Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Kein Auf und Ab mehr: Warum sich Chaundee Brown Jr. in Oldenburg so wohlfühlt

Chaundee Brown Jr. kam im Dezember zu den EWE Baskets Oldenburg. Die Saison hatte er beim Champions-League-Kontrahenten SIG Strasbourg begonnen, sein Vertrag dort endete vorzeitig. Was er aus seiner Zeit am College mitgenommen hat, wie er die Situation in Oldenburg sieht und warum er die Bundesliga stärker einschätzt als die französische Liga, darüber sprach er im großen Interview im Club Center an der Maastrichter Straße.

Chaundee, ihr hattet nach dem Spiel gegen Crailsheim ein paar Tage frei. Tat diese Pause gut? Und was hast du unternommen?

Und wie! Ich habe diese Tage wirklich sehr genossen und bin nach Amsterdam gereist, um mal ein neues Land kennenzulernen und mich in der Stadt umzuschauen. Und natürlich auch, um es mir mit leckerem Essen gut gehen zu lassen. Mein Körper hat die Pause benötigt, aber nach diesem Sightseeing habe ich mich dann auch recht schnell wieder in Bewegung gebracht: bisschen laufen, bisschen Gewichte stemmen. Das waren gute Tage. Du musst bedenken: Es ist mein erstes Jahr hier in Europa, und da muss ich mich umschauen. Die Fiba-Pause kam wie gerufen, um den Kopf ein bisschen frei zu bekommen und mal nicht an Basketball zu denken.

Lass uns zunächst einmal kurz zurückschauen. Du warst am College aktiv und hast unter anderem in einem Team mit Franz Wagner gespielt, der im letzten Sommer mit Deutschland Weltmeister wurde. War da schon abzusehen, dass er in der NBA eine solche Führungsrolle übernehmen könnte wie er das nun bei Orlando Magic macht?

Zu einhundert Prozent. Gleich am allerersten Tag, als wir zusammen gezockt haben, dachte ich: Hey, das ist ein Profi! Mir war unmittelbar klar: Das ist ein zukünftiger NBA-Spieler und definitiv ein Erstrunden-Pick im Draft. Als er von den Magic ausgewählt wurde, habe ich ihm sofort geschrieben und ihm gesagt: Wenn du irgendetwas benötigst, sag Bescheid. Orlando ist schließlich meine Heimatstadt. Besonders seine Arbeitseinstellung sticht unter all seinen Qualitäten heraus, immer und bei jedem Training. Davor, währenddessen, danach: Er ist immer bereit. Franz war der Erste, der zum Training kam, und der Letzte, der ging. Auch abseits des Parketts ist er ein toller Typ, man kann sich mit ihm über alles unterhalten und bekommt immer seine Unterstützung. Selbst an Tagen, an denen er nicht ganz fit war, wollte er immer alles auf dem Parkett lassen. Er wird ein Freund bleiben, wir haben immer noch viel Kontakt.

Chaundee Brown Jr. beim Zug zum Korb. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Dein Wunsch war es, den Sprung in die NBA zu schaffen. Ich habe sogar gelesen, dass du davon schon im zarten Alter von drei Jahren geträumt hast. Letztlich hast du fünf Spiele dort bestritten, unter anderem an der Seite von LeBron James und Wes Iwundu, der inzwischen in Vechta spielt.

Ich habe mehr in der G-League gespielt, und dann ging es ein paar Mal hin und her zwischen der Liga auf der einen und der NBA auf der anderen Seite. Es kamen auch noch ein paar Pre-Season-Spiele dazu. Das war schon eine großartige Erfahrung. Nun bin ich auf der anderen Seite des Teiches angekommen, und ich muss sagen: Das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Einige, die aus der NBA hierherkommen, passen nicht ins Spiel – und andersherum sieht das genauso aus. Ich möchte zu denen gehören, die überall spielen können. Ich befinde mich ja auch immer noch in einem Lernprozess. Ganz habe ich mich an die Spielweise hier wohl noch nicht gewöhnt, aber ich bin auf einem guten Weg.

Bist du enttäuscht, dass es nicht zu einem langfristigen NBA-Deal gekommen ist?

Ich war am Anfang schon ein wenig enttäuscht, vor allem habe ich keine ausreichenden Erklärungen bekommen, warum es nicht zu mehr gereicht hat. Ich habe mir selbst gesagt: Es ist halt ein Business. Und Gott hat mir einen anderen Weg aufgezeigt. Jetzt bin ich hier, und ich bin für alles sehr dankbar.

Du sprachst über die G-League. Ist die Spielweise dort tatsächlich so speziell, wie viele es hier glauben? Sprich: Jeder schaut auf seine Zahlen und ist sich selbst der Nächste?

Das ist so. Jeder dort möchte beweisen, dass er eigentlich in die NBA gehört. Ich mache das niemandem zum Vorwurf, aber es geht dort dann ab und an auch wirklich etwas rau und egoistisch zu. Ich habe einfach immer versucht, mein Bestes zu geben und darauf gehofft, dass es einen Ruf aus der NBA gibt. Man muss nicht der beste Scorer sein, um dort spielen zu können, es zählen auch die anderen Dinge; vor allem die, die für das Team wichtig sind.

Zwischen der G-League und deinem Wechsel nach Europa lagen noch Auftritte in Kanada und Puerto Rico. Gab es dort Momente, in denen du dachtest: Moment mal, wo steuert das hier eigentlich gerade hin? Wenngleich das „Hop-on-hop-off“-Prinzip im Basketball ja durchaus nicht ganz ungewöhnlich ist …

Im Grunde fühlte sich das für mich ganz normal an. Sie haben in mir etwas gesehen, was ihnen helfen sollte, und haben sich gemeldet. Für mich war das nicht negativ belastet, ich wollte einfach ich selbst bleiben und den Teams so gut es geht helfen. Warum sollte ich mir Gedanken darüber machen, warum sich die Dinge gerade in dieser Weise entwickeln? Alles, was ich kontrollieren konnte, habe ich versucht zu kontrollieren. Was passiert, passiert. Blick nach vorne richten, alles geben, dann ergeben sich die Dinge von selbst.

In Oldenburg fühlt sich der US-Amerikaner überaus wohl. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Du hast im vergangenen Sommer einen Vertrag in Straßburg unterschrieben, unter anderem gegen Oldenburg gespielt und den Club dann im Saisonverlauf verlassen. Was passte dort nicht, wenn du auf diese Zeit zurückschaust?

Es war ein gewisses Auf und Ab in Frankreich. Ich habe im Grunde alles sehr gemocht dort in Straßburg, aber ehrlicherweise muss ich zugeben, dass es mit dem Coach nicht funktioniert hat. Es hat unter dem Strich einfach nie geklickt zwischen ihm und mir. Es kam dann noch ein Neuer hinzu, und letztlich bin ich dankbar, dass sie mir den Weg freigemacht haben, um in eine solch tolle Organisation wie hier in Oldenburg zu wechseln.

Was sich dann für dich wie ein Neustart angefühlt haben muss …

Es war vor allem eine große Erleichterung. Von Beginn an merkte ich: Hier kann ich wieder ich selbst sein, das war in Straßburg ganz anders. Und auch die Spieler dort wussten das: Mein Talent und mein Skillset waren da, aber ich konnte es innerhalb des Coaching-Systems nicht anwenden. Es ist manchmal so: Es passt dann einfach nicht. Man versucht alles, aber es funktioniert nicht. Wir standen nicht auf derselben Seite.

Es gab in Oldenburg in dieser Saison eine ähnliche Situation mit Kyle Foster, wo man einfach das Gefühl hatte: Im Grunde ein starker Spieler, aber irgendetwas passt nicht. Nun spielst du für die EWE Baskets – wie schwer war es, dich hier einzugewöhnen? Ich stelle es mir nicht ganz unproblematisch vor, mitten in der Saison in eine Mannschaft hineinzukommen. Zumal die Situation mit all den verletzten Spielern noch einmal komplizierter war.

Also in der ersten oder vielleicht in den ersten beiden Wochen ist das schon nicht ohne. Da muss man sich dann erst einmal in die offensiven und defensiven Plays hineinarbeiten und erkennen, wie die Spieler und der Coach spielen wollen. Ich glaube aber, dass ich in solchen Dingen schnell vorankomme und habe mir das alles rasch zu eigen gemacht.

Du bist jetzt seit ein paar Wochen hier. Wie ist dein Eindruck von deinen Kollegen und vom Club an sich?

Es ist großartig! Ich habe meinen Eltern das dieser Tage noch gesagt: Ich wurde hier mit offenen Armen empfangen, man wird respektiert und wertgeschätzt. Das fängt bei den Leuten im Office an und setzt sich beim gesamten Team fort. Ich komme mit allen sehr gut klar, alle sind wirklich sehr freundlich. Von den Coaches bekomme ich viel Rückendeckung, auch wenn mal was schiefläuft. Sie haben mein Potenzial gesehen und mich geholt, um dem Team zu helfen. Und dafür bin ich hier; ich muss in keiner Form herausstechen. Es geht um das Team.

Von den Rückkehrern verspricht sich Chaundee Brown Jr. sehr viel. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Gefällt dir die intensive Art des Basketballs – sowohl im Training als auch in den Punktspielen?

Absolut! Ich glaube, Juwan Howard hat mich als Headcoach in Michigan genau auf diese Art des Spiels sehr gut vorbereitet. Pedro erinnert mich an ihn: Geh keine Abkürzungen, bleib immer diszipliniert. Das gilt übrigens auch für das Leben abseits des Courts: eins nach dem anderen, nichts erzwingen. Nimm nicht den Aufzug, nimm das Treppenhaus. Jeder Trainer ist tatsächlich anders, ich mag das hier wirklich sehr.

Es läuft also besser als in Straßburg …

Eindeutig ja. Das weiß jeder meiner Mitspieler, ob in Oldenburg oder in Straßburg: Hier kann ich wieder ich selbst sein.

Langsam kommen die verletzten Spieler zurück auf das Parkett. Was erwartest du von eurem Team für den Rest der regulären Saison?

Wir werden einen Sprung machen, da bin ich mir ganz sicher. Der Coach hat nach dem Training gesagt: Wir sind auf dem Boden des Fasses und nun kommen wir zurück. Die Jungs, die jetzt wieder einsteigen, werden uns sehr helfen. Sie bringen uns in verschiedenen Bereichen vorwärts, wo wir zuletzt ohne sie Probleme hatten. Wenn man nur zu siebt oder zu acht ist, wird man natürlich schneller müde. Jeder Einzelne bringt uns voran.

Die Rückkehr dieser Spieler ist aber auch damit verbunden, dass sich Dinge ändern: die Minutenverteilung, die Rollen, teilweise sogar die Positionen. Siehst du hier ein Problem?

Das sind in meinen Augen keine Probleme, sondern es geht darum, hier und da Opfer für das Team zu bringen. Jeder hat seine Rolle im Team, und jeder ist dafür zuständig, diese Rolle auszufüllen. Ich muss mich ja auch neu an den einen oder anderen gewöhnen, schließlich habe ich mit einigen noch kein Spiel zusammen bestritten. Da gilt es herauszufinden, wer in welcher Situation was benötigt oder gerne spielt.

Gibt es etwas, was du momentan als größtes Potenzial in der Teamentwicklung erkennst?

Es gibt vor allem defensiv noch einiges zu tun. Da geht es um den Druck, den wir auf den Ballführenden ausüben, und um die richtige Positionierung. Wir wollen außerdem schnell spielen und unsere Physis ausnutzen.

Chaundee Brown Jr. sagt über sich: „Ich möchte einfach ich selbst bleiben.“ Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Und bei dir selbst? Wenn ich auf die Zahlen schaue, dann müsstest du sehr zufrieden sein mit dem, wie es bisher läuft.

Ich möchte einfach ich selbst bleiben. Den Ball gut verteilen, rebounden, vor allem defensiv vorangehen und meine Stimme noch mehr einsetzen.

Du kannst auf unterschiedlichen Positionen spielen und verteidigen. Gibt es eine Lieblingsposition?

Ehrlicherweise habe ich da keine Präferenz. Von der Eins bis zur Vier kann ich so ziemlich jeden verteidigen, da kommt meine Schnelligkeit zum Tragen.

Zu guter Letzt: Wie sind deine Eindrücke von der Bundesliga?

Das ist eine sehr physische und insgesamt wirklich sehr gute Liga. Sie ist definitiv besser als die französische Liga. Du musst hier jeden Tag bereit sein, es kann wirklich jeder jeden besiegen. Die Champions League hat mir übrigens auch sehr gut gefallen.


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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga oder in diesem Blog. Transparenzhinweis: Ganz gelegentlich verfasse ich auch Beiträge für die Website des eingetragenen Vereins Baskets4Life e.V. (2011 als Baskets Akademie e.V. gegründet), der sich in Projekten im Nachwuchsbereich engagiert (u.a. BASKita, Grundschulliga oder Streetcourts in der Region). Was ich sonst noch so mache: hier entlang.