Torben Rosenbohm

Freier Journalist aus Oldenburg

Oldenburger Gastspiel in Vechta: Früher war mehr Derby

„Früher war mehr Lametta“, hieß es einst in Loriots famosem „Weihnachten bei Hoppenstedts“. Und so wenig über eine etwaige Basketballbegeisterung des legendären Humoristen bekannt ist, so sehr kommt einem doch eine leicht abgewandelte Variante dieses Ausrufs vor dem kommenden Wochenende in den Sinn. „Früher war mehr Derby“, darf man mit Blick auf das Gastspiel der EWE Baskets bei RASTA Vechta in der easyCredit Basketball Bundesliga festhalten.

Derby, das ist für die Anhängerschaft der Oldenburger nach wie vor viel eher der Schlagabtausch mit den Artland Dragons aus Quakenbrück. Unvergessen sind die vielen Duelle mit dem vermeintlich kleinen Nachbarn, der hinsichtlich des Budgets entgegen der Selbstvermarktung zu seinen besten Zeiten eher unter den Größeren anzusiedeln war. In herzlicher gegenseitiger Ablehnung standen sich die Fans beider Lager gegenüber, die Spiele gegeneinander waren in der Hauptrunde regelmäßig der Stimmungshöhepunkt einer jeden Saison. Die Basketballvariante von Schalke vs. Dortmund, Bayern gegen 1860 oder VfB gegen Meppen.

Nur: Die Dragons spielen seit einigen Jahren nicht mehr im Konzert der Eliteklasse mit und stehen aktuell am Abgrund zur dritten Liga. Duelle gegen die EWE Baskets: auch mittelfristig eher unwahrscheinlich. Und so darf zumindest mit Blick auf die regionale Nachbarschaft und den kurzen Anreiseweg wohl doch von einer Art Derby gesprochen werden, wenn Oldenburg in Vechta aufläuft und von Hunderten Anhängern begleitet wird. Die Voraussetzungen bleiben anders als bei den Gastspielen in Quakenbrück: Regierte dort früher der entschlossen grimmige Blick in die Nachbarblöcke, geht es gegen RASTA dann doch ein ganzes Stück entspannter zu.

Sportlich lässt sich vor dem Tipoff festhalten: Beide Teams benötigen den Sieg. Die einen, und das macht die Partie besonders reizvoll, allerdings ein bisschen mehr als die anderen.

Neben den herausragenden Leistungen von Chemnitz und Würzburg ist das Auftreten von Vechta zu den großen Überraschungen dieser Saison zu zählen. Nach dem (Wieder-)Aufstieg in die Beletage des deutschen Basketballs gab es unter den Experten zwar schon vor dem ersten Spieltag die eine oder andere Stimme, die auf die Qualitäten des Neulings hinwies, doch eine Entwicklung, wie sie dann tatsächlich eintrat, erschien den wenigsten als realistisch.

Kampf um den Klassenverbleib? Weit gefehlt! Von Beginn an hielten sich die Schützlinge von Trainer Ty Harrelson deutlich entfernt von den Abstiegsrängen auf und sorgten in vielerlei Hinsicht für Furore. Dazu zählten unter anderem spektakuläre Siege wie vor Kurzem der Auswärtscoup beim FC Bayern München, die mühelose Integration des erst 18-jährigen Johann Grünloh in die feste Rotation oder auch das offenkundig professionell abgearbeitete Thema Trainerfindung.

Vechtas Headcoach Ty Harrelson wechselt zur neuen Saison nach Ulm. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Denn mitten hinein in die Erfolgsstory aus dem 34.000-Einwohner-Städtchen kündigte Headcoach Harrelson, der seit 2022 unter Vertrag steht, seinen Abgang zum Saisonende an. Die Spekulationen um einen Wechsel nach Ulm wurden kurze Zeit später mit offiziellen Meldungen bestätigt, hinter den Kulissen suchten die Verantwortlichen um Geschäftsführer Stefan Niemeyer und Sportdirektor Gerrit Kersten-Thiele nach einer Lösung, fanden sie und vermeldeten vor wenigen Tagen die Verpflichtung von Martin Schiller zur Saison 2024/2025.

Fazit: Problem gelöst, bevor es überhaupt zu einem werden konnte.

Nun kann sich RASTA voll und ganz auf den Saisonendspurt konzentrieren, der mit dem Derby/Nordduell/Nachbarschaftsvergleich gegen die EWE Baskets Oldenburg am Samstag eingeläutet wird. Die Ausgangslage ist im Grunde exzellent: Vechta hat 17:10 Erfolge auf dem Konto und damit einen Rang unter den ersten Zehn nahezu sicher, wenngleich die Tabellenprognose der Liga den mahnenden Finger erhebt und zeigt, dass theoretisch noch ein weiteres Abrutschen inklusive Saisonende nach der Hauptrunde möglich wäre. Machen wir uns nichts vor: Das wird nicht passieren.

Die Mannschaft würde sich aber mutmaßlich auch nicht darüber freuen, nach dem 34. Spieltag noch in die mit allerlei Unwägbarkeiten verbundenen K.-o.-Spiele der Play-In-Runde(n) eintauchen zu müssen. Dort droht schließlich ein jähes Aus, und mit Blick auf das aktuelle Tabellenbild und die noch auszutragenden Begegnungen ist nicht auszuschließen, dass die Partie gegen Oldenburg in den Play-Ins eine Fortsetzung erlebt. Möglicherweise könnte aus einer solchen Begegnung am Ende ja doch eine echte Derbystory werden …

Für die Oldenburger bietet sich am Samstag die Gelegenheit, eine bislang als holperig bis schwierig einzuschätzende Spielzeit etwas mehr in eine positivere Richtung zu bewegen. Die Stimmung in der Arena war oft genug zurückhaltend angesichts der gebotenen Leistungen; in der Partie gegen den MBC gab es in der engen Schlussphase und dank individueller Top-10-Momente immerhin ein Aufflackern des theoretisch möglichen Stimmungsumschwungs zu erleben.

Ein Sieg in Vechta würde in dieser Hinsicht allen Beteiligten guttun. Außerdem würde er auch eine sportliche Bilanz aufhübschen, die im laufenden Wettbewerb eher gruselig daherkommt: Gegen die neun Mannschaften, die im Klassement vor den Oldenburgern angesiedelt sind, gelangen in bislang 15 Spielen magere drei Siege. Das Hinspiel gegen Vechta gehörte zu den Tiefpunkten, als die EWE Baskets beim 67:85 chancenlos waren.

Tommy Kuhse und RASTA Vechta setzten sich im Hinspiel deutlich in Oldenburg durch. Bild: Ulf Duda/fotoduda.de

Die personellen Sorgen, und mit solchen kennen sich die Schützlinge von Trainer Pedro Calles zu ihrem Leidwesen bestens aus, sind gerade wieder etwas größer geworden. Zu Langzeitausfall Charles Manning Jr. und dem nach wie vor pausierenden Kenny Ogbe gesellten sich gegen den MBC auch noch Center Ebuka Izundu und Alen Pjanic. Immerhin ist der Kader nach den vielen späteren Verpflichtungen inzwischen groß genug, um diese Herausforderungen abzufedern. Vechta hat es in Sachen Blessuren und Ausfällen besser: Neun Spieler konnten mindestens 24 der 27 Begegnungen absolvieren.

MVP-Kandidat Tommy Kuhse, Ex-NBA-Spieler Wes Iwundu, möglicher zukünftiger NBA-Akteur Johann Grünloh: Das Team von Vechta verfügt über einige Spieler, bei denen sich das Zuschauen lohnt. Für die EWE Baskets, die nach der überraschenden Niederlage von Hamburg am Montag gegen Heidelberg Rang neun angreifen wollen, muss es am Samstag nicht nur darum gehen, als Team stärker als der Gegner zu sein, sondern auch die individuellen Duelle als echte Challenge anzunehmen. Im Selbstverständnis sehen sich die EWE Baskets vor dem Nachbarn, auf dem Parkett ist dieser Nachweis noch zu erbringen.


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Zu meinem Basketball-Background: Als wenig erfolgreicher Spieler hatte ich lange Zeit großes Interesse am aktiven Tun, allerdings beschränkt sich meine Liebe zu diesem Sport inzwischen auf die Besuche in den Hallen und Arenen und die entsprechende Arbeit an der Tastatur. Von 2004 bis 2014 habe ich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der EWE Baskets Oldenburg geleitet, seitdem beschäftige ich mich mit dem Club im Speziellen und dem Basketball im Allgemeinen als freier Journalist – unter anderem für die easyCredit Basketball Bundesliga oder in diesem Blog. Transparenzhinweis: Ganz gelegentlich verfasse ich auch Beiträge für die Website des eingetragenen Vereins Baskets4Life e.V. (2011 als Baskets Akademie e.V. gegründet), der sich in Projekten im Nachwuchsbereich engagiert (u.a. BASKita, Grundschulliga oder Streetcourts in der Region). Was ich sonst noch so mache: hier entlang.