen allerdings mit einem gewissen Ingo Freyer als Trainer in den Norden. Und der dürfte ausreichend Freude daran haben, seinem ehemaligen Arbeitgeber eins auszuwischen.

Ingo Freyer kehrt mit seinen Heidelbergern am 23. März zurück an seine alte Wirkungsstätte. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga oder in diesem Blog. Transparenzhinweis: Ganz gelegentlich verfasse ich auch Beiträge für die Website des eingetragenen Vereins Baskets4Life e.V. (2011 als Baskets Akademie e.V. gegründet), der sich in Projekten im Nachwuchsbereich engagiert (u.a. BASKita, Grundschulliga oder Streetcourts in der Region). Was ich sonst noch so mache: hier entlang.